Lionel Messi spielt einen Pass – die Grafik von FIFA 2015 nähert sich immer mehr der Wirklichkeit an Foto: EA

Das Videospiel FIFA ist so etwas wie der Blockbuster unter den Computer- und Konsolenspielen. Das Produkt von Electronic Arts (EA) zieht weltweit geschätzte 100 Millionen Fußballfans in seinen Bann. Aber warum eigentlich? Wir haben das Spiel getestet.

Stuttgart - Es läuft die Nachspielzeit im Duell der Fußball-Giganten FC Barcelona und Manchester City. Beim Stand von 1:1 will es Tobias noch einmal wissen: Lionel Messi kommt an den Ball. Mit seiner engen Ballführung und seinem explosiven Antritt kurvt der argentinische Superstar um vier Gegenspieler. Der City-Torhüter Joe Hart verkürzt den Winkel, doch Messi trifft ins Eck. 2:1 für Barça – die Entscheidung. Tobias springt vom Sofa, reißt seinen Playstation-Controller nach oben und ballt die rechte Hand zur Faust. Kumpel Julian kann’s nicht fassen, er schüttelt den Kopf.

Seit Tagen testen Tobias und Julian auf ihrer Playstation 4 die Demoversion von „FIFA 2015“, in der sie aus acht Teams auswählen können. Die Vollversion, die an diesem Donnerstag für Konsolen und Computer der neueren Generation erscheint, haben sie sich bei einem Versandhaus im Internet vorbestellt – wie Tausende andere auch. „‚FIFA‘ ist für Fußballfans ein Muss“, sagt Tobias.

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Das Produkt von Electronic Arts (EA) ist für viele weit mehr als ein normales Videospiel – es ist ein Klassiker. „‚FIFA‘ ist ein Produkt, das sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen total sexy ist“, sagt Game-Design-Professor Markus Wiemker von der Hochschule Macromedia, University of Applied Science, Stuttgart.

Bereits 1993 brachte der kanadische Spielehersteller EA die erste Version auf den Markt, damals noch unter dem Namen „International Soccer“. Schon im Jahr danach wurde das Spiel in „FIFA“ umbenannt. Seither erscheint Jahr für Jahr im Herbst eine neue „FIFA“-Ausgabe – immer mit den aktuellsten Daten. Dank eines Abkommens mit dem Fußball-Weltverband Fifa entsprechen die Namen aller Spieler, die Aufstellungen der Mannschaften, Logos und Trikots der Vereine sowie die Ligen im Videospiel der Realität. Das ist einmalig. Selbst Stars wie Mario Götze und Marco Reus zocken das Spiel. „Der entscheidende Erfolgsfaktor von EA sind die Lizenzen“, sagt Wiemker.

Da sehen die meisten Nutzer sogar klaglos darüber hinweg, dass die Spielsteuerung bei der „FIFA“-Reihe und die damit einhergehenden Möglichkeiten, auf eine Partie einzuwirken, eher einfach gehalten sind. Das Konkurrenzprodukt „Pro Evolution Soccer“ (PES) vom japanischen Computerspielkonzern Konami simuliert die Spielsituationen und den Bewegungsablauf der Akteure realitätsnaher und bietet eine anspruchsvollere und präzisere Spielsteuerung. Bei „PES“ fehlen allerdings Originalnamen der Spieler und sogar einige Ligen. Für viele Fans ist das ein Grund, „PES“ nicht zu kaufen.

„Der ‚FIFA‘-Spieler ist oft ein singulärer Spielertyp“, sagt Wiemker. Er kaufe sich eine Konsole nur, um „FIFA“ zu spielen. An anderen Spielen sei er kaum oder gar nicht interessiert.

Da an Konsolen längst auch online gegeneinander gespielt werden kann, findet man rund um die Uhr einen Gegner. Ein Grund, warum auch Eltern mit gemischten Gefühlen dem Start der neuen „FIFA“-Version entgegensehen – aus Sorge, dass ihre Kinder dafür die Schule vernachlässigen. „Da kann es in manchen Fällen sicherlich zu exzessivem Spielverhalten kommen“, sagt Wiemker. Allerdings stuft der Experte das Suchtpotenzial des Spiels harmloser ein als das von Ballerspielen oder Massen-Online-Rollenspielen wie etwa „World of Warcraft“: „Wenn man selbst eine Fantasyfigur verkörpert, ist die Bindung zum Spiel eine viel engere.“

Mit dem 2009 eingeführten Modus Ultimate Team hat EA zudem einen weiteren Anreiz – und eine weitere Einnahmequelle – geschaffen. Nutzer können ein eigenes Team aufbauen. Der Modus verquickt das Virtuelle mit der Wirklichkeit: Die Form eines Spielers hängt von dessen realer Leistung ab. Steckt Mario Götze in der Bundesliga in einem Tief, zeigt der Offensivspieler vom FC Bayern München auch im Videospiel Schwächen. Die Daten werden wöchentlich aktualisiert.

Darüber hinaus kann der Nutzer einen Spieler nicht nur auf dem Transfermarkt kaufen oder verkaufen, er kann seine Mannschaft auch mit Sets, die mit realem Geld bezahlt werden müssen, verstärken. EA verdient mit. Zwar veröffentlicht der Konzern keine Zahlen, allerdings sagt dessen Sprecher Ralf Anheier: „Am ersten Wochenende, nachdem ‚FIFA‘ auf den Markt gekommen ist, machen wir mehr Umsatz als ein Blockbuster-Film im Kino.“ Schätzungen zufolge liegen die Einnahmen in der ersten Woche bei 350 Millionen Euro. Fans zahlen für die Konsolen-Version 69,99 Euro, für die PC-Variante 59,99 Euro.

In der vergangenen Saison gingen mehr als 15 Millionen „FIFA 2014“-Exemplare über die Ladentheke. Die Zahl der Nutzer aller „FIFA“-Spiele schätzen Experten auf mehr als 100 Millionen Menschen. Denn klar ist: Nicht jeder kauft sich jedes Jahr das neue Produkt. Viele zocken eine Version über mehrere Jahre hinweg. Die Unterschiede von Saison zu Saison sind ohnehin nicht groß. „Die Spieleentwickler dürfen nicht zu viel verändern, auch wenn sie es könnten“, sagt Game-Designer Wiemker, „sonst ist der Stammspieler verschreckt und sagt: Das ist ein komplett anderes Spiel, das ist nicht mehr mein ‚FIFA‘.“