Medizinische Liegen und Stühle, Waschsessel und Friseurstühle gehören zur Produktpalette des Unternehmens. Foto: Werner Kuhnle

Die Firma Greiner in Pleidelsheim feiert ihr hundertjähriges Bestehen. Was mit der Herstellung von Kopfstützen für Friseurstühle in einer kleinen Werkstatt begann, ist heute ein modernes, innovatives und expandierendes Unternehmen, das viele Arbeitsplätze sichert.

Pleidelsheim - Wie es aktuell aussieht, scheint die Pleidelsheimer Firma Greiner den unternehmenspolitischen Spagat, den sie sich zum Ziel gesetzt hat, durchaus hinzubekommen: das international operierende Unternehmen, das vor hundert Jahren von Walter Greiner Senior in Pleidelsheim gegründet wurde, möchte sich den familiären, verbindlichen Charme erhalten und dabei eine Weltmarke werden.

Selbstbewusst verkündet die Geschäftsführerin Kristina Greiner beim persönlichen Austausch mit unserer Zeitung dieses Ziel, und ergänzt: „In den vergangenen fünf Jahren haben wir alles Wesentliche erreicht. Bei uns geht eigentlich niemand weg“, skizziert die Vierzigjährige das offensichtlich angenehme Betriebsklima, bei dem viel gelacht, manchmal aber auch fest miteinander gerungen werde. „Und wir wollen wachsen und weltweit ein Name sein, der Beachtung findet“, betont die Chefin, die gemeinsam mit dem Vater die Geschäftsführung inne hat.

Rund 120 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen

Zwar hat sich Siegfried Greiner aus dem operativen Geschäft weitgehend zurück gezogen, doch „mein Vater kümmert sich überwiegend um Investitionsprojekte und ist da, wenn man ihn braucht“, erklärt Kristina Greiner, deren Schwester, Katja Bärlin-Greiner, als Prokuristin für die Bereiche Personal und Finanzen zuständig ist.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Etat 2022 für Pleidelsheim verabschiedet

Die Belegschaft ist inzwischen auf rund 120 Mitarbeiter angewachsen. Alle Genannten kümmern sich – auf 16 000 Quadratmetern Produktionsfläche – engagiert um die drei voneinander unabhängigen Bereiche Medbest (Medizinische Liegen und Stühle), Hairline (Waschsessel und Friseurstühle) und Traffic (Fahrzeugsitzentwicklung und Nachrüstsitze) und hoffen in dieser Symbiose weiterhin darauf „unsere Kunden täglich zu begeistern“. Die Drei-Säulen-Politik war bislang in der Lage, umsatzmäßige Einbußen und Schwankungen untereinander erfolgreich aufzufangen. Sie hat dem Unternehmen auch in Zeiten der Coronapandemie den Erfolgskurs gesichert.

Die Firma hat auch individuelle Zielgruppen im Blick

So wurde auch ein kurzzeitiger Umsatzeinbruch im Hairline-Bereich, der durch das pandemiebedingte, temporäre Schließen von Friseurläden verursacht wurde, durch den enormen Zuwachs beim Traffic-Sektor und dem medizinischen Bereich wieder wettgemacht. Außerdem ist die Firma Greiner als systemrelevant eingestuft, weil sie medizinische, mobile Liegen herstellt.

Der Greiner’sche Erfolg dürfte indes besonders auch in einer Mélange grundsolider schwäbischer Eigenschaften zu finden sein: Denn das stark designorientierte Unternehmen sucht sich nicht nur gezielt Nischenbereiche aus – etwa Spezialsitze für den Off-Road-Fahrzeuge-Bereich –, in denen es sich mit innovativem Geist und hohem Qualitätsbewusstsein die Kunden von morgen heranzieht: Greiner fährt zudem einen höchst individualisierten Kurs bei seinen Produkten. Das zeigen nicht nur Möglichkeiten, wie sich die Sitze individuell mit dem Namen des Besitzers besticken zu lassen, sondern auch limitierte Sondereditionen. So bietet Greiner etwa einen goldfüßigen Friseurstuhl an oder – passend zum hundertjährigen Bestehen – einen „Retro-Revival“-Fahrzeugsitz, den es ursprünglich in den 1970er-Jahren gab. „Für Oldtimer-Fans, die das gute, alte Stück restaurieren (lassen) und dabei auf Originalteile und -interieur Wert legen. Wir glauben, dass dies ein Renner werden wird“, mutmaßt Kristina Greiner.

Ein digitales Kommunikationssystem am Krankenbett entwickelt

Und Jens Reichenbach, Medbest und Hairline-Vice President, berichtet weiter von einer herausragenden Produkteinführung im Klinikbereich, die dem Grundsatz des Individuellen ebenfalls sehr entgegen kommt: ein digitales Kommunikationssystem, eingebaut in einen speziell weiterentwickelten Beistelltisch am Krankenbett. „Wie ein großes Tablet, das leicht zu bedienen und ebenso leicht zu reinigen ist“, erklärt hierzu Jens Reichenbach. „Dieses Multifunktionsteil bietet Patienten die Möglichkeit, Kontakt nach außen, etwa zur Familie aufzunehmen, fernzusehen, Musik zu hören oder Zeitung zu lesen – und das vielfach in der eigenen Muttersprache. Corona hat gezeigt, was es bedeutet, wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten zu sein“, so Reichenbach weiter.

Die Suche nach Auszubildenden gestaltet sich schwierig

Digitale Lücken zu schließen steht auf der innovativen To-do-Liste des Pleidelsheimer Unternehmens ganz weit oben. Dort ist auch der Grundsatz angesiedelt, die hohe Qualität der Produkte im eigenen Haus zu sichern. Doch genau da kommen große Herausforderungen auf die mittelständische Firma zu. Denn in den Bereichen Nähen und Polstern, zwei grundlegende Funktionen in der Herstellungskette von Produkten, lässt sich aktuell nur schwer Nachwuchs finden. „Wir wissen nicht, warum die Jugend das nicht erlernen möchte“, beklagt Geschäftsführerin Kristina Greiner die Tatsache, dass hier nur schwer an Auszubildende zu kommen sei. „Wir helfen uns inzwischen damit, vorhandene Mitarbeiter gezielt weiterzubilden, wünschen uns jedoch sehr, dass unsere Firma auch attraktiv für die handwerklichen Ausbildungsjobs wird“, sagt die Chefin.