Zum 1. April soll in Deutschland das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis in Kraft treten. Foto: Georg Wendt/dpa

Viele warnen vor Gefahren: Cannabis soll für Erwachsene legalisiert werden. Nur dürften Kinder und Jugendliche nicht immer wegsehen. Ein Experte sieht vor allem ein Risiko.

Hannover - Man kennt das von früher: Eigentlich war man noch viel zu klein, aber neugierig - und wollte unbedingt Papas Bier probieren. Irgendwann ließ dieser sich erweichen und man kostete seinen ersten Schluck. Der schmeckte zwar in der Regel nicht, aber dass Alkohol irgendwie dazugehörte, war klar.

Wiederholt sich das nun - wegen der geplanten Legalisierung von Cannabis? Ziehen bald Marihuana-Schwaden durch Wohngebiete und sind für Kinder und Jugendliche ein Zeichen, dass Kiffen ganz normal ist? Viele Eltern dürften diese Sorge haben. Auch Experten haben Bedenken. Und je jünger die Konsumenten, desto größer sind die Risiken.

Eltern in Sorge

Cannabis ist eine psychoaktive Substanz aus der Hanfpflanze, die abhängig machen kann. Fast zwei Drittel (63 Prozent) der Eltern mit Kindern unter 18 Jahren befürchten, dass die Hemmschwelle Minderjähriger sinkt, wenn Kiffen für Erwachsene legal wird, wie eine in Hannover vorgelegte Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) ergab.

Für die Untersuchung befragte das Meinungsforschungsinstitut vom 2. bis 16. Januar online und repräsentativ bundesweit 1000 Elternteile mit Kindern unter 18 Jahren. Mit 1,6 Millionen Versicherten gehört die KKH zu den größten bundesweiten Kassen.

Demnach befürchten 73 Prozent der Eltern Gehirnschäden beim Nachwuchs, wenn dieser Cannabis konsumiert. Fast ebenso vielen (70 Prozent) machen mögliche psychische Auffälligkeiten wie Stimmungsschwankungen oder Angstzustände Sorgen. Immerhin 69 Prozent der Eltern fürchten, dass ein häufiger Konsum von Cannabis Kinder und Jugendliche abhängig macht, 64 Prozent denken an einen Leistungsabfall in der Schule.

Experte: Kiffen beeinträchtigt Entwicklung des Gehirns

Solche Sorgen sind durchaus berechtigt: Hirnforscher Martin Korte von der Technischen Universität Braunschweig erklärte, Cannabinoide wirkten sich besonders auf den Stirnlappen aus, einen wichtigen Teil des Frontalhirns:

"Diese Hirnregion verleiht uns die Fähigkeit, Handlungen zu planen, Probleme zu lösen und Impulse zu kontrollieren. Wenn Jugendliche regelmäßig kiffen, riskieren sie eine Minderung dieser Fähigkeiten, sie reagieren impulsiver und können sich schlechter auf eine Aufgabe konzentrieren. Insgesamt lässt die geistige Leistungsfähigkeit nach." Außerdem könne starker Cannabis-Konsum Regionen im Gehirn aktivieren, die Halluzinationen auslösen und zu psychotischen Symptomen führen können.

Auch junge Erwachsene spielten mit ihrer Gesundheit, wenn sie häufig kiffen, warnte Korte. "Die Entwicklung des Frontalhirns ist erst mit Mitte 20 abgeschlossen." Die geplante Legalisierung von Cannabis solle aber ab einem Alter von 18 Jahren gelten - auch dann reagiere das Gehirn noch empfindlich auf Drogen. Der legale Erwerb von Cannabis sollte frühestens ab 25 zugelassen werden, rät der Experte.

Worum geht es?

Zum 1. April soll in Deutschland das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis in Kraft treten. Am Freitag hatten sich die Ampel-Koalitionsfraktionen nach langem Ringen auf die letzten Einzelheiten geeinigt. Das Gesetz soll in der Woche ab dem 19. Februar im Bundestag verabschiedet werden.

Mit der Einigung der Fraktionsexperten gilt die Zustimmung als einigermaßen sicher. Eigenanbau und Besitz bestimmter Mengen der Droge sollen für Volljährige dann erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen zudem Clubs zum gemeinsamen Anbau möglich werden.

Von Politikern verschiedener Parteien kamen wiederholt Appelle, das Vorhaben zu stoppen. Auch Bundesärztekammer, Deutscher Richterbund, Gewerkschaft der Polizei und Mediziner warnten.

Daten der KKH zu eigenen Versicherten zeigen nach Angaben der Krankenversicherung ohnehin schon ein deutliches Plus beim schädlichen Gebrauch von Cannabis bei jungen Menschen. In der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen stieg demnach der Anteil der Diagnosen wegen eines akuten Rausches, einer Abhängigkeit, Entzugserscheinungen oder psychischer Probleme nach Cannabis-Konsum zwischen 2012 und 2022 von 0,2 auf 0,5 Prozent.

In absoluten Zahlen sind das nicht enorm viele - 2022 gab es demnach in der Altersgruppe rund 900 Betroffene. Aber die Kasse erklärte: Nur gesicherte ambulante Diagnosen flossen in die Analyse ein, die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.

Regelungen in anderen Ländern

Andere Länder haben Cannabis bereits legalisiert. Als weltweit erstes Land hatte Uruguay 2013 den Konsum, Verkauf und Anbau von Cannabis legalisiert. Noch früher duldeten die Niederlande in den 1970er-Jahren Verkauf und Konsum von sogenannten weichen Drogen - das Land gilt seit Jahrzehnten als Kiffer-Paradies.

Aber: Coffeeshops dort dürfen zwar Cannabis verkaufen, Anbau und Großhandel sind aber verboten - die Läden müssen sich ihre Ware illegal besorgen. Im Dezember begann ein Experiment mit dem Verkauf legal angebauten Marihuanas - Coffeeshops in Tilburg und Breda dürfen während der Testphase legal gezüchtete Drogen verkaufen. In Thailand wurde Cannabis 2022 von der Liste illegaler Drogen gestrichen. Auch in Teilen der USA blüht das Geschäft.

Justin Onyechi vom Präventionsteam der Krankenkasse betonte, das Risiko einer späteren Abhängigkeit sowie des Konsums weiterer Drogen erhöhe sich drastisch, wenn Cannabis schon im Jugendalter regelmäßig konsumiert werde. Und noch etwas macht ihm Gedanken: Die Legalisierung dürfe sich nicht negativ auf Nichtraucherschutz und Nichtraucherkampagnen auswirken. Denn zur Aufklärung über Cannabis gehöre auch die Information, dass Rauchen tödlich ist - Cannabis wird häufig im Joint gemischt mit Tabak geraucht.