Das anfängliche Misstrauen zwischen dem Mann (Jens Nüßle) und der Frau (Marilena Pinetti) weicht mit der Zeit. Foto: Horst Rudel

Die Theaterspinnerei hat sich für ihre neue Produktion keine leichte Kost ausgesucht. „Flucht . . . ein neues Höhlengleichnis“ beschäftigt sich mit dem Thema Asyl. Eine überraschende Wendung sorgt für einen neuen Blickwinkel.

Frickenhausen - Noch nie, so erzählt der Theaterchef Jens Nüßle nach der umjubelten Premiere von „Flucht . . . ein neue Höhlengleichnis“ am Freitag in der Theaterspinnerei in Frickenhausen, sei es dem Autor Stephan Hänlein und ihm so schwer gefallen, ein Stück zu schreiben. Immer wieder sind die eigenen Ideen, sich auf künstlerische Weise mit der Flüchtlingsthematik auseinanderzusetzen, von der Wirklichkeit nicht nur ein- sondern überholt worden. Und dann waren da noch die quälenden Fragen: „Treffen wir den richtigen Ton? Und wie gehen wir mit unseren eigenen existenziellen Ängsten um?“

Freiwillig in die Abgeschiedenheit der Höhle

Mit Platons berühmtem Höhlengleichnis, das dem Stück seinen Untertitel gibt, hat „Flucht“ nicht allzu viel zu tun. Denn anders als beim Griechen zieht sich hier ein Mann (Jens Nüßle) freiwillig in die Dunkelheit einer Höhle zurück, weil er, von seinen Ängsten und Vorurteilen getrieben, mit der Welt da draußen nicht mehr klar kommt. In seinem Einsiedlerdasein wird er von einer Frau (Marilena Pinetti) gestört, die ebenfalls auf der Suche nach einem sicheren Raum ist. Während draußen die ins Land strömenden Flüchtlinge die Wirklichkeit verändern – und die Sorgen der beiden Höhlenbewohner vergrößern – lernen die beiden Höhlenbewohner einander kennen. Sie schaffen es – zumindest fast – so etwas wie ein Team zu bilden. Aber schon beim kleinen Vogel, der sich in die Höhle verirrt, hört die Toleranz auf.

Doch plötzlich sorgt eine drohende Naturkatastrophe dafür, dass die beiden Höhlenbewohnern selber zu Flüchtlingen werden. In diesem Perspektivenwechsel liegt die wahre Spannung des Stücks. Plötzlich erleben die beiden, zusammengepfercht auf einer Rettungsinsel auf hoher See, was es heißt, ein unerwünschter Asylsuchender zu sein. Das gipfelt in der zynischen Bemerkung eines Leuchtturmwärters, der den Hilfesuchenden das Anlegen an die Insel versagt: „Sie schaffen das!“ Angela Merkel lässt da grüßen.

Hoher technischer Aufwand

Die Theaterspinnerei will mit „Flucht“ zum Nachdenken anregen – und keine Antworten geben. Besonders im zweiten Teil des Abends gelingt das den Schauspielern eindrucksvoll. Wie schon in den früheren Produktionen werden die Theaterspinner auch dieses Mal ihrem Anspruch gerecht, ein multimediales Kunstwerk auf die Bühne bringen zu wollen. Ein im 3-D-Drucker entstandener Kopf wird zur Projektionsfläche für die Gedanken der beiden Protagonisten. Hochmoderne Chips, versteckt in den Frisuren der Darsteller, sorgen dafür, dass die Scheinwerferspots wie von Geisterhand geleitet die Schauspieler verfolgen. Darüber hinaus sorgen die fantastischen Projektionen für eine unheimliche und bedrohliche Atmosphäre.

Leichte Kost ist es also gewiss nicht, was die Theaterspinnerei dieses Mal ihrem Publikum vorsetzt. Der Besuch des zum Theatersaal umgebauten alten Frickenhausener Bahnhofs lohnt sich aber auf jeden Fall: Denn Stoff zum Nachdenken wird wirklich jeder Besucher nach diesem knapp zweistündigen Theaterabend mit nach Hause nehmen.