Griechenland erinnert sich dieser Tage an den Zweiten Weltkrieg Foto: dpa

Auf der Suche nach einer Lösung in der Schuldenkrise wird der Ruf Griechenlands nach Reparationen aus Deutschland wieder lauter. Im Raum stehen elf Milliarden Euro, die die Bundesregierung den Griechen vor allem auf Grundlage einer Zwangsanleihe im Zweiten Weltkrieg noch schulden soll.

Berlin - Das Bundesfinanzministerium lehnt Reparationen kategorisch ab. Sie seien durch einen Vertrag mit Griechenland aus dem Jahr 1960 abschließend geregelt, heißt es.

Um den Schuldenberg Griechenlands zu verringern, hatten mehrere griechische Politiker verschiedener Couleur in den vergangenen Jahren immer wieder angekündigt, finanzielle Wiedergutmachung von Deutschland für die in der NS-Zeit erlittenen Schäden fordern zu wollen. Unter ihnen war auch der neue griechische Premier Alexis Tsipras. Vor der Wahl im Januar hatte der Chef der linkspopulistischen Syriza-Partei mehrmals betont, er wolle „Entschädigungen für die Nazi-Verbrechen und den Zwangskredit“. Doch warum gibt es die neuerlichen Forderungen der Griechen überhaupt?

Die SS und die Wehrmacht ermordeten während der Besatzungszeit von 1941 bis 1944 nicht nur Hunderttausende Griechen und plünderten das Land aus. Die Nazis zwangen zudem die griechische Nationalbank, ihnen einen zinslosen Kredit in Höhe von 476 Millionen Reichsmark zu gewähren. Eine Summe, die Deutschland bis heute nie zurückgezahlt hat.

Eine Expertenkommission, die der abgetretene Premier Antonis Samaras vor rund einem Jahr eingesetzt hatte, errechnete, dass Deutschland Griechenland auf Grundlage dieses Zwangskredits heute noch elf Milliarden Euro schulde. Nach Ansicht des deutsch-griechischen Historikers Hagen Fleischer, der anfangs der Kommission angehörte, falle die alte Anleihe nicht unter die gewöhnlichen Reparationen. Die Bundesregierung sieht das freilich anders.

Der Griechenland-Beauftragte der Bundesregierung, Hans-Joachim Fuchtel (CDU), wollte sich nicht zu dem brisanten Thema äußern – verständlich angesichts der nach wie vor angespannten Situation zwischen Berlin und Athen und des Besuchs des griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis bei seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble (CDU) an diesem Donnerstag in der Hauptstadt.

Annette Groth (Linke) indes bringt Verständnis für die Haltung der Griechen auf. „Die Forderungen wegen des Zwangskredits haben ihre Berechtigungen. Deutschland hat eine moralische Schuld, diese elf Milliarden Euro zurückzuzahlen“, sagte die Vorsitzende der Deutsch-Griechischen Parlamentariergruppe unserer Zeitung.

Russische Abgeordnete hatten jüngst neue Reparationsforderungen in Höhe von drei bis vier Billionen Euro erwägt. Der ultranationalistische Parlamentarier Michail Degtjarjow sagte, Deutschland ignoriere die 27 Millionen Menschen in der ehemaligen Sowjetunion, die im Zweiten Weltkrieg starben. Und der Chef des Verteidigungsausschusses, Wladimir Komojedow, ergänzte, die Verluste hätten Russland über Jahrzehnte geschädigt und ein höheres Wirtschaftsniveau verhindert. Im sogenannten Zwei-plus-Vier-Vertrag zur deutschen Wiedervereinigung, den die Bundesrepublik und die DDR mit den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs schlossen, spielten Reparationen jedoch keine Rolle mehr. Auf dieser Basis lehnt die Bundesregierung die Forderungen ab.

Der Vorsitzende der Deutsch-Russischen Parlamentariergruppe, Bernhard Kaster (CDU), bedauerte es, dass ausgerechnet aus dem russischen Parlament „absichtlich und unnötig Schärfe in die deutsch-russischen Beziehungen“ gebracht werde. „Das ist genau der falsche Weg“, sagte er unserer Zeitung, „die Äußerungen entbehren jeder sachlichen und politischen Grundlage und sind fern von jeglicher Ernsthaftigkeit“. Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht äußern.