Ein erhaltener Bogen des Kartenmachers Carl Gottlieb Süsz Foto: Spielkartenmuseum Leinfelden-Echterdingen

Im 18. Jahrhundert wurden unverzollte Spielkarten ins Land geschmuggelt. Dies missfiel Herzog Carl Eugen, der Geld für die leeren Kassen benötigte.

Langeweile war beim württembergischen Herzog Carl Eugen (1728 -1793) und seinem Hof in Ludwigsburg und Stuttgart verpönt. Die edlen Damen und Herren vergnügten sich gerne im Spielpavillon bei Glücksspielen, Kartenspielen, Brettspielen oder Geschicklichkeitsspielen. Aber nicht nur die noble Gesellschaft spielte gerne. Auch die Beamten und Staatsdiener taten es den Erlauchten eifrig nach und selbst das gemeine Volk frönte eifrig dem Kartenspiel. Im 18. Jahrhundert waren Piquet, Mariage und Tressette in Mode. Das spanische „L’Hombre“ – ein Vorläufer des Skats – war das beliebteste Kartenspiel schlechthin.

So war die Kartenherstellung wohl ein recht profitables Unterfangen und weil die Hofbeamten des Herzogs immer auf der Suche nach Einnahmequellen für die stets leere Kasse des Landesherrn waren, wurde die Kartenherstellung verpachtet. Wo aber ein Monopol ist, versuchen andere das zu umgehen. Unverzollte Spielkarten wurden ins Land geschmuggelt.

Missetäter im Oberamt Leonberg angeschrieben

Das gefiel dem Herzog und seinen Beamten überhaupt nicht und so ließ er an Weihnachten 1781 seine Staatsdiener in Stadt und Land - anscheinend gab es auch viele Missetäter im Oberamt Leonberg, denn das wird speziell angeschrieben - wissen: „CARL, Unsern Gruß zuvor, liebe Getreue! Euch kann nicht unbekannt seyn, wie wir schon vohrmalen und zwar in Gemäßheit des von Zeit zu Zeit abgeschlossenen Karten Admodiations-Accord (Monopol auf die Kartenherstellung) gnädigst verordnet haben, daß keine fremden Theil-Karten bey der ansonsten vermerkten legal Strafe von 10. Gulden in Unser herzogl. Lande gebracht werden sollen. Und ihr sowohl for Eure Personen ein wachsames Auge darauf halten, als auch durch die verordneten Zollern, Zollberentern und andere Visitatores (Zollbeamten) auf die Contravenierten (Zuwiderhandelnden) genaue Aufsicht tragen lassen sollen.“

Aber die Untertanen haben das wohl nicht besonders ernst genommen und so hieß es weiter: „Wir haben aber dem ungeachtet, mißliebig vernommen, daß diesem oftmaligen Verbott nicht durchgängig nachgelebt, sondern vielfältig entgegen gehandelt werde. So finden wir uns veranlasset obgedachten Unsern Befehl andurch zu erneuern und Euch zu deren sträklicher (genaue und schnelle) Befolgung anzuweisen.“

Dabei hat der Herzog nicht vergessen, auch selbst etwas abzusahnen: „Bey deren künftig ergebenden Contraventionsfällen wird die angeordnete legal Strafe mit 10 Gulden jedesmal onnachsichtlich angesezt davon das eine 1/3 dem Delatori (Denunziant), 1/3 dem Kartenmacher Süsz allhier, als welcher die Karten-Admodiation wieder auf die nechste 3 Jahre nach Lichtmeß 1782/5 erhalten hat, das übrige 1/3 aber uns urkundlich Verrechnet.“

Händler vor Ort im Auge behalten

Seinen Beamten befahl der Herzog die Händler vor Ort im Auge zu behalten: „Übrigens aber denen in den Euch anvertrauten Städt und Ämtern befindlichen Handelsleuthen ernstlich eingeschärft werden solle, daß sie in Gemäßheit Unserm schon so oft verlesenen Befehle, sich mit ihrem benöthigten Karten nirgend anders her, als von dem Admodiateur (Pächter) Kartenmacher Karl Gottlieb Süsz allhier, gegen barre Bezahlung versehen sollen. Stuttgart den 24.Dec. 1781.“

Carl Eugens Regierungszeit war ein Höhepunkt des Absolutismus und der Landesherr tat in jungen Jahren alles, um seinen Hof zu einem der glänzendsten in Europa zu machen. Mit ungeheurem finanziellem Aufwand, der Württemberg an den Rand des Ruins führte, gelang ihm das zeitweise. Folgen seiner prunkvollen Hofhaltung sind das Neue Schloss in Stuttgart, Schloss Solitude und Schloss Monrepos. Später ließ er noch Schloss Hohenheim erbauen. Des Herzogs Feste waren genauso legendär wie seine zahllosen Affären und sein Despotismus.

