Der Klimawandel sorgt für Verlierer und Gewinner in den deutschen Gärten Foto: Ewa Studio/Shutterstock

Vertrockneter Rasen, erfrorene Pflanzen: Gartenbesitzer bekommen die Auswirkungen des Klimawandels besonders deutlich vor Augen geführt. Eine Expertin erklärt, wie man seinen Garten fit für die Zukunft macht.

Der Klimawandel bringt extreme Wetterphänomene mit sich, die das bisherige Konzept des deutschen Gartens gründlich durcheinanderwirbeln. Von vielen liebgewonnenen Klassikern werden wir uns langfristig verabschieden müssen. In ihrem Buch "Überlebenskünstler - Pflanzen, die bei jedem Wetter wachsen" stellt die Gartendesignerin Simone Kern pflanzliche Allrounder vor, die mit den absehbaren klimatischen Veränderungen langfristig zurechtkommen werden. Im Interview mit spot on news verrät sie, wie man im eigenen Garten zum Klimaschutz beitragen kann und warum wir uns vom englischen Rasen verabschieden müssen.

Welche konkreten Auswirkungen des Klimawandels können Sie aus der Perspektive einer Gartenplanerin heute schon beobachten?

Simone Kern: Bei der Frühjahrstrockenheit sieht man das ganz extrem. Im Vergleich zu früher gibt es im Frühjahr sehr wenig Niederschläge. Gerade dieser Wonnemonat Mai, der früher der Wachsmonat schlechthin war, fällt weg. Milde Winter haben zur Folge, dass Pflanzen, vor allem Gehölze, früher im Saft stehen und austreiben. Wenn dann noch einmal ein Spätfrost kommt, werden die sehr stark zurückgeschlagen und können sogar eingehen. Das sind aus meiner Perspektive sehr schwerwiegende Aspekte.

Wie wird sich der Klimawandel langfristig auf das pflanzliche Artenspektrum in deutschen Gärten auswirken?

Kern: Ich würde sagen, es gibt Verlierer und Gewinner in unseren Gärten. Zu den Verlierern gehören etwa liebgewonnene Pflanzen wie Hortensien oder Astilben, also Pflanzen, die eine relativ hohe Durchschnittsfeuchtigkeit übers Jahr brauchen. Durch die veränderte Niederschlagsverteilung werden die in Zukunft einfach wegfallen. Dann gibt es natürlich die Gewinner. Das sind die Pflanzen, die Trockenphasen gut überstehen.

Was ändert sich durch die klimatischen Verschiebungen am Zusammenspiel von Pflanzen und Insekten?

Kern: Durch die milden Winter kann es passieren, dass Gehölze deutlich früher zum Blühen kommen, als wir es gewohnt sind und vor allem die Insektenwelt es möchte. Beispielsweise die Kätzchenweide, die im Frühjahr ein wichtiger Pollenlieferant für Wildbienen, aber auch für Honigbienen ist. Wenn die extrem früh blüht und die jeweilige Bienenpopulation noch gar nicht geschlüpft ist, dann ist im Worst Case diese Weide schon verblüht und steht nicht mehr zur Verfügung. Generell stellen wir fest, dass durch Frühjahrstrockenheit und Hitze manche Pflanzen kürzer blühen. Dann ist natürlich auch weniger Nahrungsangebot für die Insekten da.

Was kann jeder in seinem eigenen Garten zum Klimaschutz beitragen?

Kern: Wie wir mit Wasser umgehen, ist ein wichtiges Thema. Man sollte versuchen, eine Zisterne oder zumindest eine Regentonne im Garten aufzustellen, um eine Speichermöglichkeit zu haben. Wir gehen sehr fahrlässig mit Regenwasser um. Generell ist Versiegelung so gering wie möglich zu halten. Zudem sind Bäume wahnsinnig wichtig im Garten. Man weiß inzwischen, dass Bäume in der Stadt die Temperaturen deutlich drücken, man geht von mindestens fünf Grad aus. Und genauso ist es natürlich im Garten. Der angenehmste Schatten ist der Naturschatten und nicht der Schatten einer Markise, unter der sich am Ende noch die Hitze sammelt, was dann eher kontraproduktiv ist. Bäume sind meines Erachtens der Hebel, allgemein, aber auch im eigenen Garten das Klima zu drücken und Hitzephasen erträglich zu machen. Wenn wir mal an Italien oder Frankreich denken: Da sitzen die Menschen im Sommer unter den Platanen und da spielt sich das Leben ab.

