Ein früher, harter Winter sorgt 1709 in weiten Teilen Europas für Missernten und Hungersnot. Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg lässt über Oberämter wie Leonberg harte Maßnahmen durchsetzen.
Es ist eine Missernte und große Verteuerung gewesen, die sich vor 315 Jahren im Herzogtum Württemberg angekündigt hat – und für viele Hunger und Not bedeutete. Das hat Eberhard Ludwig (1676-1733) und sein Hofkabinett zu teils drastischen Maßnahmen veranlasst. Sie reichten von einem Exportverbot für Getreide, über die Zwangs-Bepflanzung von leeren Äckern unter Aufsicht bis hin zu Durchsuchungen von Bäckereien, die nicht die gesetzlichen Brotpreise einhielten. Auch eine genaue Bestandsaufnahme allen Getreides, das in den öffentlichen Fruchtkästen, den Mühlen und in den Privathaushalten lagerte, wurde angeordnet.
Herzog fürchtet heftige Inflation
Einem Winter im Jahr 1708 mit „hefftig angehaltener Kälte und darauf gefallenem vielem Schnee“ folgte ein „anfänglich sich ziemlich schlecht angelassenes Frühlings-Wetter“. Das geht aus einer Verordnung hervor, gegeben von „Von Gottes Gnaden Eberhard Ludwig, Herzog von Württemberg und Teck, der Römisch Kayserlichen Majestät und des Heiligen Römischen Reiches wie auch des Löblichen Schwäbischen Crayses Generalfeldmarchall und General der Cavallerie“. Die ging am 24. März 1709 aus Stuttgart an seine „Lieben Getreuen“, seine Beamten in den Oberämtern – auch das in Leonberg.
Diese Wetterumstände ließen am Hof die Sorge aufkommen, dass „die lieben Früchten (Getreide) gleich dem Weinstock nicht nur ziemlichen Schaden erlitten“ haben. Was zusammen mit der ebenfalls schlechten Ernte des Vorjahres wohl dahin führen werde, dass „eine höchtsschädliche Theuerung darinnen zubefahren seyn möchte“, wenn nicht gegengesteuert wird. Das klingt doch irgendwie bekannt und nach einer heftigen Inflation – oder?
Kein Export mehr erlaubt
Und so erging der Befehl „forderist“ (erstens) : „Du sollest sogleich allen Frucht-Verkauff gegen das Tyroll und Schweitz von Stund an und zwar sub Poena Confiscationis (Konfiszierung) unteren dir Gnädigst anvertrauten Unterthanen biss auf fernere Verordnung gänzlich verbiethen“, heißt es in den historischen Dokumenten. Das galt auch für den Export ins andere benachbarte Ausland Württembergs. Zugleich wurden die Oberämter aufgefordert, ihre Unterbeamten und die Zöllner anzuweisen, dass Zuwiderhandelnde „sogleich arrestirt und angezeiget werden“.
Weil im vorangegangenen Herbst, also 1708, wegen des frühzeitig eingebrochenen Frostes „viele Äcker den Winter über ohnangeblumt (was für ein schönes Wort für nicht ausgesät) geblieben und auch sonsten die Habersaat (Hafersaat) aus Mangel an Saam Hafer (Samenhafer) von manchen nicht praestiret (geleistet) werden können“, gab es fürstliche und kommunale Hilfe als Saatgut – aber gegen Kaution. Zudem musste das Oberamt „scharffste Obsicht tragen“, dass das Saatgut auch in den Boden kam und nicht anders verwendet wurde.
Wo sich der eine oder andere Inhaber solcher Felder „dannoch saumselig erzeigen und seine Güter ausser der Zeit öde liegen lassen wolle“, soll eingeschritten werden. Das hängt mit der damals praktizierten Dreifelderwirtschaft zusammen bei der die gesamte Anbaufläche in drei Teile geteilt wurde. Jeder Teil lag in dem dreijährigen Zyklus ein Jahr lang brach, wurde nicht bearbeitet und das wachsende Grün als Weide genutzt. Die Felder der Saumseligen wurden nun auf herzoglichen Befehl jedem benachbarten geistlichen oder weltlichen Anbauwilligen für die Aussaat von Hafer und Sommergerste zur Verfügung gestellt.
Bäcker sollen bei Zuwiderhandeln bestraft werden
Ein wachsames Auge sollte das Oberamt auch auf die Bäcker haben, die auf „höchstohnbefugter Weiß“ sich bereits „renitiren“ (wiedersetzen) im „rechten Preis“ zu backen und „gesinnet seyn eine höchstträfliche privitatem usurarium“ (Zinswucher) zu betreiben. Deshalb sollten ihre Behausungen durchsucht und alles notiert werden. Zum Glück gilt das heute nicht mehr für die Bäcker angesichts der Tatsache, dass der Brezel-Preis hart an der Ein-Euro-Marke kratzt.
Doch nicht nur bei den Bäckern wurde strengstens kontrolliert, sondern gesucht „bey alle Unseren Unterthanen was hier und dar vor Früchten zugegen seyn möchten“. Das galt nicht nur für „Public-Kästen (öffentliche Getreidespeicher) und Mühlinnen“, sondern es sollte von Haus zu Haus gegangen und das gefundene Quantum schleunigst nach Stuttgart gemeldet werden. Die herzogliche Sonderverordnung, die „Specialissima Serenissimi Domini Ducis Resolutione“, lässt da keine Zweifel oder Widerspruch zu. Denn „hieran beschieht Unser Will und Meynung“, ließ der Gründer von Ludwigsburg seine Getreuen wissen.