Der China-Sieger Nico Rosberg (Mitte) verteilt zur Feier des Tages großzügig den edlen Tropfen. Foto: AP

Der Mercedes-Pilot gewinnt in China auch das dritte Saisonrennen und kommt jetzt auf die Maximalpunktzahl von 75 Zählern. Holt er endlich seinen ersten WM-Titel?

Shanghai - Ausnahmsweise muss der erfolgreichste Sonntagsfahrer der Formel 1 mal zurückstehen, was Nico Rosbergziemlich leichtfallen dürfte nach seinem dritten Grand-Prix-Triumph in dieser Saison, dem sechsten in Folge. Die 37 Sekunden Vorsprung am Ende des Großen Preises von China, die Gratulation seines Renningenieurs („Absolut dominant“) und die Lage in der Weltmeisterschaft, die er ganz sicher auch nach dem nächsten WM-Lauf noch anführen wird, sagen eigentlich alles über die Form des Wiesbadeners und seines Silberpfeils. Na gut, eine Einschätzung noch, damit das Ganze nicht zu einfach wirkt und Bernie Ecclestone wieder zum Mercedes-Überlegenheitslamento ansetzen kann: „Ich habe die ganze Zeit Vollgas gegeben, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein“, sagt Rosberg.

Was nach gepflegter Langeweile klingt, täuscht gewaltig. Bisher konnte sich die Formel 1, was die Action angeht, in jedem der bisherigen drei von 21 Rennen steigern. Das Gastspiel nahe der VW-Autostadt in China toppte die Dramaturgie noch. Verantwortlich dafür war in der Tat die seit dieser Saison erlaubte dritte Reifenmischung, die eine Vielzahl von Strategien ermöglichte. Natürlich herrschte auch zum wiederholten Mal ein Startchaos, offenbar ist die Reduzierung von zwei auf einen Kupplungshebel selbst für Winner Rosberg gewöhnungsbedürftig. Die wilde Jagd und eine spätere Neutralisierung wegen zu vieler Wrackteile auf der Piste (dabei kamen alle 22 Rennwagen ins Ziel, was es auch erst fünfmal in der Formel-1-Geschichte gab) führten zu einer Vielzahl von Überholvorgängen. Sebastian Vettel unterstrich seine derzeitige Angriffslust sogar durch ein entsprechendes Manöver in der Einfahrt zur Boxengasse, während Landsmann Nico Hülkenberg für zu langsames Fahren verwarnt wurde.

Vettel, das Sprachrohr der Chauffeure

Da ist also eine Menge Action, und Sebastian Vettel kommt als Sprachrohr der Chauffeure erneut zu Ehren. Seine Rennanalyse wird zu einem Plädoyer. „Wer am Sonntag Formel 1 geguckt hat, der soll das unbedingt weitersagen. Es war viel mehr los als sonst im Rennen. Es hat zuletzt zu viel negative Stimmung geherrscht. Dabei sollte immer zählen, was auf der Strecke passiert“, sprach Vettel. Das ganze „Gelaber“, fügte er noch hinzu, mache es nicht besser. Das Rennfahren solle im Vordergrund stehen, auch was die Zukunft des Sports angehe. „Ich glaube, wenn weniger darauf geschaut wird, dass sich viele Leute individuell die Taschen vollmachen, kommt am Ende auch etwas Besseres dabei raus. Das klingt jetzt hart, ist aber so.“

Rumms, das sitzt. Man kann den 13. deutschen Doppelerfolg in der Formel 1 ruhig auch mal für eine Forderung nach mehr Vernunft nutzen. Der Heppenheimer, dessen Ferrari noch nicht ganz auf Augenhöhe mit dem Mercedes ist, hatte ohnehin Klärungsbedarf – mit dem Drittplatzierten Daniil Kvjat. Der Russe war nämlich der Auslöser dafür, dass nach dem Startknick alle Prognosen und Taktikspielchen in einem chaotischen Strudel untergingen. Während sich dank der besseren Reifen und des schlechteren Starts von Rosberg zunächst der Überraschungszweite Daniel Ricciardo im wieder erstarkten Red-Bull-Rennwagen an die Spitze setzte, ging dahinter das Geschacher der beiden Ferrari-Piloten Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel los.

Plötzlich war da eine Lücke

Plötzlich war da eine Lücke innen, und in die stieß aus dem toten Winkel der heranschießende Kvjat. Vettel erschrak, lenkte instinktiv nach links – und touchierte Räikkönen. „Ein Albtraum, wenn man das seinem Teamkollegen antut“, befand der Heppenheimer und fluchte trotz gelungener Aufholjagd bis kurz vor der Siegerehrung über den seiner Meinung nach „Verrückten“ aus Russland. Doch Kvjat blieb so cool wie im Auto, als Vettel auf ihn losging: „Mann, was willst du denn? Wir stehen beide hier oben, ist doch alles gut . . .“

Wenn vorne viel schiefgeht, wird daraus meistens ein Rennwagen-Domino. Prompt erwischte das Nachbeben auch den nach einem Motorwechsel ans Ende des Starterfeldes versetzten Titelverteidiger Lewis Hamilton. Dessen Aufholjagd wurde durch den Rempler eines Sauber-Rennwagens schon sofort gebremst, der Brite musste den Frontflügel wechseln lassen – am Ende wurde es der siebte Platz. Angesichts des Laufs, den Rosberg gerade hat, ist der Gemütszustand Hamiltons so dunkel wie die Brillengläser, die er nach dem Rennen aufzog. An eine entspannte Fahrt zum ersehnten Titelgewinn glaubt Rosberg aber nicht: „Ich kenne doch Lewis, der wird wie ein Wahnsinniger Druck machen.“