Mit dem Banner protestierten im Jahr 2014 Aktivisten gegen einen von der Stadt Waiblingen favorisierten Windpark auf der Buocher Höhe. Die Kommune will im Jahr 2023 Messungen vornehmen, um Klarheit für das Projekt zu bekommen. Foto: Gottfried Stoppel/Archiv Foto:  

Waiblingen nimmt 2022 schwindelerregende 94,6 Millionen Euro Gewerbesteuer ein, muss das aber durch höhere Abgaben büßen. Der Rathauschef kündigt den Ausbau von Photovoltaik und Windmessungen auf der Buocher Höhe an.

Es waren keine erfreulichen Zahlen, die Sebastian Wolf, seit Februar Waiblingens Oberbürgermeister, in der Rede zur Einbringung seines ersten Haushalts verkünden musste. „Ich hätte Ihnen gerne ein anderes Ergebnis präsentiert“, versicherte Wolf. Fakt sei aber, dass die Stadt Waiblingen „trotz mehrfacher interner Sparrunden“ im Jahr 2023 erstmals keinen ausgeglichenen geschweige denn positiven Ergebnishaushalt vorlegen könne. Die Aufwendungen der laufenden Verwaltung liegen also höher als die Erträge.

Im Haushaltsplanentwurf 2023 schließt das Gesamtergebnis laut Kämmerer Fatih Ozan mit einem Defizit in Höhe von rund 11,3 Millionen Euro und damit um rund neun Millionen Euro schlechter als im Plan 2022 ab. Trotzdem stehe die Stadt insgesamt solide da und habe gut gewirtschaftet, sagte Sebastian Wolf. Das Minus sei vor allem durch die hohen Gewerbesteuereinnahmen der vergangenen Jahre bedingt. Denn die sind zwar grundsätzlich erfreulich, ziehen aber einen Bumerang-Effekt nach sich: Die Stadt erhält in den Folgejahren weniger Zuweisungen aus dem Finanzausgleich und muss zudem höhere Umlagezahlungen einplanen.

Mehreinnahmen durch Nachzahlungen

„Es braut sich ein Sturm zusammen, der unseren eingeschlagenen Kurs solider Finanzen in den nächsten Jahren auf eine sehr harte Probe stellen wird“, prophezeit denn auch der Kämmerer Fatih Ozan. Nach dem sehr guten Ergebnis von 67,1 Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen in 2021 zeichne sich aktuell für das Jahr 2022 „ein fulminantes Ergebnis“ von rekordverdächtigen 94,6 Millionen Euro ab. Der Grund dafür seien Mehreinnahmen durch Nachzahlungen aus zurückliegenden Jahren. Für die Kreisumlage müsse die Stadt daher aber im Jahr 2023 gut drei Millionen Euro mehr als 2022 berappen, insgesamt wären es ungefähr 37 Millionen Euro.

Würde es zudem zu der vom Landrat gewünschten Erhöhung des Hebesatzes kommen, so müsste die Stadt Waiblingen im Jahr 2023 sogar knapp 40 Millionen Euro Kreisumlage zahlen. Sebastian Wolf machte keinen Hehl daraus, was er von den Landrat-Plänen hält: „Diese Erhöhung darf aus meiner Sicht und bei aller Wertschätzung für die Arbeit des Kreises nicht in der angekündigten Höhe kommen.“

Der Oberbürgermeister kritisierte in seiner Rede die Rolle von Bund und Land. Diese übertrügen immer mehr Aufgaben auf die Kommunen und erwarteten, dass diese es irgendwie regeln. Als Beispiele nannte Wolf den Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in Grundschulen und die Unterbringung von geflüchteten Menschen. Beides Aufgaben, die die Kommunen zwar gerne leisteten – vorausgesetzt, „eine auskömmliche Finanzierung wird sichergestellt“. Denn für die zusätzlichen Aufgaben brauche es zusätzliches Personal – und das ist der wohl teuerste Bereich.

In Waiblingen werden die Personalkosten in 2023 mit knapp 60 Millionen Euro veranschlagt. Für das kommende Jahr will die Verwaltung den Stellenplan um rund 3,4 Prozent aufstocken. Allerdings könne es nicht immer so weitergehen, denn irgendwann sei das nicht mehr finanzierbar, betonte Wolf, sagte aber, man habe oft schlichtweg keine Wahl: „Wenn 700 geflüchtete Menschen zusätzlich betreut werden müssen, hat dies an verschiedenen Stellen der Stadtverwaltung unweigerlich personelle Konsequenzen.“

Das Erreichte soll bewahrt werden

Der Waiblinger Rathauschef sagte aber auch, aktuell könne es nicht mehr darum gehen, höhere Standards zu schaffen. Stattdessen müsse man intensiv daran arbeiten, das bislang Erreichte dauerhaft zu bewahren. „Wir müssen künftig noch viel stärker Prioritäten setzen und insbesondere bei neuen Projekten und Standards gut abwägen.“

Für das Jahr 2023 rechnet die Stadt derzeit mit Gewerbesteuer-Einnahmen in Höhe von rund 63 Millionen Euro, allein für Baumaßnahmen sind 33,4 Millionen Euro veranschlagt. Ein großer Teil davon fließt in den Bau mehrerer neuer Kitas und in die Schulen sowie in das Projekt Waiblingen-Süd, das bald vollendet sein soll.

Sebastian Wolf kündigte auch einen „konsequenten Ausbau“ von Photovoltaikanlagen auf Dächern und Freiflächen an. Zudem werden die Stadtwerke Waiblingen von Januar an ein Jahr lang Windmessungen auf der Buocher Höhe vornehmen, um herauszufinden, ob diese ein wirtschaftlich sinnvoller Standort für Windräder ist. „Wir planen die dort gewonnenen Daten, sofern dies technisch möglich ist, regelmäßig online zu veröffentlichen, um ein Höchstmaß an Transparenz zu gewährleisten.“

Das Jahr der Windmessungen werde die Stadt Waiblingen dazu nutzen, „um mit den Nachbarkommunen in intensiven Dialog zu treten“, kündigte Wolf an. Er rief dazu auf, die Krisen auch als Chance zu begreifen, neu zu denken, neue Wege einzuschlagen und voranzukommen: „Diese Hoffnung habe ich, und meinen grundlegenden Optimismus kann mir ohnehin niemand nehmen, schon gar nicht ein russischer Diktator.“