Gelbe Karte an die Stadtverwaltung Foto: StN

Noch nie seit Einführung der sogenannten Gelben Karte haben so viele Stuttgarter Bürger davon Gebrauch gemacht wie in diesem Jahr. Laut der Stadtverwaltung ist jeder vierte Vorschlag kurzfristig umgesetzt worden. Doch manchmal hakt das Verfahren.

Stuttgart - Der Dialog mit der Stadtverwaltung kann umfangreicher werden als geplant. Eine Stuttgarterin, die sich darüber beschwerte, dass es auf der großen Straßenbaustelle bei Schönberg nicht vorwärtsgeht, erhielt eine überraschende Antwort vom Ordnungsamt: Man wisse nicht, um welche Baustelle es sich handle. Daraus entspann sich ein längerer Schriftverkehr. „Am Ende habe ich eigentlich nicht viel zu meinem Anliegen erfahren“, sagt die Frau. Aber sie habe immer rasch eine persönliche Antwort bekommen, „keine Abfertigung“.

Das kann viel wert sein, um die Zufriedenheit der Bürger mit ihrer Stadt zu steigern. Seit 1997 gibt es dafür in Stuttgart das Instrument der Gelben Karte. Auf den Karten, die im Rathaus und in den Bürgerbüros ausliegen, können die Bürger ihre Kritik und Anregungen loswerden. „Wir erhalten dadurch Rückmeldungen auf unser Handeln und erfahren, wo die Stuttgarterinnen und Stuttgarter der Schuh drückt“, sagt Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Dadurch würden immer wieder Schwachstellen aufgedeckt, die man vorher noch gar nicht gekannt habe.

Das Angebot wird rege genutzt. In diesem Jahr ist die Zahl der abgegebenen Karten sprunghaft von gut 3000 auf über 5000 gestiegen. Das liegt aber nicht nur daran, dass die Bürgerschaft offenbar immer kritischer wird und sich häufiger einbringen will. „Dass es mehr wird, liegt sicher auch daran, dass wir immer mehr Kanäle öffnen“, sagt ein Stadtsprecher. So biete man seit vergangenem Mai eine Anwendung für Mobiltelefone an. Zudem stehen E-Mail-Adressen, Fax- und Telefonnummern für Beschwerden zur Verfügung. Gut 35 000 Gelbe Karten sind so seit 1997 eingereicht worden. Die meisten Hinweise beschäftigen sich mit den Themen Straßenzustand, Verkehrsbehinderungen und verschmutzten Parks.

Allerdings passiert danach nicht immer etwas. Die Anwohner der Eberhardstraße in der Innenstadt beispielsweise klagen, seit Jahren immer wieder erfolglos Gelbe Karten wegen der nächtlichen Lärmbelästigungen durch die Partyszene zu schreiben. Einem Leser unserer Zeitung ist zugesichert worden, dass ein Radweg ausgebessert wird, ohne dass sich etwas getan hat. Und ein Selbstversuch der Redaktion mit mehreren Gelben Karten zeigt: Meist kommt schnell eine allgemein gehaltene Eingangsbestätigung. Danach haben sich die zuständigen Ämter in der Regel innerhalb weniger Tage gemeldet. In einem Fall lag allerdings auch nach Wochen keine Reaktion vor.

Ein Allheilmittel sind Gelbe Karten also nicht. Gleichwohl betont die Verwaltung, man nehme alle Zusendungen ernst. „Wir konnten in diesem Jahr aus den über 5000 eingegangenen Karten rund 2400 Aufträge ableiten, die die Ämter abarbeiten konnten“, sagt der Stadtsprecher. Mehr als jeder vierte Vorschlag sei kurzfristig umgesetzt worden. Bei den übrigen Karten handle es sich um Doppelungen oder um Vorschläge, die aus rechtlichen, finanziellen oder sonstigen Gründen nicht umsetzbar seien.

Oder gar um Lob. Denn glaubt man der Stadtverwaltung, sparen die kritischen Bürger auch damit nicht. Laut Statistik äußern 80 Prozent der Einsender Kritik, zwölf Prozent Anregungen und immerhin acht Prozent melden sich, um sich zu bedanken. „Am häufigsten loben die Bürgerinnen und Bürger unsere städtischen Mitarbeiter, zumeist dafür, dass sie sich pragmatisch oder intensiv um die Belange der Bürger gekümmert haben“, sagt OB Kuhn.

Trotz des wachsenden Arbeitsumfangs will die Stadt auch künftig möglichst viele Bürgeranregungen aufnehmen. „Die Gelbe Karte ist sicher ein Grund, warum die Verwaltung seit Jahren bei der Bevölkerung ein so hohes Ansehen genießt“, sagt Kuhn. Er verweist darauf, dass bei der aktuellen Bürgerumfrage immerhin 59 Prozent der Stuttgarter der Stadtverwaltung ein gutes oder sehr gutes Zeugnis ausgestellt haben. Ein Wert, der sich freilich noch verbessern lässt. Und sei es über einen längeren Schriftverkehr mit einer kritischen Bürgerin.

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