Bund und Länder sind zum Flüchtlingsgipfel in Berlin zusammengekommen. Schon die Verhandlungen unter den Ländern liefen schwierig. Vor allem ein Thema sorgte für die Streit.
Stephan Weil will los. „Noch zwei Fragen“, ruft der Sprecher herüber. Weil verzieht das Gesicht. Eben sind Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, SPD, und Boris Rhein, Regierungschef von Hessen, CDU, vor die Presse getreten, um über den gemeinsamen Beschluss der Länderchefs und -chefinnen zu sprechen – und es ist spät. Vier Stunden später, als es sein sollte.
Am Montag sind Bund und Länder in Berlin zum Flüchtlingsgipfel in Berlin zusammengekommen. Dass die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern sich lange ziehen würden, war erwartet worden. Überraschend war hingegen, dass auch die Länder untereinander bereits so lange miteinander verhandelt hatten, dass das Treffen mit dem Kanzler vom Nachmittag in den Abend verlegt werden musste.
Viele Streitpunkte
Seit mehr als einem Jahr ringt die Bundesregierung mit den Länderchefs und -chefinnen um die Frage, wie die Migrationsfrage zu regeln ist. Auf der Tagesordnung standen noch weitere Themen, darunter auch andere, die als Streitpunkte gelten: das Deutschlandticket zum Beispiel, die Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung und der Digitalpakt Schule.
Die Länder stritten nun vor allem über die Frage, welche Maßnahmen man der Bundesregierung im Beschluss empfehlen wolle, um die Migration zu begrenzen. Auf einiges hatte man sich bereits im Vorfeld geeinigt: Der Bund solle das EU-Türkei-Abkommen wieder aufnehmen, den Familiennachzug weiterhin begrenzen, bundeseinheitliche Regeln für eine Bezahlkarte für Asylbewerber aufsetzen, die EU-Binnengrenzkontrollen effizienter kontrollieren, Rückführungen besser umsetzen und das Asylrecht weiterentwickeln. Darauf konnten sich die Länder schnell verständigen.
„Nicht so wirklich erquicklich“
Die Unions-geführten Bundesländer und Baden-Württemberg, die sogenannten B-Länder, hatten allerdings noch andere Forderungen – von denen die SPD-geführten Länder und Thüringen, die A-Länder, überrascht wurden, wie Weil auf der Pressekonferenz sagte. Unter anderem wollten sie durchsetzen, dass die Bundesregierung versuchen soll, Asylverfahren außerhalb Deutschlands durchzuführen, in Drittstaaten. Außerdem wollten sie freiwillige Aufnahmeprogramme stoppen. Weil zeigte sich sichtlich verärgert über den unerwarteten Vorstoß der B-Länder. „Insofern war das heute nicht so wirklich erquicklich“, so Weil. Letztlich blieb es bei den gemeinsam vereinbarten Beschlüssen, die die Länder zum Teil mit langen Protokollnotizen versahen.
Einig waren sich die Länderchefs und -chefinnen aber immerhin bei dem Thema, über das sie nun seit Monaten mit dem Bund streiten: das Geld. Weil seit vergangenem Jahr wieder mehr Geflüchtete nach Deutschland kommen, fordern die Länder, dass sich der Bund stärker an den Kosten für deren Versorgung beteiligt.
Überlastete Kommunen
Hintergrund des Flüchtlingsgipfel ist die steigende Zahl der Schutzsuchenden in Deutschland. Mehr als 230.000 Erstanträge auf Asyl wurden im aktuellen Jahr gestellt – weniger als in den Jahren 2015 oder 2016, aber doch mehr als in den vorherigen Jahren. Die Kommunen müssen sich deshalb um zahlreiche Schutzsuchende kümmern. Viele von ihnen sind überlastet.
Der Bund sollte sie deshalb mehr unterstützen, fordern die Länder seit mehr als einem Jahr. Sie legten Wert auf ein „atmendes Modell“, bei dem der Bund ihnen eine feste Summe für jeden Geflüchteten zahlen sollte – im Gegensatz zu einer festen Summe, mit der dann alles, unabhängig von der Zahl der zu versorgenden Menschen, abgegolten wäre. Es gab vorab allerdings unterschiedliche Vorstellungen über die Höhe einer möglichen Kopfpauschale bei der Flüchtlingsfinanzierung. Der Länder forderten 10.000 Euro für jeden Flüchtling vom Bund, der wollte allerdings nicht mehr als 5000 Euro geben.
Auch dort, wo es bei einem finanziellen Thema scheinbar Einigkeit gab, waren die Konflikte groß: beim Thema Bezahlkarten. Während sowohl Bund als auch Länder für eine solche Karte waren, schoben sie sich in den vergangenen Wochen gegenseitig die Verantwortung zu. Der Bund solle eine einheitliche Lösung einführen, forderten die Länder. Der Bund sah die Länder – qua Zuständigkeit – in der Pflicht.
Die Verhandlungen im Kanzleramt begannen erst am Abend.