Ein Punktgewinn gegen den FC Bayern, dazu die Vertragsverlängerung von Top-Torjäger Andrej Kramaric: Bei der TSG Hoffenheim läuft es derzeit rund in der Bundesliga.
Wollte Sebastian Hoeneß mit diesem Wechsel Zeit von der Uhr nehmen? Oder doch dem Hauptdarsteller des Nachmittags eine Bühne geben? Vermutlich hatte der Trainer der TSG Hoffenheim beides im Sinn, als er in der Nachspielzeit gegen den FC Bayern seinen Mittelstürmer Andrej Kramaric vom Feld holte. Dessen Vertragsverlängerung bis 2025 hatten die Kraichgauer zwei Stunden zuvor kurz vor dem Anpfiff öffentlichkeitswirksam verkündet – und damit das ansonsten nicht gerade enthusiastische eigene Publikum in überraschte Verzückung versetzt. Die hielt bis zum Spielende. Da kehrte Kramaric auf dem Weg in die Kabine nochmals um und klatschte der Kurve zu. Zurück kamen ein lauter Applaus und noch lautere Namensrufe.
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Die Verlängerung krönte einen Fußballtag, an dem die Hoffenheimer in einem chancenreichen Spiel gegen den Rekordmeister ihre starke Form untermauerten. Vor 25 600 Zuschauern in der ausverkauften Sinsheimer Arena sorgte Christoph Baumgartner für die TSG-Führung (32.), die Robert Lewandowski mit einem wuchtigen Kopfball egalisierte (45.+3). Ausgerechnet Kramaric hätte in der Schlussphase für den Sieg sorgen können, scheiterte aber per Direktabnahme an Bayern-Keeper Manuel Neuer (79.). So blieb es beim 1:1 in einem Spiel, das gut und gerne auch 4:4 hätte enden können.
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Noch spät am Abend konnte Hoffenheims Sportchef Alexander Rosen im „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF seinen Stolz kaum verbergen. Und irgendwie schien es, als sehe er in der Verlängerung des Topstürmers ein größeres Ausrufezeichen als im Punktgewinn gegen die Bayern. „Zu Beginn sind Spieler oft gekommen, um dann wieder zu gehen“, erklärte Rosen mit Blick auf prominente Abgänge wie Roberto Firmino, Niklas Süle oder Kerem Demirbay. Die spülten zwar etliche Millionen in die Kassen – rissen aber auch sportliche Lücken. Das sei inzwischen anders. Die Verlängerung von Kramaric zeuge von einem gewachsenen Stellenwert der TSG, betonte der Sportchef: „Die Hürde, dass wesentliche Spieler uns verlassen, ist wesentlich höher geworden.“
Als Kramaric 2016 nach Hoffenheim kam, stand der Verein vor dem Abstieg
Für Kramaric markierte die erneute Unterschrift im Kraichgau eine Grundsatzentscheidung. Es war wohl der letzte große Vertrag des 30-Jährigen, der in den vergangenen Jahren immer wieder die Aufmerksamkeit internationaler Topclubs auf sich gezogen hatte. Auch dem FC Bayern wurde Interesse nachgesagt, mehrfach sogar. Kramaric lehnte jedes Mal ab. „Hoffenheim bedeutet alles für mich. Der Club hat mir so viel gegeben, ich liebe diesen Verein“, sagte der Vizeweltmeister von 2018. Mit 86 Toren ist er längst der erfolgreichste Bundesliga-Torjäger seines Vereins, im Januar überflügelte er zudem Ivica Olic als treffsicherster Kroate der Bundesliga-Geschichte.
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Kramaric hat im Kraichgau auch ganz andere Zeiten erlebt und mit Hoffenheim tief in den Abgrund geschaut. Als er im Januar 2016 zur TSG gewechselt war, hing die mit mageren 13 Punkten auf dem letzten Tabellenplatz fest. Auch für Kramaric lief es seinerzeit nicht: Er hatte sich in England bei Leicester City nicht durchsetzen können, die EM-Teilnahme mit Kroatien im Sommer war in akuter Gefahr. Er brauchte Spielpraxis – und Hoffenheim seine Tore. Unter der Regie des Neutrainers Julian Nagelsmann, der im Februar Huub Stevens abgelöst hatte, gelang auch dank fünf Kramaric-Toren die Aufholjagd und der Klassenverbleib.
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Von diesen unteren Tabellenregionen sind sie bei der TSG heute meilenweit entfernt. Mit 13 von zuletzt 15 möglichen Punkten stellen die Hoffenheimer so etwas wie das Team der Stunde und bleiben mittendrin im Rennen um die Champions-League-Plätze. Da spielten sie schon einmal, im Herbst 2018 ging es in der Gruppenphase unter anderem gegen Manchester City. Die Lust auf eine zweite Saison in der Königsklasse scheint nach dem Punktgewinn gegen die Bayern größer denn je. Ganz bestimmt auch bei Andrej Kramaric.