In der Diskussion mit skeptischen Bürgern (von rechts): Raphael Dahler, Matthias Knecht und Michelle Rath. Foto: Susanne Mathes

Unpopuläre Quartiersuche für Geflüchtete: Die Stadt erfüllt, was ihr auferlegt wird, bekommt aber trotzdem den Brass der Ludwigsburger ab. Ein Info-Abend in schwieriger Mission.

Es ist fast 22 Uhr, als ein junger Mann, der noch mit einem erhitzten OB Matthias Knecht und einem erschöpften Fachbereichsleiter Raphael Dahler in der Reithalle steht, sagt: „Danke für diese Gesprächsmöglichkeit in kleiner Gruppe.“ Nicht alle Besucher sind nach dem Info-Abend über fünf geplante Ludwigsburger Geflüchteten-Heime dieser Ansicht. „Ist doch schon alles beschlossen, was soll das hier?“: Mit bitteren Kommentaren dieser Art sind andere bereits abgezogen. Der Kraftakt, immer mehr Geflüchtete unterbringen zu müssen, geht allen an die Substanz.

Worum geht’s?

Die Stadt muss die Container-Anlagen errichten, weil sie nicht mehr genug Wohnraum für Geflüchtete findet. Zwei dienen der Anschlussunterbringung (AU), für die sie als Kommune verantwortlich ist – auf dem Parkplatz der Mehrzweckhalle in Oßweil und nördlich der Fuchshofschule. Drei braucht der Landkreis für die Vorläufige Unterbringung (VU) – auf dem Parkplatz der Kugelberghalle in Hoheneck und der Grünfläche Straßenäcker/Monreposstraße in Eglosheim (je rund 50 Plätze) und auf dem Parkplatz des Oßweiler Friedhofs (rund 80 Plätze). Geplant sind Modulbauten mit kleinen Räumen für zwei bis drei oder vier bis sechs Personen und Kochnische, die Privatsphäre ermöglichen.

Wer war dabei?

Das Podium war der Gradmesser dafür, dass Stadt und Landkreis sich der Brisanz des Themas und der Stimmungslage der Ludwigsburger voll bewusst sind. Vom Kreis saß der Vizelandrat Jürgen Vogt in der Diskussion, von der Stadt die ganze Verwaltungsspitze: OB Matthias Knecht, die Bürgermeisterinnen Renate Schmetz und Andrea Schwarz und Bürgermeister Sebastian Mannl. Zudem hatten Stadt und Kreis etliche weitere führende Mitarbeiter aus den Bereichen Asyl und Teilhabe mitgebracht. Was sie zu sagen hatten, hörten sich live 230 Besucher an, über den Stream der Stadt nochmals rund 70. Letztere bekamen allerdings nicht den teils intensiven Schlagabtausch in den Gesprächen nach dem offiziellen Teil mit.

Was treibt die Bürger am meisten um?

Zu den am meisten geäußerten Befürchtungen gehörten die Sorge um die Sicherheit und um Wertminderungen von benachbarten Immobilien. „Wir sind sowieso so abgelegen, man hat abends jetzt schon Angst draußen“, sagte eine Anwohnerin des Kugelberg-Standorts. „Wer garantiert, dass nicht plötzlich wer in meinem Garten steht?“ Eine Anwohnerin aus Oßweil wollte wissen: „Was tun die Leute dann dort? Schauen sie den ganzen Tag zu, was ich so mache?“

Was antwortet die Verwaltung?

