In Systembauten leben Flüchtlinge oft auch nach ihrer Anerkennung. Foto: Lg/Achim Zweygarth

Das Land finanziert mehr Sozialarbeiterstellen in Flüchtlingsunterkünften – das gilt aber nur bis zur Anerkennung. Weil die Stadt offenbar am eigenen Betreuungsschlüssel festhalten will, könnte es unterschiedliche Schlüssel in den gleichen Heimen geben. Das wollen die Träger nicht.

Stuttgart - In den Stuttgarter Flüchtlingsunterkünften könnten in Zukunft zeitgleich unterschiedliche Betreuungsschlüssel gelten – je nachdem, wie viele Flüchtlinge aus einer Unterkunft bereits anerkannt sind und bei wie vielen der Status noch offen ist. Die Träger der Flüchtlingshilfe wollen genau das verhindern und sind mit einem Schreiben an alle Fraktionen bis auf die AfD herangetreten.

Hintergrund ist, dass das Land für die vorläufige Unterbringung von Flüchtlingen nun einen Betreuungsschlüssel finanziert, bei dem ein Sozialarbeiter für 110 Flüchtlinge zuständig ist. Die vorläufige Unterbringung gilt so lange, bis über das Asylverfahren entschieden wurde. Anschließend ist die Stadt zuständig, sie finanziert einen Betreuungsschlüssel von 1:136 und sie will daran – dieses Signal haben die Träger zumindest bisher aus der Verwaltung vernommen – auch nichts ändern. Die Stadt selbst äußert sich momentan nicht zu dem Thema. Die Sozialverwaltung bereite eine Stellungnahme für den Sozial- und Gesundheitsausschuss am 25. Juli vor, so Sven Matis, Sprecher der Stadt.

Die Bearbeitung der Asylanträge dauern nur wenige Monate

„Wir wollen einen einheitlichen Schlüssel“, stellt Fritz Weller, Sprecher des Fachausschusses Migration der Liga der Wohlfahrtspflege und Bereichsleiter Migration bei der Caritas, klar. Ansonsten würde „das ganze Risiko in der Personalplanung und Finanzierung auf uns abgewälzt“, erregt er sich.

Allein der Caritasverband müsste knapp 14 Stellen neu besetzen, um den Landesschlüssel zu erfüllen. Diese Stellen wären aber bereits bis Ende 2017 nicht mehr finanziert, so Weller. „Spätestens im Sommer nächsten Jahres ist das Gros in der Anschlussunterbringung, dann wären die Ressourcen wieder weg“, sagt auch der Geschäftsführer der Awo, Friedhelm Nöh. Die Bearbeitung eines Asylantrags beträgt laut Weller im Schnitt nur noch 3,6 Monate. Ab der Anerkennung „würden wir von einem auf den anderen Tag für die gleichen Personen nach einem schlechteren Schlüssel finanziert“, erklärt der Sprecher des Fachausschusses der Liga. Sozialarbeiter nur sehr kurzfristig befristete Verträge anzubieten, ist für ihn keine Alternative. „Darüber kann man keine motivierten Leute gewinnen“, sagt Weller.

Momentan bleiben die meisten Flüchtlinge auch nach der Anerkennung in den Unterkünften. Sie würden dann aber weniger betreut als diejenigen, deren Asylanträge noch in der Prüfung sind. „Wenn jemand seine Anerkennung bekommt, dann geht es doch erst richtig los mit der Arbeit“, sagt der Awo-Geschäftsführer Nöh.

SPD bringt erneut Betreuungsschlüssel von 1:120 ins Spiel

Die SPD-Gemeinderatsfraktion nimmt die Änderung im Land und den Hilferuf der Träger zum Anlass, einen erneuten Anlauf zu unternehmen, den Betreuungsschlüssel in städtischen Flüchtlingsunterkünften zu verbessern. Schon während der Haushaltsberatungen zum aktuellen Doppelhaushalt hatte die SPD versucht, einen besseren Betreuungsschlüssel zu erreichen, war damit aber gescheitert – trotz der damaligen Empfehlung seitens des Sozialamts für einen Schlüssel von 1:120. Genau diesen fordert die SPD nun in ihrem Antrag. „Sprachförderung, Hinführung zu Qualifizierung, Ausbildung und Arbeit sowie die Begleitung der Integration der Kinder in Kita und Schule können mit einem Personalschlüssel von 1:136 in der gewünschten Weise nicht geleistet werden“, so die SPD. Außerdem soll die Verwaltung gemeinsam mit den Betreuungsorganisationen ein Konzept für die Anschlussunterbringung erarbeiten. Basis solle der Schlüssel von 1:120 sein. Die Verwaltung soll zudem darstellen, wie viele Mittel für die Umsetzung bis Ende des Jahres 2017 benötigt würden.

Von Trägerseite wird der Vorstoß der SPD begrüßt, obwohl er nicht der eigenen Forderung nach einem einheitlichen Schlüssel entspricht. „Das wäre ein Kompromiss“, mit dem man arbeiten könnte“, meint Fritz Weller. So könnte man das personell hinkriegen.