Auf diesem von der Great Barrier Reef Marine Park Authority zur Verfügung gestellten Foto schwimmen kleine Fische in den Gewässern des Ribbon Reef 10 in der Nähe von Cairns in Australien. Foto: J. Sumerling/Great Barrier Reef Marine Park Authority/AP/dpa

Die Meere sind gewaltige Wärmepuffer, die einen Großteil der Wärme schlucken, den der menschengemachte Klimawandel verursacht. Doch die Meere zeigen derzeit ungewöhnlich hohe Temperaturen. Klimaforscher sehen dafür mehrere Ursachen, vor allem aber die Erderwärmung. Die verheerenden Folgen sind bereits zu erahnen.

Die Weltmeere verzeichnen außergewöhnliche Wärmerekorde. Bereits rund ein Jahr lang liegt die mittlere Oberflächentemperatur des Nordatlantiks an jedem einzelnen Tag auf dem höchsten Tagesstand seit Messbeginn vor rund 40 Jahren – meistens sogar mit einem großen Abstand zum bisherigen Tagesrekord.

Das geht aus Daten der Plattform „Climate Reanalyzer“ der University of Maine (USA) hervor, die sich unter anderem auf Satellitenmessungen stützt. Am 7. März 2023 startete die durchgehende Kurve der Tagesrekordtemperaturen des Nordatlantiks. Bei den Weltmeeren insgesamt begann sie am 14. März vergangenen Jahres.

Unnatürliche Erwärmung

„Wenn man sich anguckt, wie die Temperaturentwicklung in den Ozeanen der anderen 40 Jahre war, kann man sehen, dass die derzeitige Erwärmung wirklich weit außerhalb der natürlichen Schwankungen liegt“, sagt Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel geht wie Levermann davon aus, dass das Klimaphänomen El Niño, das Wärme aus den Meerestiefen im Pazifik nach oben pumpt, die maritime Erwärmung verstärkt. Vorher hat demnach das gegensätzliche Phänomen La Niña die Erwärmung eher gedämpft.

Eine Gelbgefleckte Muräne (Gymnothorax flavimarginatus) schwimmt zwischen Steinkorallen im Roten Meer. Foto: Andrey Nekrasov/Zuma Press Wire/dpa

Effekt des menschengemachten Klimawandels

Beide betonen den Effekt des menschengemachten Klimawandels: „Ozeane sind ein verdammt guter Indikator für die Klimaerwärmung“, erklärt Latif. Die Ozeane nähmen über 90 Prozent der Wärme auf, die durch den Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre verbleibe. „Es ist völlig klar, dass sich die Meere erwärmen, wenn sich die Erde weiter erwärmt.“ Einige Forscher sehen auch neue Emissionsregeln in der Schifffahrt als Faktor.

Mit der Erwärmung der Meere dehnt sich das Wasser darin aus. Zusammen mit der Eisschmelze lasse das den Meeresspiegel immer rascher steigen, erläutert Levermann. „Am Anfang des letzten Jahrhunderts hatten wir rund einen Zentimeter pro Jahrzehnt Meeresspiegelanstieg, am Anfang dieses Jahrhunderts rund drei und jetzt mittlerweile schon etwa fünf.“

Klimaforscher Latif weist darauf hin, dass Starkregen häufiger werden könnte, weil mehr Wasser verdunstet und wärmere Luft mehr Wasserdampf halten kann, der irgendwann dann als Niederschlag herunterkommt.

Warum die Ozeane so warm sind

Als Hauptgrund für den Anstieg gelten inzwischen zweifelsfrei die menschengemachten Treibhausgase. Über 90 Prozent der durch sie entstehenden Wärme wird Experten zufolge von den Ozeanen aufgenommen.

So winzig sich dabei Veränderungen um Zehntel Grad anhören mögen: Dahinter steckt die Erwärmung unfassbar großer Wassermassen, wie Anders Levermann erklärt. Ein Liter Wasser könne dreitausend mal mehr Wärme aufnehmen als ein Liter Luft.

Was der Golfstrom mit der Meereserwärmung zu tun hat

Die britische Shetland-Insel Muckle Flugga mit ihrem Leuchtturm: Das Wasser des Nordatlantiks ist gerade besonders warm. Foto: dpa/Dörte Nohrden

Anders Levermann hat in diesem Kontext eine Theorie entwickelt, was – neben weiteren Faktoren wie den Hitzewellen in der Atmosphäre – die hohen Temperaturen vor allem im Nordatlantik verursacht haben könnte: Durch die globale Erwärmung schwächt sich seit Jahrzehnten das Golfstrom-System ab. Eigentlich sei hierdurch eher eine Abkühlung im Nordatlantik zu erwarten. Doch womöglich komme es zu einem Wärmestau, weil eines der beiden zusammenwirkenden Fließbänder versagt, die von der amerikanischen Ostküste hinaus in den Nordatlantik strömendes warmes Wasser weiter nördlich in die Tiefe bringen.

