Draußen zu übernachten, ist bei klirrender Kälte keine gute Idee. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Während der klirrenden Kälte der vergangenen Tage haben an der Gorch-Fock-Straße in Stuttgart-Sillenbuch Bedürftige genächtigt. Dies hatte im Vorfeld bei den Anwohnern für Unmut gesorgt.

Sillenbuch - Für manche ist ein Bett, ein Spind und ein halbwegs beheizter Raum womöglich alles, was man sich wünschen kann. Das gilt zumindest für jene, die bei den klirrenden Minusgraden der vergangenen Wochen Gefahr gelaufen wären, irgendwo auf der Straße übernachten zu müssen. Doch so weit musste es – zum Glück der Betroffenen – nicht kommen.

Denn die Stadt hat zusammen mit der Evangelischen Gesellschaft (Eva) und der Caritas einen Erfrierschutz für Obdachlose eingerichtet. Und bei der enormen Nachfrage gleich noch eine neue Unterkunft, die vor einer Woche an der Gorch-Fock-Straße in Sillenbuch eröffnete, und zwar dort, wo vergangenes Jahr Flüchtlinge untergebracht waren.

Anwohner in Stuttgart-Sillenbuch äußerten sich kritisch

Der Wetterbericht sagt voraus, dass die Minus-Fünf-Grad-Grenze, die vom Sozialamt für Erfrierschutz-Hilfeleistungen festgelegt wurde, von Montag, 30. Januar, an vorerst nicht mehr unterschritten werden dürfte. Die Obdachlosen müssen deshalb wieder ausziehen aus der Unterkunft.

Dass an der Gorch-Fock-Straße vorübergehend Obdachlose wohnen sollten, stieß in der Nachbarschaft nicht nur auf Verständnis. Das legten jedenfalls Szenen bei der Dezember-Sitzung des Bezirksbeirats nahe. Anwohner beklagten sich lautstark über die Pläne der Stadt – mehrmals ist das Wort „Penner“ gefallen. Hanna Joos vom städtischen Sozialdienst kann nur ungläubig den Kopf schütteln, wenn sie so etwas hört. Sie hat das Dutzend Obdachloser die vergangene Woche über in Sillenbuch betreut. Verhaltensauffälligkeiten der Interimsbewohner seien ihr nicht bekannt. „Die kamen ohnehin nur zum Übernachten, nachdem wir sie bei unserer Anlaufstelle an der Hauptstätter Straße am Marienplatz empfangen haben“, sagt sie.

Der Erfrierschutz als einzige Leistung der Stadt Stuttgart

Dass sich die Menschen tagsüber kaum an der Gorch-Fock-Straße aufgehalten haben, hat einen Grund. Die Obdachlosen, die mit einer Fahrkarte nach Sillenbuch geschickt worden sind, kamen alle aus dem Ausland – vor allem aus Rumänien, Bulgarien und Tschechien – und haben überhaupt keinen Leistungsanspruch im Sozialbereich, also auch nicht auf Wohnraum. Der Erfrierschutz ist also alles, was sie vom Sozialamt an Leistungen erwarten können. Peter Gerecke, Bereichsleiter bei der Eva, erklärt dazu: „Da die Einrichtung ohnehin nur vorübergehend geplant war, haben wir das so geregelt. Hätten wir Menschen mit Leistungsanspruch dort untergebracht, hätten wir sie weiterversorgen müssen, was beispielsweise mit Umzug verbunden gewesen wäre.“ Aus diesem Grund seien Letztere an der Hauptstätter Straße oder in einer weiteren dauerhaften Einrichtung an der Villastraße untergebracht worden.

Anders als viele Bewohner dort sind die Migranten, die übergangsweise an der Gorch-Fock-Straße unterkamen, vor allem auf der Suche nach Arbeit. Das will Hanna Joos in den wenigen Gesprächen erfahren haben, die trotz Sprachbarriere möglich waren. „Da hat das Übersetzungsprogramm Google Translate viel geholfen“, sagt sie. Anstatt also wie Dieter Krickmeier, 66, der mit dem Arbeitsleben abgeschlossen hat, die meiste Zeit in der Unterkunft an der Hauptstätter Straße zu bleiben, weil es ihm draußen zu kalt ist, suchen jene Osteuropäer laut Joos Arbeit, ziehen tagsüber durch Stuttgart, um irgendwo anzuheuern.

Es handelte sich nicht um Bettler aus Osteuropa

Um die Klientel aus dem Schlossgarten handele es sich dabei aber nicht, sagt sie und nimmt damit Bezug auf Bettler aus Osteuropa, die das Stadtbild von Großstädten immer stärker prägen. Viel mehr ist über den Personenkreis, der an der Gorch-Fock-Straße nächtigte, nicht bekannt. Auch Dieter Krickmeier, der sonst in der Aufnahmestelle am Marienplatz einen guten Überblick und Draht zu den Mitbewohnern hat, hat kaum etwas mitbekommen. „Die sprechen ja kein Deutsch“, sagt er.

Doch wie kamen die temporären Bewohner des Sillenbucher Heims überhaupt bis zu der Anlaufstelle, wenn sie nicht einmal der deutschen Sprache mächtig sind? „Entweder sie werden von der Bahnhofsmission an uns verwiesen. Oder von der Polizei zu uns gebracht“, erklärt der Eva-Bereichsleiter Gerecke.

Doch auch wenn die Menschen jetzt an der Gorch-Fock-Straße wieder ausgezogen sind und das Personal abgezogen ist: „Wir bleiben in Bereitschaft. Im Februar kann es ja auch noch sehr kalt werden“, sagt Gerecke. Insgesamt einen Monat bleibt die Gorch-Fock-Straße noch bezugsfertig.