FDP-Vorstandsmitglied Jorgo Chatzimarkakis verlangt offen den Rückzug des Ober-Liberalen.

Berlin - FDP-Chef Guido Westerwelle gerät nach dem Wahldebakel seiner Partei schwer in Bedrängnis. Das FDP-Vorstandsmitglied Jorgo Chatzimarkakis verlangte am Mittwoch offen den Rückzug des Ober-Liberalen und appellierte an Generalsekretär Christian Lindner, die Parteiführung zu übernehmen. Auch der FDP-Nachwuchs hatte bereits Westerwelles Rücktritt gefordert. Führende Liberale schließen ein Abtreten des jetzigen Vorsitzenden nicht mehr aus.

Die FDP war am Sonntag in Rheinland-Pfalz aus dem Landtag geflogen und hatte in Baden-Württemberg die Fünf-Prozent-Hürde nur äußerst knapp genommen. Die Diskussion über den Parteivorsitzenden ist seitdem wieder in vollem Gange.

„Westerwelle muss Konsequenzen ziehen“

Chatzimarkakis forderte, Westerwelle solle bereits vor dem offiziellen Parteitag im Mai seinen Rückzug vom Amt des Parteichefs ankündigen: „Wer als Parteivorsitzender Schicksalswahlen verliert, muss als Parteivorsitzender die Konsequenzen ziehen.“ Westerwelle habe die Doppelbelastung im Außenamt und an der Parteispitze nicht überzeugend bewältigt.

Als „natürlichen Nachfolger“ sieht Chatzimarkakis den Generalsekretär der FDP. „Lindner traut sich gegen den Strich zu bürsten und die Wahrheit auszusprechen. Er kettet sich nicht sklavisch an die Union, wie es Westerwelle getan hat.“

Auch der ehemalige FDP-Parteichef Wolfgang Gerhardt hatte zuletzt gemahnt, jüngere Liberale wie Lindner, aber auch NRW-Landeschef Daniel Bahr und Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler müssten nun in die erste Reihe vorrücken.

Bahr lässt Westerwelles Zukunft offen

Bahr mühte sich um Mäßigung. „Es tut der FDP gut, wenn wir diese Debatte mit Ruhe und Anstand führen - und nicht nur nach einem Schuldigen suchen“, mahnte er. Westerwelle habe die Erfolge der FDP in den vergangenen Jahren erst ermöglicht, deshalb müsse die Debatte über die weitere Ausrichtung unter seiner Führung stattfinden. Ob der Parteichef seinen Posten behalten werde, ließ Bahr allerdings offen: „Klar ist: Es kann nicht so bleiben, wie es ist. Wir brauchen eine neue Aufstellung: inhaltlich, strategisch und personell.“

Auch Rösler forderte eine inhaltliche Neuorientierung seiner Partei. „Wir haben ein Glaubwürdigkeitsproblem. Das können wir nur beseitigen, wenn wir unsere liberalen Positionen klar definieren und sie überzeugend vertreten“, sagte er. Den von Lindner ausgegebenen radikalen Kursschwenk in der Atompolitik sieht Rösler aber offensichtlich skeptisch.

Uneinigkeit über Atomkurs

Lindner hatte am Dienstag die neue Linie vorgegeben, die FDP setze nun auf eine endgültige Stilllegung der acht abgeschalteten Kernkraftwerke und auf einen möglichst raschen Atomausstieg. Rösler stellte klar, dies sei lediglich ein „Vorschlag“ und „Diskussionspunkt“. Die Koalition habe sich schließlich ganz bewusst für ein dreimonatiges Moratorium entschieden, um die Sachlage neu bewerten zu können.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) stellte sich dagegen voll hinter Lindners Kurs und kündigte an, notfalls wolle sie dafür das Atomgesetz ändern. „Die acht älteren Kernkraftwerke dürfen nicht wieder ans Netz gehen“, sagte sie. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete, in der FDP gebe es Überlegungen, auf die Forderung nach Senkung der Einkommenssteuer in dieser Wahlperiode zu verzichten, um den beschleunigten Atomausstieg zu finanzieren. Wenn man mit den Energiekonzernen eine Vereinbarung treffen wolle, die Meiler nach Ablauf des Moratoriums nicht mehr anzufahren, müsse man ihnen finanziell entgegen kommen, hieß es demnach in Führungskreisen der Liberalen. Denkbar sei der Wegfall oder eine Ermäßigung der Brennelemente-Steuer.

Lindner wies den Bericht umgehend als falsch zurück. „Die FDP hält unverändert an einer Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen in dieser Legislaturperiode fest“, sagte er, „dafür haben wir die Courage zu einer strikten Haushaltsdisziplin.“