Wann und ob der Ball wieder rollt, steht in den Sternen. Foto: imago//Christoph Hardt

Sie wollen nur spielen? Mitnichten. Auch unter den Fußballprofis herrscht Skepsis über die geplante Wiederaufnahme des Spielbetriebs. Doch sie sind gefangen in einer Spirale des Schweigens.

Stuttgart - Der gemeine Fußballprofi musste sich ja zuletzt einiges über sich anhören – zumindest jene Profis, die einen Hang zum Protz haben (oder dazu neigen, solche Dinge öffentlich zur Schau zu stellen). Das dürfe nicht mehr passieren, und das müsse eine Lehre aus der Corona-Krise sein: Dass der Fußballzirkus sich bescheidener gibt, auch an die horrenden Gehälter müsse man ran – solche Dinge waren auch von einigen Entscheidungsträgern der Clubs zu hören.

Zu Beginn dieser Woche nun hat sich das öffentliche Bild gewandelt, die Debatte kreist bei den Profis plötzlich um deren Mündigkeit, um deren Sorgen und um deren Haltung. Der Profi ist, etwas überspitzt formuliert, nicht mehr der Raffzahn, sondern der Mensch – der Mensch mit seinen Ängsten.

Und, zumindest teilweise, der Mensch, der mit dem Coronavirus infiziert ist.

Zehn positive Tests in den ersten beiden Ligen

In den 36 Clubs der ersten und zweiten Liga, das gab die DFL am Montagnachmittag bekannt, sind in der ersten Testreihe in der vergangenen Woche insgesamt zehn Personen positiv auf das Virus getestet worden (die zweite Testreihe wird noch analysiert). Neben Spielern wurden auch der Trainerstab und Physiotherapeuten der Clubs untersucht.

Zehn positive Befunde bei den insgesamt 1724 Corona-Tests, das ist in den Augen der DFL eine gute Quote in der ersten Testreihe. Die PR-Maschinerie lief auf Hochtouren. Die Tests, so hieß es vonseiten des Liga-Dachverbands, „haben ihren Zweck erfüllt, für zusätzliche Sicherheit zu sorgen und so die Spieler bestmöglich vor Ansteckung im Mannschaftstraining oder Spielbetrieb zu schützen“.

Alles toll also? Mitnichten!

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Bekannt waren vor Montagnachmittag bisher ja nur die drei positiven Testergebnisse beim 1. FC Köln bei den ersten Kontrollen am vergangenen Donnerstag – nach denen der Abwehrmann Birger Verstraete am Wochenende in einem Interview eine Lawine losgetreten hatte. Der Belgier in Diensten des FC erklärte große Bedenken über die Schutzmaßnahmen seines Vereins. Er wurde auch konkret: Die Pläne der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die Bundesliga im Mai fortzusetzen, nannte er „naiv“. So zu tun, als sei nichts geschehen, das sei laut Verstraete „unverantwortlich“.

Kölner Profi tritt Debatte los

Verstraete hat also eine Debatte losgetreten – und nach den Äußerungen des Verteidigers drängen sich diese Fragen auf: Ist er nur eine Ausnahme im Kreise seiner Profikollegen, die ansonsten einfach nur wieder spielen wollen? Oder hat da einer das ausgesprochen, was viele andere Kicker denken, aber sich nicht öffentlich zu sagen trauen? Haben die Profis also gerade mehr Angst davor, den Betrieb wieder aufzunehmen, als das bisher bekannt ist?

Verstraete selbst ruderte nach dem Wirbel um sein Interview zurück. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge wurde er von seinem Club eingenordet. Verstraete soll einen deftigen Rüffel von seinem Verein bekommen haben – und gab sich in einem Vereins-Statement plötzlich kleinlaut.

Der Umgang mit Verstraetes kritischen Äußerungen steht sinnbildlich für die deutsche Profiszene mit ihren 36 Clubs in der ersten und zweiten Liga, deren Handeln offenkundig von extremer Nervosität und Unsicherheit geprägt ist.

So lief am Montag das Training in Stuttgart

Dazu passt der DFL-Beschluss vom Montag, die Vereine zum Stillschweigen über die Ergebnisse der Tests auf das Coronavirus aufzufordern. Man werde eine „zentrale öffentliche Kommunikation“ vornehmen, hieß es dazu in einem Schreiben an die Clubs – und die kam dann am Nachmittag bei der Bekanntgabe der zehn positiven Tests. Die positiven Fälle ordnete die DFL den betroffenen Clubs dabei nicht zu.

Der Liga-Dachverband verhängte also einen Corona-Maulkorb an die Vereine– da liegt der Gedanke nahe, dass die Clubs in dieser Schweigespirale nun darauf erpicht sind, dass sich einzelne Spieler erst recht nicht zur Thematik äußern.

Am Mittwoch fällt die Entscheidung

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, das ist die Maxime vor der für die Fortsetzung des Spielbetriebs wohl entscheidenden Konferenz der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Mittwoch. Beim VfB Stuttgart, so heißt es auf Anfrage, äußerte sich am Montag kein Profi zur Corona-Thematik – wohl auch vor dem Hintergrund eines öffentlich nicht zugeordneten Testergebnisses innerhalb der Mannschaft.

Hertha BSC suspendiert Kalou

Wie also ist das Meinungsbild unter den Profis ohne öffentliche Äußerungen? Es ist ein schwieriges Thema, weil die meisten Profis nicht über ihre Haltung sprechen wollen – und sollen. Leichtfertig gedrehte Videos sind da auch Fehl am Platz, wie Salomon Kalou schmerzlich erfahren musste. Der Stürmer von Hertha BSC hatte am Montag gezeigt, wie er auf dem Vereinsgelände und in der Kabine einige Mitspieler und Mitarbeiter des Clubs per Handschlag begrüßt. Damit verstieß Kalou gegen die Abstandsregeln. Wenige Stunden später verkündete die Hertha die Suspendierung des 34-Jährigen.

Wer sich aber umhört im näheren Umfeld der Kicker aus Liga eins und zwei, wer mit den Leuten spricht, die nah dran sind, der stellt schnell fest, dass viele Spieler zumindest ein ungutes Gefühl plagt.

Einige Profis sorgen sich nicht nur um ihren eigenen Gesundheitszustand, sondern auch um jenen ihrer Verwandten. Einige andere haben schlicht keine Lust darauf, nur des Spielbetriebs willens für mehrere Wochen zwecks Quarantäne in ein Hotel oder am Clubgelände einquartiert zu werden – ohne Kontakt zur Familie oder der schwangeren Frau.

Im Kampf gegen die eigenen Zweifel

Andererseits ist noch kein Fall eines Profis bekannt, der sich partout weigert, zu trainieren und später wieder zu spielen. Offenbar überwiegt am Ende auch bei kritischen Geistern doch der Gehorsam den Vereinen gegenüber. Oder anders: Die Spieler haben das Gefühl, die Vereine müssen unbedingt wieder spielen, also wird im Zweifel alles dafür getan – auch im Kampf gegen die eigenen Zweifel.

Aus rechtlicher Sicht wären den Akteuren, die aufs Training verzichten wollen, auch enge Grenzen gesetzt. „Wenn der Verein alle geforderten Hygiene-Vorschriften einhält und die zuständigen Behörden den Trainings- und Spielbetrieb in der Bundesliga zulassen“, sagt der Sportjurist Jörg von Appen, „kann einem Fußballprofi das Erscheinen am Arbeitsplatz angeordnet werden.“