Viele drücken online ihr Mitgefühl mit der Familie der 17-Jährigen aus. An der Mathilde-Planck-Schule in Ludwigsburg findet eine Trauerfeier statt. Die Mitschüler, deren Eltern und die Lehrer erhalten professionelle Unterstützung.
Nach dem Tötungsdelikt an der 17-jährigen Tabitha aus Asperg ist die Trauer auch an der Mathilde-Planck-Schule in Ludwigsburg groß. Tabitha hatte an der Berufsschule die elfte Klasse besucht und strebte in zwei Jahren die Hochschulreife an. Wie ihre Klassenkameraden absolvierte sie in der vergangenen Woche, der Woche ihres Verschwindens, ein Praktikum. Eigentlich wäre die Klasse erst am kommenden Montag zusammengekommen.
Um sich über ihre Trauer, ihren Schmerz und ihre Gefühle auszutauschen, traf sie sich nun aber bereits am Dienstag. Die Kriminalpolizei hatte dieses Treffen in die Wege geleitet, mit dabei waren auch Mitarbeiter der Notfallseelsorge und der schulpsychologischen Beratungsstelle des Landkreises. „Es wurde viel über Tabitha gesprochen. Was sie liebte und welche positiven Eigenschaften sie hatte“, sagt der Schulleiter Kai Rosum-Kunzelmann.
Trauerfeier und -Tisch an der Berufsschule
Für Dienstag ist eine Trauerfeier an der Schule geplant. Übers Wochenende wird ein Trauertisch mit Sonnenblumen aufgestellt, den die Schüler ab Montag mit Erinnerungen an Tabitha gestalten können. Auf Wunsch der Schüler wird kein Kondolenzbuch ausgelegt, stattdessen können Gedanken auf Postkarten niedergeschrieben werden, die in eine Kiste gelegt werden. „Der Tisch wird auch nach den Ferien stehen bleiben“, sagt der Schulleiter.
Auf den Unterricht an den drei verbleibenden Tagen vor den Ferien wird nicht verzichtet. „Die Experten meinten, dass das eine gewisse Normalität bietet und auch die wichtige Möglichkeit, sich auszutauschen“, sagt Rosum-Kunzelmann. Der schulpsychologische Beratungsdienst und die Schulsozialarbeiter werden Ansprechpartner sein.
Leitfaden soll dem Umfeld helfen
Um mit der schwierigen Situation umgehen zu können, erhielten die Lehrer einen vom Regierungspräsidium ausgearbeiteten Leitfaden, wie sie den Schülern begegnen können. An alle Eltern der Oberstufenschüler wurde ein Schreiben versandt, in dem Anlaufstellen für Hilfsangebote aufgelistet sind, falls sie bei ihren Kindern Veränderungen feststellen. „Mehr können wir als Schule, glaube ich, nicht tun“, sagt Rosum-Kunzelmann, der von großer Bestürzung an der Schule spricht, auch wenn aufgrund von erlangtem Abitur, Klassenfahrten oder Praktika kaum mehr Schüler vor Ort seien.
Während hier also wie beim Stadtfest in Asperg vor Ort getrauert wird, gedenken viele der Getöteten online. Immer wieder wird der Familie des Opfers in den Sozialen Netzwerken Beileid ausgesprochen und viel Kraft gewünscht. „Meine Anteilnahme den Angehörigen und Freunden des Mädchens. Es gibt nichts Schlimmeres“, schreibt Thorsten Hein unter die Todesnachricht auf der Facebook-Seite unserer Zeitung. Eine anonyme Nutzerin drückt ihre Gefühle wie folgt aus: „Ich habe so sehr die Daumen gedrückt, dass das Mädchen gesund aufgefunden wird. Ich verachte diese Tat ins Unermessliche und wünsche der Familie alle Kraft dieser Erde! Mein herzliches Beileid.“ Auch Engel und Kerzen sind oft abgebildet.
Polizei schließt Online-Kommentarfunktion
Und: Die Unterstützung beim Zeugenaufruf der Polizei zu Beobachtungen zu dem graubraunen BMW 320 (Kennzeichen LB – NA 21) des Verdächtigen ist groß. Allein auf den Facebook-Seiten unserer Zeitung wurde er 463 Mal geteilt.
Das Polizeipräsidium Ludwigsburg schaltete die Kommentarfunktion auf ihrer Facebook-Seite sogar ab, wegen der Masse an Beiträgen. Bei der ersten Info zum Tod von Tabitha seien innerhalb von zwei Stunden rund 400 eingegangen, sagt Polizeisprecher Steffen Grabenstein. Da die Behörde alle Kommentare händisch prüfen, bewerten und freigeben oder löschen muss, verzichtete sie auf eine Einzelfallbewertung. „Das war schon rein personell nicht zu stemmen.“
Manche Kommentare schlagen in Hetze um
Für den mutmaßlichen Täter, den Tabitha offenbar kannte, wird online eine harte Strafe gefordert. Und aufgrund seiner syrischen Staatsbürgerschaft wird starke Kritik an der unter Kanzlerin Merkel betriebenen Flüchtlingspolitik laut. Auf der Seite unserer Zeitung schlugen allerdings mehrere Kommentare in Hetze gegen Flüchtlinge um und mussten gelöscht werden. Auch unter dem Facebook-Beitrag der Polizei habe es bei der ersten Sichtung „die komplette Bandbreite“ gegeben, so Steffen Grabenstein. „Von inhaltlich korrekt über geschmacklos bis hin zu rechtlich fragwürdig.“
Laut der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die im Fall Tabitha ermittelt, gab es in der Vergangenheit Gerichtsurteile, wenn Kommentare die Grenze zur Strafbarkeit überschritten haben. Handelt es sich um Volksverhetzung, kann das mit bis zu fünf Jahre Gefängnis geahnet werden. Ebenso bei der Aufforderung zu Straftaten. Der Stuttgarter Psychologe Leon Schäfer, der sich mit solchen Kommentaren und ihren Verfassern beschäftigt, sagt, dass durch die – scheinbare – politische Komponente und das bewusste Aufgreifen, Politisieren und Instrumentalisieren durch bestimmte Medien und Gruppen solche drastischen Gewaltfälle wie der von Tabitha eine größere Aufmerksamkeit erlangten als andere Mordfälle.
Wer solche Hetzkommentare verfasst, würde sich nicht selten in Echokammern voll von Gleichgesinnten mit extremen Meinungen bewegen, die sich ihre Ansichten ständig gegenseitig bestätigen. Das hat laut Schäfer auch Konsequenzen für eine Gesellschaft. Erste Studien zeigten, dass Online-Hassrede zu Offline-Gewalt führen kann.