„Gewisse Straftaten“ einschlägiger Art könnten vorkommen, räumte Bürgermeister Sebastian Mannl ein: Ladendiebstähle, Diebstähle in den Unterkünften selbst oder Versuche, „den Staat zu verscheißern“, etwa durch melderechtliche Verstöße. „Das kann man kritisieren, aber es ist etwas anderes als die Gefahr schwerer Delikte“, sagte Matthias Knecht. Öffentlich gelegene Standorte minimierten das Risiko. Man nehme aber die Sorgen sehr ernst. „Wenn sich etwas als größerer Problempunkt herausstellt, gibt es große Bereitschaft, draufzuschauen und eventuell einen Sicherheitsdienst einzuschalten“, sagte er. Raphael Dahler zeigte auf Sozialarbeiterin Michelle Rath, die zuvor von den Geflüchteten erzählt hatte, die sie betreue („Sie sind in Deutschkursen, wollen fast alle die Sprache lernen und arbeiten“). „Glauben Sie, ich würde meine Mitarbeiterinnen in den Einrichtungen arbeiten lassen, wenn sie in Gefahr wären?“, fragte Dahler. Den letzten Sicherheitsdienst vor einer Unterkunft habe man nach zwei Wochen abbestellt, „weil er nichts zu tun hatte“. Die Wertminderungsgefahr sahen die Vertreter der Stadt nicht.

Wer kommt in die Unterkünfte?

Menschen aus der Ukraine und vielen anderen Ländern, Familien und Einzelpersonen. „Das ist nicht wie im Amazon-Katalog, in dem man sich was aussuchen kann. Wir kriegen die Menschen zugewiesen, und dann sind sie da“, sagte Raphael Dahler. Die Zusammensetzung in den Unterkünften könne man aber gegebenenfalls nachjustieren.

Ist an den Standorten noch zu rütteln?

Es könnte noch kleine Veränderungen geben, aber im Prinzip sind die Standorte gesetzt. Entscheiden muss der Gemeinderat. Aber bessere Standorte, betonten die Verantwortlichen, gebe es nicht. „Warum wird nicht die Bärenwiese genommen oder W&W“, lautete eine Bürgerfrage. „W&W gehört dem Konzern, außerdem wird das Areal teils auch noch genutzt“, so Andrea Schwarz. „Die Bärenwiese gehört dem Land, und sie hat einige Funktionen, weswegen sie als Standort nicht so gut gepasst hätte.“ Laut OB Knecht sei man aber kurz davor gewesen, sie zu belegen, und dass das doch noch irgendwann kommt, schloss er nicht aus. Auch die Nutzung eines Gewerbestandortes sei künftig nicht ausgeschlossen, „aber wir brauchen eben auch jeden Cent Gewerbesteuer.“ Würden weitere Flächen gebraucht, würden bisher unterrepräsentierte Stadtteile wie Neckarweihingen oder Poppenweiler geprüft.

Was kostet das?

Anmietung und Aufbau der Module kosten die Stadt in den kommenden drei Jahren rund fünf Millionen Euro, die Stadt bekommt aber auch öffentliche Gelder für die Anschlussunterbringung. „Es geht so grob auf“, sagte OB Matthias Knecht.

Falls eine Landeserstaufnahmestelle im Schanzacker kommt, muss die Stadt dann zum Ausgleich künftig weniger Geflüchtete aufnehmen?

In diesem Fall bestehe Aussicht auf dieses so genannte Lea-Privileg, sagte Knecht. Das Land prüfe, und das werde dauern. Er halte die Lea im Schanzacker derzeit für „unrealistisch“, da baurechtlich extrem schwierig.

Was ist mit der geplanten Oßweiler Halle?

Auf der Fläche des Parkplatzes der Mehrzweckhalle sollte ein Hallenneubau als Teil des sogenannten SKS-Aerals entstehen. Der komme bis 2035 nicht, die alte Halle werde stattdessen saniert und modernisiert, sagte Knecht, „das hat aber Null Komma Null mit den Geflüchteten zu tun, sondern mit der Haushaltslage“. Im Herbst werde im Stadtteilausschuss ein Konzept präsentiert. „Sehen Sie das Thema nicht nur als Schreckensszenario, sondern auch als Chance. Um so viel Fairness bitte ich“, appellierte der Rathauschef zum Ende.