In George Clooneys böser Farce „Suburbicon“ spielen Julianne Moore und Matt Damon ein mörderisches Musterpaar aus der Vorstadt. Schwarze Nachbarn sind hier gar nicht gern gesehen und wecken den Lynchmob in der besorgten Bürgerschaft.
Stuttgart - Zwischen 1947 und 1963 entwarf und baute William Levitt – laut „Time Magazine“ eine der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts – mit seiner Firma in verschiedenen US-Bundesstaaten sieben Mustersiedlungen, die für Kriegsveteranen und deren Familien gedacht waren. In preiswerter Fertigbauweise errichtet, sollten diese sogenannten Levittowns den Weißen vorbehalten bleiben und fern der Hektik der Großstadt Ruhe und Sicherheit garantieren. Zur Grundausstattung gehörten eine Rasenfläche, ein weißer Palisadenzaun sowie eine moderne, funktionale Ausstattung – Suburbia war geboren.
„Suburbicon“ heißt eine dieser typischen Schlafstädte nun bei George Clooney. Zurück in die späten Fünfzigerjahre geht er in seinem sechsten Spielfilm, ins schmucke Eigenheim der Lodges. Papa Gardner – Anzug, Krawatte, sauber gescheiteltes Haar – ist ein leitender Finanzangestellter, Mama Rose – Dauerwelle und Schürze – besorgt den Haushalt, Sohn Nicky tobt mit Freunden herum. Eine Bilderbuchfamilie. Von wegen... Denn Spießer Gardner (schmallippig: Matt Damon) hat große Pläne. In denen kommt Gattin Rose nicht mehr vor – dafür deren Schwester Margaret (Julianne Moore glänzt in ihrer Doppelrolle). Ein raffinierter Mord nebst üppiger Versicherungssumme sollen ihm und der Schwägerin ein gemeinsames, sorgenfreies Leben ermöglichen.
Verstrickt in Lügen
Eine böse Noir-Farce, die auf einem wendungsreichen, blutig-galligen Skript von Joel und Ethan Coen basiert. In den Neunzigern wollten die Brüder es realisieren, das Projekt kam nicht zustande. Wie eine Vorstudie auf ihre späteren Meisterwerke „Fargo“ oder „A Serious Man“ mutet die Vorlage an. Immer tiefer verstrickt sich das durchtriebene Paar in Lügen, ein aalglatter, gerissener Versicherungsvertreter (Oscar Isaac brilliert in Clooney-Look und –Stil) versucht, sie zu erpressen.
Die Dinge geraten bald vollkommen außer Kontrolle. Auch im vom Regisseur Clooney und seinem regelmäßigen Co-Autor Grant Heslov hinzugefügten Nebenhandlungsstrang, der um eine schwarze Nachbarsfamilie kreist, die sich zunehmend rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sieht. Die gewalttätigen Ausschreitungen von Charlottesville lassen grüßen.
Sehen Sie hier den Trailer zum Film:
Clooney, der mit seinen politischen Überzeugungen nie hinterm Berg hält, siehe seine Spielfilme „Good Night, and Good Luck“ oder „The Ides of March“, bezieht gegen alle Rechtspopulisten und Präsident Trump Stellung. Er räumt auf mit der These vom amerikanischen „Melting Pot“, vom „Schmelztiegel“, der alle Rassen und Klassen eint. Die „Fremden“ mit der dunklen Haut machen immer noch Angst. Mayers heißen sie hier. Als Mrs. Mayers (Karimah Westbrook) die Tür öffnet, stutzt der Postbote – und hält sie für das Dienstmädchen.
Klänge wie bei Hitchcock
Der Volkszorn regt sich. Eine „Unerhörtheit!“ Plakate werden geschwenkt. Immer lauter werden die Hasstiraden. Eine Bürgerwehr formiert sich – mutiert zum Lynchmob. Die Vorstadt brennt. Jim Crow und Rosa Parks treffen aufeinander, unterfüttert von Billy Wilders „Frau ohne Gewissen“ – temporeich inszeniert, liebevoll ausgestattet, dynamisch gefilmt und von Alexandre Desplat („Grand Budapest Hotel“) mit einem wuchtigen, schweißtreibenden Soundtrack im Stil von Alfred Hitchcocks Lieblingskomponisten Bernard Herrmann versehen. Ein teuflischer, hintersinniger Spaß. Wäre da nicht dieses beständige Déjà-vu-Gefühl. Alle Figuren sind sattsam bekannt: Matt Damon als verkniffener Vorstadtsoziopath, Julianne Moore als durchgeknallte Handlangerin, der sadistische Auftragskiller, der feiste, nichtsahnende Schwager, die aufgebrachte weiße Meute.
Zu viele Klischees, zu viel Kolportage. Clooney mag sich nicht wirklich entscheiden, ob er eine schwarzhumorige Mördermär erzählen will oder sein Impetus doch auf eher wenig verklausulierter Gesellschaftskritik liegt. Die überfrachtete Story läuft nicht wirklich rund, für die einzelnen Charaktere bringt man kaum Interesse auf. Es fehlt der echte Sympathieträger, die Möglichkeit zur Identifikation. Der kleine Nicky (Noah Jupe), der sich mit dem schwarzen Nachbarjungen anfreundet, wäre eine denkbare Möglichkeit gewesen – leider ist dafür jedoch sein Part zu klein angelegt. Sprich: Souverän umgesetzte, elegant gestaltete Unterhaltung ohne echte Gedankentiefe.
Suburbicon. USA 2017. Regie: George Clooney. Mit Matt Damon, Julianne Moore, Oscar Isaac, Karimah Westbrook, Noah Jupe. 105 Minuten. Ab 16 Jahren.