In der Bruchsaler Haftanstalt starben drei Gefangene in acht Monaten Foto: dpa

Mit ihrem Entlassungsantrag gegen den Justizminister ist die Opposition zwar im Herbst gescheitert. Das hindert sie aber nicht, erneut Druck aufzubauen, nachdem klar ist, dass der Hungertod eines Häftlings vermeidbar war.

Stuttgart - Nach den Todesfällen im Bruchsaler Gefängnis hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann seinen Justizminister Rainer Stickelberger gegen die Rücktrittsforderung der Opposition in Schutz genommen. Selbstverständlich stehe er voll hinter dem Minister, sagte der Regierungschef in Stuttgart. Dieser habe die Aufklärung der „schrecklichen und bedauernswerten Vorfälle“ zur Chefsache gemacht.

CDU-Fraktionschef Guido Wolf nannte den Hungertod eines Häftlings im vergangenen August hingegen einen „Schandfleck für die Justizpolitik“ im Land. Das jüngste psychiatrische Gutachten, wonach der Gefangene geisteskrank war, mit Psychopharmaka aber hätte gerettet werden können, sei eine Bankrotterklärung für Stickelberger. Dieser lasse es nach wie vor an Transparenz und Aufklärung fehlen.

Die CDU fordert deshalb eine Sondersitzung des Ständigen Ausschusses, in der Stickelberger das Gutachten sowie die Ermittlungen gegen den suspendierten Bruchsaler Anstaltsleiter ausführlich erläutern soll. Der Minister sicherte dies zu. Ob es rechtlich möglich ist, der Opposition das Gutachten im Original vorzulegen, wie diese es fordert, müsse aber noch geprüft werden, sagte ein Ministeriumssprecher. Das Ermittlungsverfahren dürfe nicht gefährdet werden.

Wolf nutzt die Gelegenheit zum Angriff

Wolf warf Stickelberger vor, er ducke sich weg und versuche auf Zeit zu spielen: „Der Minister muss sich endlich seiner Verantwortung stellen.“ Zwar ende die Freiheit an den Gefängnistoren, nicht aber die Rechtsstaatlichkeit. Wolf kündigte die weitere parlamentarische Aufarbeitung der Fälle an.

Der CDU-Rechtsexperte Bernhard Lasotta sagte zur Frage eines möglichen Rücktritts des Ministers: „Für mich ist es eine Frage des politischen Anstandes, ob man jetzt Konsequenzen zieht oder nicht.“ Bereits im vergangenen Herbst hatte die CDU die Entlassung des Justizministers gefordert. Die grün-rote Parlamentsmehrheit lehnte dies jedoch ab.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erklärte am Dienstag, angesichts des vermeidbaren Todesfalls in Bruchsal werde die Luft für Stickelberger dünner. Wenn die Ermittlungen Hinweise auf organisatorische Versäumnisse im Strafvollzug lieferten, sei es an Stickelberger, die politischen Konsequenzen zu ziehen.

Ärztliche Versorgung sei bereits verbessert worden

Für SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel hat der Minister die richtigen Schlüsse aus dem Bruchsaler Häftlingstod gezogen. So habe er nicht nur den dortigen Anstaltschef suspendiert, sondern auch eine Kommission eingesetzt, die den Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen überprüfen soll. Die ärztliche Versorgung von Gefangenen sei außerdem bereits verbessert worden.

Stickelberger betonte am Dienstag erneut, das psychiatrische Gutachten und dessen medizinische Bewertung sagten noch nichts über die strafrechtliche Verantwortlichkeit aus: „Hier müssen wir die weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten.“ Gegen den Bruchsaler Anstaltschef und eine Ärztin wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.

Die Karlsruher Staatsanwaltschaft hatte am Montag mitgeteilt, nach Einschätzung des Sachverständigen habe der Bruchsaler Gefangene nicht auf der Basis „freier Willensbestimmung“, sondern wegen einer „krankhaften Störung der Geistestätigkeit“ gehungert.

Dessen Tod hätte „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ durch eine konsequente, auch zwangsweise Gabe von Psychopharmaka, gegebenenfalls in Verbindung mit einer künstlichen Ernährung verhindert werden können.

Auch die Ermittlungsbehörde betont jedoch, dass mit dieser Feststellung noch keine Aussage über die strafrechtliche Verantwortlichkeit gemacht werde. Dazu bedürfe es weiterer Ermittlungen.