Am Set: Martina Zöllner (SWR), Carl Bergengruen (MFG Filmförderung), Hannah Herzsprung, Chris Kraus, Lars Eidinger, Danny Krausz (For Film) und Kathrin Lemme (Four Minutes) (v. l. n. r.). Foto: ad-pr

Ein deutscher Holocaust-Forscher beginnt eine Affäre mit einer jungen Französin, deren Großmutter in Auschwitz ermordet wurde. Chris Kraus, Spezialist für schräge Charaktere („Vier Minuten“), geht die NS-Vergangenheit in „Die Blumen von gestern“ von einer ganz anderen Seite an – und drehte viele Szenen in Wendlingen bei Stuttgart.

Wendlingen - Ein deutscher Holocaust-Forscher beginnt eine Affäre mit einer jungen Französin, deren Großmutter in Auschwitz ermordet wurde. Chris Kraus, Spezialist für schräge Charaktere („Vier Minuten“), geht die NS-Vergangenheit in „Die Blumen von gestern“ von einer ganz anderen Seite an – und drehte viele Szenen in Wendlingen bei Stuttgart.

In der Burggartenstraße, gehobene Wohngegend, liegt das Haus des Holocaust-Forschers Toto, Misanthrop mit Lebenskrise, verbissen in sein schuldbeladenes Forschungsgebiet; die Französin Zazie ist lebensfroh, offen – und unaufrichtig. Um Liebe und Rache geht es da, um Schuld und Vergebung, Deutschland und Frankreich.

Chris Kraus’ Plot ist clever konstruiert, sein Film gut besetzt – obwohl er seine Wunschkandidaten nicht bekommen hat. Mit dem österreichischen Kabarettisten Josef Hader wurde er sich nicht einig übers Drehbuch, Eva Green („Casino Royale“) sagte ab. Dafür konnte er Lars Eidinger („Die Wolken von Sils Maria“, 2014) gewinnen, einen aus der ersten deutschen Riege, und Adèle Haenel, seit „Suzanne“ (2013) und „Liebe auf den ersten Schlag“ (2014) ein Shooting-Star in Frankreich Hannah Herzsprung spielt Toto Ehefrau, sie und Eidinger stehen in Wendlingen vor der Kamera.

Voraussetzung für die Förderung: wichtige Drehorte im Land.

Die deutsch-österreichische Koproduktion hat ein Gesamtbudget von fünf Millionen Euro und Fördersummen von jeweils 500 000 Euro von SWR und MFG-Filmförderung. „Es ist eine der höchsten Fördersummen, die wir vergeben können“, sagt Carl Bergengruen, Geschäftsführer der MFG. „Chris Kraus ist ein Autorenfilmer im besten Sinne, es gelingt ihm immer, diese unverkennbaren Chris-Kraus-Figuren mit einem Zug ins Groteske zu erschaffen.“ Das Drehbuch wurde 2013 in Berlin mit dem Thomas-Strittmatter-Preis der MFG ausgezeichnet. Auch Martina Zöllner, Film- und Kulturchefin beim SWR, ist begeistert: „Selten habe ich s ich schon die erste Fassung eines Drehbuches so gerne gelesen habe“, sagt sie. „Das macht die große Qualität von Chris Kraus aus. Das Buch besitzt eine große Poesie.“

Voraussetzung für die Förderung: wichtige Drehorte im Land. Für Kraus nichts Neues. „Alle meine Filme sind stark mit Baden-Württemberg verbunden“, sagt er. „Hier nun gibt es dafür inhaltliche Gründe, das Zentralarchiv zur Aufklärung von NS-Verbrechen ist in Ludwigsburg. Wenn man dort sitzt, trifft man auf die Enkel der Opfer wie der Täter. Ich habe mich gefragt: Wie gehen sie heute damit um? Was geschieht, wenn Menschen aufeinander stoßen, deren Großeltern sich womöglich gekannt und getötet haben?“

Für Kraus der Stoff für eine Charakterkomödie mit vielschichtigen Figuren – „sie sind versehrt, neurotisch, krank“, sagt er, „sie haben Defekte, sie haben etwas Groteskes und Tragisches auf eine leichte, schwere Weise. Ich liebe widersprüchliche Figuren und habe immer Figuren gezeigt, die nicht so leicht einzuordnen sind wie im Genrekino.“

Lars Eidinger hat sich intensiv mit der deutschen Vergangenheit auseinandergesetzt

Toto Blums Frau ist Tierärztin, der Swimmingpool des Hauses in Wendlingen fungiert beim Dreh als Tierarztpraxis. Schafe, Kaninchen, Hunde sind am Set, der Mops Mortadella läuft zwischen den Beinen des Filmteams hindurch. „Diese Frau liebt ihren Mann über alles“, sagt Hannah Herzsprung über ihre Figur, „und er weiß das. Sie führen eine offene Beziehung, und sie kann das akzeptieren – bis Toto dieser Frau begegnet und ihre Liebe auf die Probe stellt.“ Toto sei „sehr gestresst, cholerisch, manchmal gewalttätig“, sagt Eidinger. „Der Film geht hintergründig der Frage nach, wie dieser Mann mit der Vergangenheit umgeht. Was hat sein Großvater im Krieg getan?“

Eidinger hat sich intensiv mit der deutschen Vergangenheit auseinandergesetzt. „Ich finde die Art, wie das im Fernsehen aufgearbeitet wird in gewissen Formen, ziemlich falsch. Ich als Schauspieler würde dabei nicht mitmachen. Dieses Thema müsste wie eine offene Wunde sein, die bleibt.“

Die Dreharbeiten zu „Die Blumen von gestern“ in Wendingen, Stuttgart, Wien und Riga, sind beendet, Kraus ist mitten im Schnitt. Einen Starttermin gibt es noch nicht – aber eine erste Szene mit Eidinger und Haenel in bester Screwball-Manier, die die MFG im Februar beim Strittmatter-Preis in Berlin zeigte, hat Lust auf mehr gemacht.