Die Stuttgarter L-Bank: Hier führen Grüne und CDU von Mittwoch an ihre Koalitionsgespräche. Foto: dpa

Grüne und CDU führen ihre Koalitionsgespräche in der L-Bank. Das ist keineswegs so nebensächlich, wie es klingt.

Stuttgart - Eigentlich war das Haus ja schon bestellt: geräumige Säle in Stuttgarter Aussichtslage samt mild beschattetem Garten. Dazu ein sprechender Name, der wie geschaffen ist für politische Großtaten: Haus der Architekten! Einen besseren Tagungsort hätten Grüne und CDU für ihre am Mittwoch beginnenden Koalitionsverhandlungen gar nicht finden können.

Wenn da nur nicht . . . das Parfüm der Verflossenen in der Luft hinge. Wo Grüne und SPD im Lenz des Jahres 2011 ihre „Liebesheirat“ besiegelt hatten, wolle man keineswegs tagen, ließen die Christdemokraten ihren neuen Partner wissen. Grün-Schwarz müsse etwas total Anderes sein als Grün-Rot, pflegt CDU-Chef Thomas Strobl zu sagen. Das Ergebnis ist bekannt: Die Partner in spe treffen sich ab Mittwoch zu Koalitionsverhandlungen in der Stuttgarter L-Bank.

Man muss nicht die „Magie des Ortes“ bemühen, um zu erkennen: Die Wahl eines Tagungslokals ist für Verhandlungen wichtig, keinesfalls nebensächlich. Am besten trifft man sich auf neutralem Boden. Es muss ja nicht gleich die Schweiz sein, wo schon so manches gewichtige Abkommen ausgehandelt wurde. Wer will schon den Stuttgarter Koalitionsvertrag mit der Genfer Flüchtlingskonvention vergleichen.

Zu viel Öffentlichkeit

Und doch ist die Sache auch am Neckar heikel. Für die Sondierungsgespräche rund um Ostern konnte man einstweilen ins Haus der Katholischen Kirche in der Königstraße ausweichen. Das ist ein Veranstaltungszentrum in zentraler Lage neben der Eberhardskirche - samt Cafe, Lesetisch und mithin einer geballten Portion Öffentlichkeit. Was eigentlich nicht so gut zu vertraulichen Gesprächen passt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sah sich jedenfalls - für ihn unangenehm - von Medienvertretern und Zaungästen bedrängt.

Eigentlich hätte er sich die Sache ja einfach machen können. So wie seine Vorgänger. „Wenn die CDU Koalitionsverhandlungen führte, klingelte der Partner an der Pforte des Staatsministeriums, pilgerte die Serpentinen zur Villa Reitzenstein hoch und kam zwei Stunden später mit zwei Ministerposten wieder heraus“, spottet ein Spitzen-Grüner. Koalitionsgespräche in der Regierungszentrale? Undenkbar bei einer Grünen-Partei, die streng zwischen Amt und Mandat trennt. Auch wenn mancher – was natürlich keiner laut sagt – den Schwarzen den Canossagang durchaus gönnte.

Und was ist mit den Parteizentralen? Für die Große Koalition im Bund waren sie 2013 erste Wahl. Die Partner fragten sich – tief in die Augen blickend: „Zu Dir oder zu mir?“ Man ging dann wechselseitig zu beiden. So sah man SPD-Chef Sigmar Gabriel aus dem Konrad-Adenauer-Haus der CDU eilen, während CDU-Chefin Angela Merkel es sich im Willy-Brandt-Haus der SPD bequem machte. Ab und an traf man sich auch noch in der bayerischen Landesvertretung, Dreiecksbeziehungen sind eben heikel. In Stuttgart sind die beiden Parteizentralen allerdings zu klein für solche Dates.

Zum Date in Schlangenbad

Zu viel Symbolgehalt sollte man ohnehin nicht heraus lesen. In Hessen haben CDU und Grüne vor zwei Jahren ausgerechnet in dem kleinen Kurort namens Schlangenbad bei Wiesbaden verhandelt. Eine Schlangengrube scheint das Regierungsbündnis trotzdem nicht zu sein: Es hält noch immer . . .

Und die Symbolik der L-Bank? Bis vor ein paar Jahren hätte die Immobilie der 100-prozentigen Landestochter schöne Sprachbilder geliefert. Denn unter ihrer markanten Rotunde hatte das Friedrichsbau Variete´ sein Domizil, ehe die Bühne auf den Pragsattel umzog. Vielleicht passt der Tagungsort ja zum Geist der neuen Koalition: Ein nüchterner Zweckbund mit Gütertrennung und spitzem Griffel.

Man kann es natürlich auch so machen wie SPD, FDP und Grüne in Rheinland-Pfalz: Dort haben die drei Möchtegern-Partner vereinbart, in cognito zu tagen. „Wir haben Vertraulichkeit beschlossen und wollen uns nicht näher zum Verhandlungsort äußern“, sagt ein SPD-Sprecher. So wird man also in Mainz - die Stadt wird immerhin verraten – in den nächsten Wochen Kamerateams sehen, die ihre Linsen auf die Lieferanteneingänge großer Hotels richten. Immer in der Hoffnung, Ministerpräsidentin Maul Dreyer und andere Unterhändler hineinschlüpfen zu sehen.