Wo in Geislingen entlang der B 10 jetzt ein Bauzaun steht, werden bald weitere Läden die Geislinger Fabrikverkäufe um 800 Quadratmeter Fläche ergänzen. Foto: Archiv/ Horst Rudel

Die WMF-Fischhalle samt den Geislinger Fabrikverkäufen ziehen massenhaft Kunden an. Von dieser Erfolgsgeschichte wollen auch die Händler in der Altstadt profitieren.

Geislingen - Schaden die Fabrikverkäufe neben dem WMF-Outlet in der Fischhalle dem Geislinger Einzelhandel eher, oder sind sie ein Segen für die Stadt? Darüber gehen die Meinungen in Geislingen naturgemäß auseinander. Tatsächlich ächzt der Einzelhandel über immer mehr leer stehende Läden in der attraktiven Fußgängerzone und den Abzug von Frequenzbringern wie Media Markt und Kaufland. Gleichzeitig boomen die in der Nachbarschaft liegenden Fabrikverkäufe, welche der Ulmer Mutschler-Gruppe gehören, und von dieser Erfolgsgeschichte wollen die Geislinger gerne profitieren.

Mehr Bekleidung und Schuhe im Outletverkauf

Seit Jahren befinden sich die Fabrikverkäufe auf Wachstumskurs. Nachdem der Standort bereits im Besitz der WMF direkt neben der traditionellen WMF-Fischhalle entwickelt wurde, engagiert sich seit dem vergangenen Jahr die Mutschler-Gruppe als neuer Eigner. Bis zum Spätsommer will Mutschler unter der Leitung des Betreibers der Fabrikverkäufe, der Retail Outlet Shopping Gesellschaft aus Wien, die Verkaufsflächen um 800 Quadratmeter auf 4800 Quadratmeter erweitern und dort künftig neben Wäsche noch andere Bekleidung und sogar Schuhe verkaufen. Eine Marktanalyse der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) in Ludwigsburg hat dafür, wie bei den vorhergehenden Ausbauabschnitten, grünes Licht gegeben.

Gutachten nennt Umsatzeinbußen „wettbewerbsüblich“

Währenddessen reiben sich die Geislinger Textileinzelhändler nervös die Augen, halten doch sowohl die Gutachter als auch die Stadt die für sie vorausgesagten Umsatzeinbußen von neun Prozent für „wettbewerbsüblich“. Bei einem Punkt mehr wären sie das nicht mehr – und die Fabrikverkäufe dürften nicht erweitert werden.

Abstecher in die attraktive Altstadt

Das Einkaufen stellt tatsächlich auch der Geislinger Oberbürgermeister in den Fokus, wenn er über den idealen Tag in seiner Stadt spricht. Frank Dehmer wünscht sich, dass die Besucher, die sich zu Hunderttausenden jedes Jahr von den Geislinger Fabrikverkäufen anlocken lassen, nicht nur einkaufen, sondern auch wandern oder das nahe Thermalbad in Bad Überkingen besuchen. Immerhin sei das Shoppen im Outlet kein tagesfüllendes Programm, hofft der 42-Jährige. Und wer als Schnäppchenjäger teils von weit her anreise, könne noch einen Abstecher in die attraktiven Geschäfte der nahen Altstadt machen. Über ein Konzept, wie das zu erreichen ist, soll der Gemeinderat im Juni diskutieren.

Mutschler verfolgt offenbar ähnliche Ziele. Die Firma lässt ausrichten, sie setze sich als Sponsor des Stabhochsprungmeetings und Mitfinanzierer städtischer Shoppingevents für eine attraktive Stadt ein.

Händler beklagen Waffenungleichheit

Die Einzelhändler warten bereits ungeduldig auf neue Ideen. „Unser 900 Quadratmeter großes Stammgeschäft liegt nur 300 Meter von den Fabrikverkäufen entfernt“, berichtet Günter Rösch, dessen Familie am Wilhelmsplatz seit 96 Jahren als Herrenausstatter fungiert und darüber klagt, dass die Lage der Einzelhändler auch schon ohne Fabrikverkäufe nicht rosig sei. „Eigentlich haben wir keine Luft mehr für Überraschungen“, erklärt das Vorstandsmitglied des neuen Vereins Geislinger Sterne, der Handel, Tourismus und Kultur zum Wohl der Stadt unter einen Hut zu bekommen versucht. Rösch beklagt fehlende Waffengleichheit, wenn die Stadt und die GMA mit Informationen zum Gutachten geizten und er wohl erst kurzfristig erfahre, wer künftig sein Konkurrent sei, er seine Ware dann aber längst geordert habe.

Fabrikverkäufe als Chance

Trotzdem betrachtet er die Fabrikverkäufe als Chance, ganz ähnlich wie der Oberbürgermeister. Dieser sagt: „Ich sehe jede Investition in Geislingen zunächst positiv, und mich freut jeder Baukran.“

Seit Jahren feilen die Geislinger an ihrem Image und geben viel Geld aus für die Sanierung der schönen historischen Altstadthäuser. Man will weg vom spröden Charme der von der WMF und einst auch der MAG Maschinenfabrik geprägten Industriestadt. Doch der Strukturwandel erweist sich als ein langwieriges Projekt, auf das die Kommunalverwaltung und der Gemeinderat nur bedingt Einfluss nehmen können. Das zeigte unlängst auch eine Gemeinderatsdebatte über die laufende Erweiterung der Fabrikverkäufe. „Wir haben darüber nichts zu entscheiden“, lautete der Tenor, und baurechtlich sei die Erweiterung nicht zu beanstanden.