Manche christliche Gruppen sehen Homosexualität als Sünde – und berufen sich dabei auf die Bibel. Foto: IMAGO/Cavan Images/IMAGO

Eine Baptistenkirche in Pforzheim will Homosexualität mit dem Tod bestrafen. Früher gab es Gruppen, die Konversionstherapien angeboten haben sollen. Das wirft die Frage auf: Sind manche Freikirchen ein Hort besonders homosexuellen-feindlicher Gesinnung?

Im dritten Buch Mose, Kapitel 20, geht es sehr blutig zu. Wer „seinem Vater oder seiner Mutter flucht“, müsse getötet werden, ebenso wie Ehebrecher und Ehebrecherinnen; Männer, die mit einer Frau und deren Mutter schlafen oder: Männer, die mit Männern ins Bett gehen. Es ist eine sehr enge Auslegung dieses 13. Verses, die die „Baptistenkirche Zuverlässiges Wort“ in Pforzheim auf das Radar der Behörden gebracht hat.

 

„Ihr Blut sei auf ihnen, das ist was die Bibel lehrt“

Der Prediger der Freikirche, Anselm Urban, sagt in seiner mehr als eineinhalb Stunden langen Predigt vom 4. März, die man online nachhören kann, etwa: Menschen würden nicht homosexuell geboren, sondern ihre sexuelle Orientierung sei eine Folge dessen, dass sie Gott abgelehnt hätten. „Was ist die Lösung für Homosexualität, ist es irgendein Kurs, irgendeine Therapie? Nein, die Lösung ist die Todesstrafe. (...) Sie sollen umgebracht werden, ihr Blut sei auf ihnen, das ist was die Bibel lehrt.“ Urban spricht diese Sätze nicht, er poltert sie, seine Stimme wirkt drohend.

Das ist der wohl extremste bekannte Fall von homophoben Äußerungen einer christlichen Gemeinde in Baden-Württemberg. Vor knapp zwei Wochen verkündete dann auch Beate Bube, Präsidentin des Landesverfassungsschutzes, dass die Pforzheimer Freikirche deswegen von ihrer Behörde beobachtet werde – neben einer weiteren christlichen Gemeinde, der Evangelischen Freikirche Riedlingen, die wegen demokratiefeindlicher Aussagen in den Fokus der Verfassungsschützer geriet.

Beide sind nicht Teil des Bundes Evangelisch-freikirchlicher Gemeinden. Trotzdem stellt sich die Frage: Bieten manche Freikirchen einen besonders guten Nährboden für homophobe Gesinnungen?

Ablehnung von Homosexualität gibt es auch anderswo

„So etwas wie die ‚Baptistenkirche Zuverlässiges Wort’ habe ich noch nicht erlebt“, sagt Andreas Oelze, Weltanschauungsbeauftragter der Evangelischen Landeskirche Württemberg. Die Gruppe attackiere teils auch andere bibelfundamentalistische Kirchen, obwohl diese eigentlich dieselben Werte vertreten würden – Homosexualität als Sünde. „Ich kenne keine Kirche in Baden-Württemberg, die das in dieser Aggressivität macht“, sagt Oelze. Die Kirche sei ein Extremfall und habe auch wenig mit anderen Baptisten zu tun, aber: „Es gibt deutliche Ablehnung von gleichgeschlechtlicher Liebe in manchen Freikirchen“, sagt Oelze.

Auch Sarah Pohl von der Zentralen Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen Baden-Württemberg (Zebra) sagt, man bekomme immer wieder Fälle starker Abwertung von Homosexualität in Freikirchen mit. Bestimmte Kirchen will sie in dem Zusammenhang nicht namentlich nennen, was sie in ihren Beratungsgesprächen erfahre, unterliege der Schweigepflicht. Sie formuliert es allgemein: Je mehr eine Gruppierung auf eine wortwörtliche Bibelauslegung setze, desto eher könnten solche Fälle auftauchen.

Manche wollen die gleichgeschlechtliche Liebe wegbeten

Oelze argumentiert in eine ähnliche Richtung: Die Ablehnung der Homosexualität sei vor allem bei vielen sogenannten charismatischen Freikirchen groß, die nach außen modern auftreten würden, aber in ihren Werten oft anti-modern seien. Aber die Bandbreite bei Freikirchen und freien Gemeinden sei sehr groß, es gebe auch deutlich liberale. „Die allermeisten würden sagen, wir lehnen die sexuelle Orientierung ab, aber wir nehmen uns der Menschen seelsorgerisch an“, sagt Oelze. „Es gibt auch einzelne Gemeinden, die davon ausgehen, dass man durch Gebet von Homosexualität befreit werden könne.“

In jenen Freikirchen, die Homosexualität als Sünde sehen, ist das ein wiederkehrendes Motiv: Wenn Männer auf Männer stehen, wird das als eine Art Unfall gesehen, wie es der Religionswissenschaftler Adriano Montefusco von der Uni Fribourg in der Schweiz in einem Essay beschreibt. Entweder, man sei Gott untreu gewesen und habe sich die Homosexualität wie einen Fluch aufgehalst; oder Männer seien in ihrer Kindheit von den Müttern überbehütet und von den Vätern vernachlässigt worden. Und vor allem in der Vergangenheit wurde immer wieder versucht, das durch sogenannte Konversionstherapien wieder rückgängig zu machen. Verschiedene christliche Gruppen sollen das unterstützt haben, auch unsere Zeitung berichtete in der Vergangenheit über entsprechende Vorwürfe in Tamm im Kreis Ludwigsburg.

Konversionstherapien gibt es noch – aber vereinzelt

Nach dem Verbot dieser Konversionstherapien in Deutschland ab 2020 gab es mehrere Berichte, dass entsprechende Anbieter in die Schweiz abgewandert seien, wo es noch kein Verbot gibt. Laut Berichten der „Neuen Zürcher Zeitung“ und des Schweizer Rundfunks SRF existieren die Angebote dort noch.

„Das gibt es nach wie vor, aber das ist kein Massenphänomen mehr“, sagt Axel Schwaigert von der queer-freundlichen MCC Gemeinde Stuttgart. Weder in der Schweiz noch in Deutschland würden Konversionstherapien in großem Maßstab betrieben. „Die Extrembewegung ist kollabiert“, sagt Schwaigert, „weil bekannt wurde, dass die meisten Männer dieser Bewegung heute in homosexuellen Beziehungen leben.“