Im 18. Jahrhundert wurden die Spielkarten teils in Frankreich, teils in Deutschland hergestellt – bevorzugt wurde das Pariser Bild nachgeahmt. Hier sind Buben, Damen und Könige mit mythischen oder historischen Figuren identifiziert. Die Karten wurden auf Bögen gedruckt und mit Hilfe von Schablonen koloriert, dann wurden die Bögen zerschnitten und die Karten eines Spieles verpackt. Die Verpackung trägt meist Namen und Wohnort des Kartenmachers. Bei verschiedenen Umbauten und Sanierungen im Schloss Ludwigsburg wurden im Dach, zwischen Dielen, in schwer zugänglichen Winkeln immer wieder historische Spielkarten gefunden.

So kamen zum Beispiel im Dach des 1712 erbauten Riesenbaus zwei Spielkartenverpackungen und 32 Spielkarten zum Vorschein. Im zweiten Stock war hier während der Regierungszeit Herzog Carl Eugens zwischen 1764 und 1775 der Kanzleiboden des Geheimen Kabinetts untergebracht. Das war für die Innen- und Außenpolitik zuständig.

Material des Kartenmachers Carl Gottlieb Süsz

Vom Stuttgarter Kartenmacher Carl Gottlieb Süsz ist eine Packung „Cartes fines au soleil“ erhalten, geschmückt mit einer Kartusche, die eine Sonne in der Mitte trägt, darüber eine Krone und die Beschriftung „Cartes faites par Carl Gottlob Süsz avec privilege“. Auch ein Satz Spielkarten scheint von Süsz zu stammen. Sie wurden nach dem Pariser Bild um 1765 hergestellt. Neben Zahlkarten gibt es die Herz-Dame „Judic“ und die Kreuz-Dame „Argene“, sowie ein Fragment einer weiteren Dame.

Von den Zahlkarten sind eine Karo-Zehn und eine Karo-Drei zweifach eingeschlitzt. In diese Schlitze konnte etwas dann eingesteckt werden, etwa Schreibfedern – oder die Karten könnten auch als Banderolen gedient haben, in die gerollte oder gefaltete Dokumente durch den Schlitz gesteckt wurden. Das ist naheliegend, zumal unter dem Dach die herzogliche Kabinettskanzlei untergebracht war.

Im Spielkartenmuseum in Leinfelden-Echterdingen gibt es auch Material des Kartenmachers Carl Gottlieb Süsz. Es ist ein Druckbogen mit Pariser Bild mit acht Kartenblättern. Dargestellt sind vier Buben (Herz, Pik, Karo, Kreuz) und vier Könige (Pik, Kreuz, Karo, Herz). „Die Kartenzeichen wurden bei französischen Karten nicht gedruckt, sondern durch Kolorierung angebracht“, sagt Annette Köger, die Leiterin des Museums in Leinfelden-Echterdingen.

Auf dem Kreuz-Buben steht unten „CARL GOTTLIEB SÜSZ“ und in der Hellebarde „STUGART“. Carl Gottlieb Süsz wurde am 15. Oktober 1740 in Sachsen geboren und starb am 26. Juni 1794. Er sei Herzoglicher Hof-Kartenmacher wohl von 1765 bis 1794 gewesen, seine Witwe habe die Fabrik von 1795 bis 1804 weiter geführt, weiß die Kartenfachfrau im Spielkartenmuseum.

Interessant ist die zusätzliche Geschichte dieses historischen Stückes, das aus festem Einbandpapier und in der Holzschnitt-Technik hergestellt wurde. Die Rückseite des Kartendruckbogens trägt nämlich die Beschriftung „Lorch Rechnung zur Administration des Baumeister Bühlerischen Vermögens“. Fazit von Annette Köger: „Der Bogen wurde wiederverwendet und diente dementsprechend als Aktendeckel.“

Das Deutsche Spielkartenmuseum in Leinfelden-Echterdingen (Schönbuchstraße 32), eine Zweigstelle des Landesmuseums Württemberg, hat 2022 sein 40-jähriges Bestehen gefeiert. Europas größte öffentliche Spielkartensammlung kann im Schaudepot und im Archiv des Museums angesehen werden. Über 30 000 Kartenspiele mit mehr als einer Million Einzelkarten aus sieben Jahrhunderten und allen fünf Kontinenten, dazu Kartenpressen, Spieltische und eine umfangreiche Spezialbibliothek, stehen hier bereit. Es ist mittwochs von 14 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei. Für eine Gästeführung ist eine Voranmeldung unter 0711/75 60 120 notwendig.