In Ihrem Buch beschreiben Sie den "Garten der Zukunft". Welche Eigenschaften muss ein zukunftsfähiger deutscher Garten haben?

Kern: Wie schon gesagt, müssen wir generell auch im eigenen Garten und vor der Haustür über das Thema Ressourcen nachdenken. Wasser hatte ich schon angesprochen, aber auch der Boden ist wahnsinnig wichtig. Der Boden ist die Basis für die Vegetation, die darauf wächst, darum muss man schonend damit umgehen. Der Garten der Zukunft ist sehr, sehr grün, mit sehr vielen Pflanzen und wenig Versiegelung. Bei der Pflanzenauswahl kommt es nicht nur darauf an, dass die Pflanzen klimaresilient sein sollten, sondern auch Tiere unterstützen.

In Ihrem Buch beschreiben Sie "Überlebenskünstler" der Pflanzenwelt - besonders robuste Pflanzen mit großer Standortamplitude. Welche Rolle spielen diese Pflanzenarten im Garten der Zukunft?

Kern: Ich habe mich lange Zeit mit den Trockenpflanzen auseinandergesetzt und mich vielleicht lange zu stark auf dieses eine Thema fokussiert. Aber wir haben auch immer wieder Phasen mit stärkeren Regenereignissen, wie momentan, in denen innerhalb kurzer Zeit sehr viel Wasser herunterkommt. Bei den reinen Trockenhelden kann dies dazu führen, dass die Wurzeln faulen oder Pilzkrankheiten entstehen. Eine große Standortamplitude bedeutet, dass diese Pflanzen sowohl Trockenheit vertragen, aber auch kurzzeitig sehr hohe Niederschläge. Ein weiterer Aspekt dabei sind die Böden, auf denen die Pflanzen wachsen können. Dass die Pflanze sowohl auf einem tonhaltigen Gartenboden wächst, aber auch auf sandig-durchlässigen Böden. Ein Beispiel ist die schwarze Königskerze, eine ganz tolle heimische Pflanze, die den ganzen Sommer über blüht. Weitere Allrounder sind die Akeleien, die im Schatten als auch in der Sonne, auf mageren als auch auf fetten Böden wachsen.

Was ist mit "Überlebenskünstlern" aus anderen Klimaregionen, die hier bisher noch nicht heimisch sind?

Kern: Definitiv sollten wir auch mal in andere Regionen schauen, in denen das Klima traditionell extremer ist. Zum Beispiel in den Kaukasus, einer Region mit einerseits sehr hohen Niederschlägen, aber auch sehr trockenen, heißen Phasen und starken Frösten im Winter. Da kann man sehr gut fündig werden. Beispielsweise mit dem Kaukasus-Beinwell oder dem Kaukasus-Storchschnabel. In meinen Planungen bemühe ich mich immer, möglichst viele heimische Pflanzen zu verwenden, aber man muss ebenso andere Pflanzen ausprobieren. In meinen Pflanzkonzepten sind deshalb auch immer neue Pflanzenarten dabei. Weil das einfach auch alles neu ist - uns fehlt ja die Erfahrung. Wir werden vor eine komplett neue Situation gesetzt und das ist eine langfristige Sache.

Der Standard in deutschen Gärten ist der saftig grüne Rasen. Müssen sich die Deutschen langfristig von ihm verabschieden?

Kern: Der klassische Rasen hat definitiv keine Zukunft. Man müsste verstärkt mit Bewässerungsanlagen arbeiten, die in vielen Regionen absehbar verboten werden. Bei der Suche nach Alternativen sollte man erst einmal überlegen, warum man eigentlich einen Rasen hat. Das Argument, dass man damit weniger Arbeit habe, kann man gleich mal kippen, weil das nicht stimmt. Rasen ist alles andere als arbeitsextensiv. Hat man im Garten Bereiche, die man ohnehin nie betritt, kann man hier mit Stauden arbeiten, die tatsächlich nicht viel Arbeit machen. Statt des Rasens kann man eine Wiese anlegen - und zwar eine echte heimische Wiese mit Kräutern. Wiesenpflanzen haben überwiegend Pfahlwurzeln, was heißt, dass sie sich von weit unten ihre Nahrung holen können. Gräser sind überwiegend Flachwurzler. Eine Kräuterwiese anzulegen, halte ich für eine super Alternative.