Hier entstehen neue Systembauten Foto: StN

In vier Bezirken sollen mehr Plätze für Flüchtlinge entstehen, die Entscheidung fällt am Donnerstag im Gemeinderat. Wie sehr das Thema polarisiert, zeigte die Diskussion im Sozialausschuss.

Stuttgart - Provokante Worte im Sozialausschuss sorgten am Montag für eine hitzige Diskussion. „Die Stimmung im Land ist angespannt“, sagte Heinrich Fiechtner, Fraktionsmitglied der Alternative für Deutschland (AfD). Das zeigten zum Beispiel die Aktionen der sogenannten Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) in Dresden. „Das überträgt sich nun auch auf die Stadt Stuttgart“, sagte Fiechtner.

Im Kern ging es bei der Sitzung um vier neue Standorte, die 561 Plätze für Hilfsbedürftige bieten: Dazu gehören zwei neue Flüchtlingsheime in Botnang (156 Plätze) und Weilimdorf (243 Plätze), zudem baut die Stadt die bereits bestehenden Unterkünfte in Möhringen (84 neue Plätze) und Feuerbach (78 neue Plätze) aus. Die Beschlussvorlage dafür diskutierte der Sozialausschuss am Montag, Donnerstag soll der Gemeinderat über das Vorhaben entscheiden.

Vergangene Woche hatten Anwohner in Schelmenäcker-Süd in Feuerbach dagegen protestiert, dass die Stadt die Zahl der Unterkunftsplätze dort auf 156 verdoppeln will. Die Bewohner hatten sich beim Regierungspräsidium beschwert und eine Petition gegen den Systembau gestartet. Die Anwohner im Gebiet Schelmenäcker-Süd werfen der Stadt Wortbruch vor. Im Bezirk hingen am Wochenende Schilder mit Aufschriften wie „Stoppt den Container-Wahnsinn von Fritz Kuhn“ oder „Der Soziale Frieden am Lemberg ist gefährdet! Kein zweiter Block in Schelmenäcker-Süd“.

Vorwurf der geistigen Brandstiftung

Den Vorwurf der Anwohner, dass die Stadt zu spät informiert habe, versuchte Sozialamtsleiter Stefan Spatz zu entkräften. „Am 16. September hat es einen Ortstermin in Feuerbach gegeben, bei dem das Amt für Umweltschutz und die Stuttgarter Wohnungsbaugesellschaft über den Systembau referiert haben“, sagte Spatz.

Die geplanten Systembauten, die nach dem Baukasten-Prinzip entstehen und möglichst unkompliziert auf- und abgebaut werden können, bezeichnete Fiechtner „als eine Zumutung für die Bürger“. Jochen Stopper von den Grünen brachte dafür kein Verständnis auf. „Das ist geistige Brandstiftung. Sie betragen sich als jemand, der einfach nur von seinem hohen Ross herab urteilt“, so Stopper. Fiechtner forderte Stopper auf, das zurückzunehmen.

Kritisch blickte CDU-Stadtrat Thomas Fuhrmann auf die Vorgänge in Feuerbach. „Wer sich die Situation vor Ort anschaut, versteht, dass man die Sorgen der Anwohner ernst nehmen muss. Dort stehen nur noch zwei, drei Bäume, das ganze Gebiet ist gerodet“, sagte Fuhrmann. Seine Gemeinderatsfraktion hatte die Stadtverwaltung vergangene Woche dazu aufgefordert, „geeignete Maßnahmen zur Unterstützung und Förderung der Akzeptanz in der Bevölkerung“ zu untersuchen.

Die Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) bemühte sich darum, Verständnis für die Feuerbacher zu zeigen. „Ich kann die Unzufriedenheit verstehen, es ist eine gewisse Beeinträchtigung des Umfeldes“, so Fezer. So solle den betroffenen Bewohnern tatkräftig geholfen werden. Inwiefern jedoch, das blieb zunächst offen.

Bislang keine Unterkünfte in Gewerbegebieten

Die vier neuen Unterkünfte kosten die Stadt rund 13,7 Millionen Euro. Die Stadt verfolgt den Plan, die Flüchtlinge möglichst dezentral unterzubringen und stellt ihnen Unterkünfte in einer Größe von 78 bis 243 Plätze zur Verfügung. Die Standortsuche erfolgte bislang in drei Läufen, die sogenannte dritte Tranche sieht nun die vier neusten Unterkünfte vor.

Nach der Änderung des Baugesetzes kommen neuerdings auch Flüchtlingsheime in Gewerbegebieten in Betracht. Doch habe die Stadt bisher noch kein geeignetes Gelände gefunden, weil meist Schadstoffe oder Lärm gegen den Bau sprechen, heißt es seitens der Verwaltung.

Auch nach dem Bau der neuen Systembauten fehlt es aller Voraussicht nach an Platz. Aktuellen Prognosen der Stadt zufolge besteht im Jahr 2015 ein Bedarf an 593 Plätzen – es fehlen somit nach derzeitiger Planung noch 32 Unterkunftsplätze. „Diesen Bedarf wollen wir im nächsten Jahr vor allem durch Anmietungen decken“, sagte die zuständige Bürgermeisterin Isabel Fezer.

Die Fraktionen des Gemeinderats signalisierten im Sozialausschuss, dass sie dem Bau der neuen Unterkünfte zustimmen werden. Den Plan besprechen müssen noch zwei betroffene Bezirksbeiräte, Möhringen und Feuerbach. Letztere Sitzung dürfte mit Sicherheit viel Stoff für kontroverse Debatten liefern.