Das Gelände der aufgelassenen Tennisanlage am Neckar soll zur Golfanlage werden – Naturschützer würden das Gelände mit der Umgebung gern zur Auenlandschaft verschmelzen. Foto: Michele Danze

Im Rathaus wird am Dienstag debattiert werden, ob die Schutznetze bei der geplanten Golfübungsanlage am Neckar bis zu 18 Meter hoch sein dürfen. Eine Mehrheit der Stadträte hält davon gar nichts. Ob die Stadt das 2009 genehmigte Projekt wegen höherer Netze und Masten kippen darf, ist aber fraglich.

Stuttgart - Seit der Baugenehmigung für die sogenannte Golf Driving Range bei Stuttgart-Hofen schien klar zu sein, dass Fußgänger und Radfahrer mit fünf bis acht Meter hohen Schutznetzen vor verirrten Golfbällen geschützt werden. Vergangenen Dienstag überraschte Städtebau- und Umweltbürgermeister Matthias Hahn (SPD) den Ausschuss für Umwelt und Technik hinter verschlossenen Türen aber mit einer planerischen Neuerung, die es in sich hat: Die City-Golf GmbH, die das Projekt Anfang 2012 von dem ursprünglichen Initiator Jürgen R. Münkner übernommen hatte, und ihr Architekt halten neuerdings 14 bis 18 Meter hohe Netze am Rande der Übungsanlage für notwendig. Sonst, meinen sie, bestünde die Gefahr, dass auf dem Fuß- und Radweg zwischen Übungsanlage und Neckar jemand verletzt werde.

Das löste bei vielen große Sorgen aus. Der Grund: 18 Meter entsprechen etwa der Höhe eines sechsstöckigen Hauses. Zwar geht es nicht um Wände aus Stein oder Beton, aber die äußerst dicht geknüpften Netze müssen für Vögel sichtbar sein, damit sie nicht zum tödlichen Hindernis werden. Daher würden sie wohl in einem Grauton gehalten sein. Aber was noch schlimmer ist: Zu den Netzen gehören natürlich ebenso hohe Masten. Wie massiv sie ausfallen werden, ist noch unklar. Damit die Golfer bis 22 Uhr spielen können, würde es eine üppige Beleuchtung geben – und das alles in einem Landschaftsschutzgebiet, das von Weinbergen gut einsehbar ist.

„So etwas gehört einfach nicht in ein Landschaftsschutzgebiet“, sagte SPD-Fraktionschefin Roswitha Blind auf Anfrage. Im März 2012, als Münkner mangels schlüssigem Finanzkonzept aus dem Spiel genommen wurde, versuchte die SPD daraus Konsequenzen zu ziehen, obwohl von so hohen Netzen noch gar nicht die Rede war. Die Grünen sahen die Sache ebenso – aber irgendwie, sagt Blind, sei das Projekt doch vorangekommen. Das dürfte dem Sportamt zu verdanken sein, das nach langjährigen, aber nie verwirklichten Golfträumen endlich einlochen wollte. Das Amt hatte nach einem finanziell potenten Investor Ausschau gehalten und verpachtete das Gelände. Sehr zum Verdruss der Umwelt- und Naturschützer der Verwaltung, die eine Auenlandschaft und Überschwemmungsfläche am Neckar anstrebten.

Gutachter: Netze unbedenklich für Vögel

Die internen Widersprüche personifizieren sich in Matthias Hahn. Er ist für ein ordnungsgemäßes Baurecht zuständig, aber auch für Natur- und Landschaftsschutz. Dass sich diese Funktionen manchmal beißen, lag schon länger auf der Hand – hier wird es deutlich. Hahn setzte das Thema auf die Tagesordnung und unterwarf das Projekt damit dem Urteil eines Gremiums, in dem seit Herbst 2009 eine öko-soziale Mehrheit den Ton angibt – nicht mehr, wie zum Zeitpunkt der Genehmigung, eine bürgerliche.

Dass sich das Rad noch einmal zurückdrehen ließe, glauben nicht einmal alle Umweltschützer in der Verwaltung, bevor kommenden Dienstag die Stadträte nach einwöchiger Bedenkzeit abstimmen. Es ist ja nicht nur so, dass der Bau 2009 genehmigt wurde. Beim Kerngebiet der geplanten Übungsanlage handelt es sich um aufgelassene Tennisplätze. Es liegt ein Bebauungsplan vor, der Sportflächen zulässt. Sogar die Frage, ob wegen der höheren Netze eine ganz neue Baugenehmigung nötig ist, gilt als diskussionsbedürftig. Ein Gutachter hat die Netze als unbedenklich für die Vögel beurteilt. Die Zauneidechsen, die nach illegalen Baumfällungen auf dem Gelände entdeckt wurden, sind umgesiedelt. Am Ende gehe es noch um Optik, meinen diverse Beobachter, nämlich um die Frage, was man von dem drohenden grauen Ungetüm aus Netzen und Masten halte. Wenn der Investor leer ausginge, könne er eine Gerichtsklage anstrengen. Deswegen ist die Verwunderung groß, dass Hahn „eine neue politische Mehrheit sucht“.

Um die zwei Seiten der Medaille, die rechtliche und die politische, weiß auch SPD-Fraktionschefin Blind. Notfalls füge man sich dem, was rechtlich nötig ist, sagt sie. Aber nur notfalls.