Johannes Breuninger, Jan-Hendrik Pelz, und Lina Baltruweit (von links) in der Q-Galerie Foto: Gottfried Stoppel

Das Künstler-Duo Super Vivaz stellt gemeinsam mit Jan-Hendrik Pelz in der Q-Galerie in Schorndorf aus. „Zeitgleich“ zeigt Werke und Skulpturen über Mobilität und die Konflikte unserer Zeit und wirft dabei drängende Fragen auf.

Es ist das Thema, das unsere Gesellschaft seit Jahren bewegt wie kaum ein anderes: Mobilitätsströme. Seit der Flüchtlingskrise 2015 branden Diskussionen um die Aufnahme von geflüchteten Menschen in regelmäßigen Abständen auf. Die Corona-Pandemie 2020 hingegen beförderte Tourismus und die eigene Bewegungsfreiheit auf die gesellschaftliche Agenda. Mit diesen Themen setzt sich nun auch die Ausstellung „Zeitgleich“ bis zum 28. Januar in der Q-Galerie in Schorndorf auseinander.

Ein gemeinsamer Nenner, der Spaß macht

Dort können sich Besucherinnen und Besucher Werke und Skulpturen von Jan-Hendrik Pelz und dem Künstler-Duo Super Vivaz, bestehend aus Lina Baltruweit und Johannes Breuninger, ansehen. Pelz nähert sich dem Thema, indem er sich geflüchteten Menschen und deren Geschichten widmet. Super Vivaz hingegen setzen sich eher mit den Privilegien deutscher Reisepassbesitzer auseinander.

Der Entschluss zur gemeinsamen Ausstellung fiel bereits vor rund einem Jahr. „Es gibt einen roten Faden und eine Verbindung in unseren Werken, einen gewissen gemeinsamen Nenner, der meiner Meinung nach Spaß macht“, sagt Jan-Hendrik Pelz über das Zusammenspiel seiner Kunst und der des Duos. Die ausgestellten Kunststücke unterscheidet jedoch auch rein förmlich einiges. Super Vivaz schafften ihre Ausstellungswerke vor allem mit Keramik und Textilien. Pelz arbeitete hingegen viel mit Ölgemälden auf Leinwand und mit Teppichdrucken.

Die Frage nach der Heimat

Für seine Serie „An Inner Place“, die unter anderem im vergangenen Jahr bei der Documenta ausgestellt wurde, sprach er mit geflüchteten Menschen aus verschiedenen Ländern und porträtierte sie anschließend. Die Gemälde hängen jedoch nicht zweidimensional an der Wand, sondern stehen im Ausstellungsraum, denn Pelz malte sie detailliert von allen Seiten, auch von oben. So bekommt der Betrachter die Möglichkeit, den ganzen Menschen zu sehen. Sichtbarkeit über den künstlerischen Raum hinaus war Pelz zudem wichtig, weshalb er die Serie auch an öffentlichen Orten wie Bibliotheken und Kirchen ausstellte.

Was beim Betrachten schnell auffällt, sind die geschlossenen Augen der dargestellten Personen. Das sei eine Anspielung auf den Titel des Projekts, da in seinen Gesprächen mit den geflüchteten Menschen immer wieder durchgeklungen sei, dass die Heimat für sie ein innerer Ort geworden sei. „Um diese Stimmung und Haltung zu reflektieren, sind die Augen geschlossen“, erklärt der Künstler.

Kunst nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe

Geschlossene Augen ziehen sich künstlerübergreifend durch die gesamte Ausstellung. Bei „Western Gods“ von Super Vivaz schlafen die zwei aus Keramik geformten Menschen in einem Flugzeug auf dem Rückweg aus dem globalen Süden. Der deutsche Reisepass ist prominent platziert in der durchsichtigen Brusttasche eines der Passagiere. Hier sollen die geschlossenen Augen jedoch für ein bewusstes Wegsehen stehen, so Johannes Breuninger: „Es ist ein Augenverschließen vor Ungerechtigkeit, weil man die Reise vorbehaltlos genießen will.“

Dennoch – und auch das ist eine weitere Gemeinsamkeit von Jan-Hendrik Pelz und Super Vivaz – geben die Künstler Acht, nicht wertend mit dem Finger auf andere zu zeigen. Stattdessen sei es ihnen ein Anliegen, auf Augenhöhe mit den dargestellten Menschen und dem Betrachter zu sein. Deutlich wird das bei Pelz beispielsweise dadurch, dass er sich selbst malte und nun Teil der „An Inner Place“-Serie ist. „Ich bin in der Serie die einzige Person ohne einen realen Fluchthintergrund, aber ich möchte als Maler nicht über den Personen stehen“, so Pelz.

Super Vivaz benutzten zur Herstellung der Flugzeugpassagiere in „Western Gods“ ihre eigenen Körper als Modelle. „Wir haben uns selbst geformt, weil wir nicht mit dem Finger auf jemand anderen zeigen wollen“, erläutert Johannes Breuninger die Entscheidung. Sie berichten auch von Reisen in den globalen Süden, die sie selbst nach dem Abitur unternommen haben, nehmen sich also explizit nicht raus aus der Kritik des Wegsehens. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Mobilität in seinen verschiedenen Formen ist also eng verbunden mit dem Bewusstsein, selbst ein Teil des Diskurses und mitunter auch des Problems zu sein. Lina Baltruweit fasst die Gleichzeitigkeit von Existenzen, die für 300 Euro in den Urlaub fliegen oder ein halbes Leben auf eine Flucht sparen, so zusammen: „’Zeitgleich’ ist dieses Aufeinandertreffen der Themen, das sehr schmerzhaft sein kann, diese Ungerechtigkeit, die eben aber auch die Realität ist.“ In der Q-Galerie in Schorndorf wird das in diesen Tagen besonders deutlich.

„Zeitgleich“ ist bis zum 28. Januar in der Q-Galerie zu sehen. Mittwochs bis freitags kann die Ausstellung von 14 bis 18 Uhr besucht werden, am Wochenende und an den Feiertagen von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt für Erwachsene kostet zwei Euro, Minderjährige zahlen nichts.