Das erste Band funktioniere noch, wenn auch abgeschwächt, das zweite aber könnte dabei sein auszufallen, erläutert der Klimaforscher seine Theorie. „Es könnte sein, dass die Wärme nur noch durch das südliche Band bis südlich von Island transportiert wird. Wenn die Tiefenwasserbildung im hohen Norden stark abgeschwächt ist, dann wird die Wärme nicht mehr weitergetragen und staut sich vor der spanischen und französischen Küste, wie wir es derzeit erleben. Das ist zumindest eine Möglichkeit."

Wie sich die Meereserwärmung auf die Ökosysteme auswirkt

Die Unechte Karettschildkröte „Iona“, die letztes Jahr über 1000 Kilometer von ihrem natürlichen Lebensraum entfernt an einem Strand in Schottland angeschwemmt wurde, schwimmt im Atlantik in der Nähe der Azoren. „Iona“ wurde wieder in den Atlantik entlassen, nachdem sie von Meeresspezialisten wieder gesund gepflegt wurde. Foto: Ben Birchall/Press Association/dpa

Für die Ökosysteme im Meer sei die Entwicklung fatal. „Sie sind Stabilität gewohnt, viel mehr noch als Lebensräume an Land.“ Entsprechend empfindlich reagierten viele von ihnen, sagt der PIK-Forscher. Folgen habe das wiederum für die Fischerei. „Es gibt unzählige Nahrungsketten und -netzwerke, die wir damit durcheinanderbringen.“

Die zusätzliche Strömungsänderung im Nordatlantik bringe zudem wie auch der El Niño mehr Wärme in die Atmosphäre – mit einem weiter steigenden Risiko für Extremwetter-Ereignisse als Folge, wie Levermann erklärt. Die Erwärmung bringe mehr Bewegung ins System, das eigentlich kreisrund um die Erde reichende Jetstream-System beginne auszubeulen – was wiederum Hitzewellen oder Starkregen verursache.

Info: El Niño und La Niña

Was sind El Niño und La Niña?
El Niño und La Niña sind Wetteranomalien, die Extremwetter wie Hitze, Frost, Wirbelstürme und Starkregen verursachen. Die Folgen können Dürren, Riesenwellen, Überschwemmungen und Erdrutsche sein.

Wie häufig tritt El Niño auf?
Das in der Regel alle vier Jahre in unregelmäßigen Abständen von durchschnittlich vier Jahren auftretende Phänomen wird von wärmeren Wassertemperaturen im tropischen Pazifik ausgelöst. In der Folge verschieben sich aufgrund von veränderten Luft- und Meeresströmungen weltweit Wetterbedingungen. Als wichtigstes Phänomen natürlicher Klima-Schwankungen kann El Niño etwa Überflutungen in Südamerika sowie Dürren in Australien und Missernten in Indien auslösen.

Woher stammt der Name El Niño?
Der Name ist von „El Niño de Navidad“ abgeleitet und bezieht sich auf das neugeborene Jesuskind, dessen Geburt zu Weihnachten, also dem Zeitpunkt des Auftretens des Wetterphänomens, gefeiert wird. Weil die Erwärmung der Küstengewässer vor Peru immer zum Jahresende besonders hoch waren, nannten Fischer das Phänomen El Niño (das Christkind).

Was bewirken El Niño und La Niña?
El Niño treibt die globale Durchschnittstemperatur in die Höhe, während La Niña einen kühlenden Effekt hat. Sie tauchen abwechselnd alle paar Jahre auf. Bei beiden verändern sich die Meeres- und Luftströmungen im und über dem süd-südöstlichen Pazifik. El Niño steht dabei für eine Phase, in der eine bestimmte Region im Pazifischen Ozean besonders warme Wassertemperaturen aufweist. La Niña für die besonders kalte Phase. Die beiden Zyklen wechseln sich durchschnittlich alle drei Jahre ab.

Welche Folgen hat El Niño für das Weltklima?
Wie lange El Niño anhält oder wie stark die Folgen sind, kann man nicht verlässlich voraussagen. El Niño hat Einfluss auf das Wetter weltweit, weil er Hoch- und Tiefdrucksysteme, Winde und Niederschläge beeinflusst – auch in Deutschland. Aufgrund der größeren Energiemenge, die El Niño weltweit liefert, sind auch neue und extremere Hitzerekorde und möglicherweise besonders heftiger Starkregen von den Alpen bis zur Nordsee wahrscheinlich.