In einem Gefängnis nahe der Hauptstadt Tegucigalpa halten Soldaten Angehörige von Jugendbanden fest Foto: AFP/Armee von Honduras

Die Bevölkerung in den Länder Lateinamerikas leidet unter organisierter Kriminalität. In Honduras hat Präsidentin Xiomara Castro nun bei der Bekämpfung dem Militär freie Hand gegeben. Vorbild ist das Nachbarland El Salvador. Auf der Strecke bleiben die Menschenrechte.

Mehr als hundert junge Männer mit rasierten Köpfen sitzen dicht gedrängt auf dem Boden eines Gefängnishofs, bekleidet nur mit kurzen Hosen. Der nackte Oberkörper tätowiert, Hände hinter dem Kopf gefaltet. Schwer bewaffnete Militärs umringen sie. Es ist eine Geste der kalkulierten Demütigung, wie man sie aus El Salvador kennt, wo der Staat aggressiv gegen die Jugendbanden vorgeht, die man Maras nennt. Aber diese aktuellen Bilder stammen nicht von dort, sondern aus Honduras.

Das Nachbarland El Salvadors, regiert von der linken Präsidentin Xiomara Castro, kopiert im Kampf gegen das organisierte Verbrechen und die Maras nahezu eins zu eins das Modell von Salvadors Präsident Nayib Bukele. Dieser geht seit mehr als einem Jahr im Rahmen eines Notstandsregimes mit zehntausendfachen Festnahmen, neu gebauten Hochsicherheitsgefängnissen und der Militarisierung der Sicherheitspolitik gegen die Banden vor.

Menschenrechte bleiben auf der Strecke

Menschenrechte missachtet Bukele dabei bewusst. Der Erfolg gibt ihm recht. Die Mordrate ist in dem kleinen zentralamerikanischen Land drastisch gesunken – und die Bevölkerung liebt ihn dafür. Sein demokratiefeindliches Modell erregt in ganz Lateinamerika Aufsehen. Politiker von Guatemala bis Chile bezeichnen es als vorbildlich.

Xiomara Castro ist die Erste, die es nachahmt. Sie löste in dieser Woche ihr Versprechen ein, drastische Maßnahmen zur Bekämpfung der Gewalt zu ergreifen, die Honduras ausbluten lässt. Nach Angaben von Insight Crime, einem auf die organisierte Kriminalität spezialisierten US-Nachrichtenportal, ist Honduras mit 35,8 Morden pro 100 000 Einwohner das gewalttätigste Land in der Region. Guatemala liegt bei 17,3, Belize bei 25 und selbst das von Gewalt gezeichnete Mexiko kommt nur auf 25,2 Morde pro 100 000 Einwohner.

In einem Frauengefängnis sterben bei Bandenkrieg 45 Menschen

Und so übernahmen am Dienstag die Militärs die Gewalt in den Haftanstalten, in denen die Maras einsitzen und von wo sie ihre illegalen Aktivitäten weiter betreiben. Die Soldaten beschlagnahmten in den Zellen Waffen, Satellitentelefone, Granaten und Drogen. Die Operation, getauft auf den Namen „Glaube und Hoffnung“, ziele darauf zu verhindern, dass die Gefängnisse zu Schulen des Verbrechens werden, erklärte der honduranische Staatssekretär für Nationale Verteidigung, José Manuel Zelaya Rosales. Die Soldaten sollen mindestens ein Jahr die Kontrolle über die Gefängnisse behalten.

Auslöser der Militäraktion war vor einer Woche der Tod von 46 Menschen in einem Frauengefängnis nahe der Hauptstadt Tegucigalpa. Die Insassen kamen bei Kämpfen und Bränden ums Leben. Hinter der Gewalttat stehen den Ermittlungen zufolge Kämpfe zwischen den landesweit rivalisierenden Jugendbanden 18 und Salvatrucha.

Ausgangssperre gilt zunächst für zwei Wochen

Präsidentin Castro sagte, „Kämpfe zwischen rivalisierenden Jugendbanden haben zu einem monströsen Mord an Frauen geführt“. Sie entließ den Sicherheitsminister und entschied sich für die Militarisierung der Gefängnisse.

Bestätigt fühlt sich die Präsidentin auch durch ein gewalttätiges Wochenende, bei dem allein am Samstag 21 Menschen getötet wurden. 13 von ihnen wurden Opfer eines Massakers im Schwimmbad in der Gemeinde Choloma im Norden. Neben der militärischen Intervention in den Gefängnissen verhängte Castro eine Ausgangssperre von 21 Uhr bis 4 Uhr für die Stadt Choloma und die Industriemetropole San Pedro Sula, die faktisch in Hand der Jugendbanden sind.

Die Ausgangssperre gilt zunächst für zwei Wochen. Menschenrechtsaktivisten gefällt das nicht. Erika Guevara von Amnesty International kritisierte, dass die Regierung Castro „in einer Zurschaustellung von strafendem Populismus“ das Scheitern der Sicherheitspolitik offenbare und „die Menschenrechtskrise nur vertieft“. Cesar Muñoz von Human Rights Watch geißelt die Situation in den Gefängnissen des Landes: „Es ist wichtig, die Überbelegung zu reduzieren und menschenwürdige Bedingungen sowie Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten für die Insassen zu garantieren.“

Auch viele Chilenen wollen mehr Härte gegen Kriminelle

Trotz der Kritik steht das Konzept aus El Salvador im Moment in ganz Lateinamerika hoch im Kurs. In Kolumbien wollen ultrarechte Politiker das Modell Salvador auch in ihrem Land sehen, um die irregulären bewaffneten Gruppen zu bekämpfen.

In Chile, wo die Kriminalität ungekannte Ausmaße angenommen hat, hält die Bevölkerung laut Umfragen Bukele für einen guten Präsidenten. Die Schriftstellerin Isabel Allende hingegen warnte dieser Tage davor, von einem Modell wie in El Salvador für Chile zu träumen und verglich den 41-Jährigen indirekt mit dem chilenischen Diktator Augusto Pinochet. „Damals gab es zwar Sicherheit. Aber Unsicherheit und Terror gingen vom Staat aus. Ich habe große Angst, dass die Menschen Sicherheit gegen Demokratie eintauschen.“