Malteser und Rotes Kreuz durchsuchten an einem Nachmittag mit Rettungshunden einen Teil des Waldes beim Schloss Solitude. Foto: SDMG/Archiv

Seit dem 17. August 2017 gibt es kein Lebenszeichen mehr von Christa N. aus Gerlingen. Alle Suchen nach ihr blieben ohne Erfolg. Die demente 81-Jährige könnte gestorben sein. Was nun?

Gerlingen - Mehrmals sind Hubschrauber stundenlang über Gerlingen gekreist, die Polizei streifte mit Suchhunden einzeln oder in größeren Verbänden durch Wald, Feld und Flur, Bekannte und Freunde wurden befragt. Das Ergebnis war immer dasselbe: Keine Spur der Vermissten, kein Lebenszeichen. Am Freitag, 18. August 2017, verschwand die 81 Jahre alte Christa N. aus der Stadt im Strohgäu. Ihr Schicksal ist ungeklärt.

Christa N. wohnte in einem Mehrfamilienhaus am Rand der Gerlinger Innenstadt, in der sogenannten Siedlung, nahe bei den Feldern und Streuobstwiesen des Gebiets Stöckach. Dort ging sie gerne spazieren, bis hinauf zum Schloss Solitude. Keiner kann sich erklären, wo die an Demenz leidende Frau seit einem Jahr abgeblieben ist. Am wahrscheinlichsten ist, dass sie gestorben ist und ihr Leichnam irgendwo im Wald liegt, in einem unzugänglichen Gebiet, vielleicht in der Nähe. „Wir müssen vom Schlimmsten ausgehen“, sagt der Großneffe von Christa N. Die Familie habe keine Anhaltspunkte, dass sie sich irgendwo lebend aufhalte.

Eine umfassende Suche auf allen Kanälen

Die Polizei war vor einem Jahr intensiv mit diesem Fall befasst. Nun sagt Peter Widenhorn, der Sprecher des Polizeipräsidiums Ludwigsburg: „Wir gehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass Frau N. tot ist. Alle anderen Möglichkeiten sind sehr unwahrscheinlich.“ Die Krux an diesem Vermisstenfall: Die Polizei hat keinen richtigen Anhaltspunkt. Niemand weiß genau, wann Frau N. ihre Wohnung verlassen hat und wohin sie ging. Der Mitarbeiter eines Sozialdienstes wollte sie an jenem Freitag vor einem Jahr besuchen. Doch die Wohnung war leer, keine Spur von der 81-Jährigen.

Es deutete nichts darauf hin, dass die demente Frau ein paar Sachen zusammengepackt hatte und wegfahren wollte. Der gesetzliche Betreuer wurde verständigt, eine Vermisstenanzeige erstattet. Dann lief die Suchmaschinerie an mit Anfragen bei Verwandten, Freunden und Krankenhäusern, offizieller Vermisstenmeldung, Zeitungsartikeln, Posts in sozialen Netzwerken.

Eine Zeugin meldete sich: Einen Tag zuvor habe sie die Vermisste in der Weilimdorfer Straße gesehen. Von dort habe Frau N. noch zu einer Getränkehandlung wollen. Suchhunde nahmen Witterung auf: Von der Wohnung aus, vom Getränkeladen aus, von einem Parkplatz bei Schloss Solitude aus. Keine Spur. Wenn Christa N. mit Bus oder Bahn weggefahren wäre, meint Peter Widenhorn, wäre sie jemandem aufgefallen und die Polizei hätte davon erfahren.

Die Ungewissheit bleibt

Was bleibt, wenn Menschen verschwinden und nicht wieder auftauchen? Die Ungewissheit und Trauer bei den Angehörigen. Und es kommt ein amtlicher Akt: Irgendwann muss ein Mensch für tot erklärt werden. Das geschehe nach dem Verschollenheitsgesetz, sagt Ulf Hiestermann vom Amtsgericht Ludwigsburg. Es gibt Fristen; etwa für Opfer von Schiffs- oder Flugzeugunglücken. Menschen über 80, von denen es keine Spur mehr gibt, müssen fünf Jahre lang verschollen sein, bevor das Verfahren anlaufen kann. „Wir haben wenige solche Fälle“, sagt der Polizeisprecher.

Weitere Vermisstenfälle

Schwieberdingen
Am 26. Juni 2017 verließ der 81 Jahre alte Klaus H. unbemerkt sein Wohnhaus in Schwieberdingen. Er wurde am 19. August 2017 tot in einem Wald zwischen Schwieberdingen und Markgröningen gefunden.

Münchingen
Ende Juli 2017 wurde eine 85 Jahre alte Frau aus Münchingen vermisst gemeldet. Zwei Tage später wurde sie in der Nähe der Glems wohlbehalten aufgefunden.

Marbach
Am 11. September 2017 wurde eine 76 Jahre alte Frau aus Marbach vermisst gemeldet. Sie war demenzkrank, ging unbemerkt aus der Wohnung weg und blieb monatelang verschwunden. Drei Jugendliche fanden ihre sterblichen Überreste am 5. Januar 2018 in einem Waldstück bei Neckarweihingen.

Benningen
Ebenfalls Mitte September 2017 verschwand ein 85 Jahre alter Mann aus Benningen. Er tauchte kurz darauf in Stuttgart wieder auf und wurde in eine Klinik gebracht.