Nichts ist so aufregend wie Familie: Eine Auswahl an empfehlenswerter Filme und Serien. Foto: Fox, ABC/Prokino, Sony, WVG Medien

Vergesst Science-Fiction, Actionkracher und Fantasyspektakel. Aufregend geht es nicht nur in der Zukunft, auf Autobahnen oder in Märchenwelten zu, sondern auch im Kreis der Familie. Film- und Serienempfehlungen unserer Redaktion.

Auf den ersten Blick haben sie nicht viel gemeinsam – die Cartwrights, Waltons, Addams’, Carringtons, Ewings, Feuersteins, Bundys oder Simpsons. Und dennoch haben sie als Serienfamilien nicht nur Generationen vor die Fernsehgeräte gelockt, sondern auch nachhaltig die Vorstellung davon geprägt, was typische US-Familien ausmacht. Denn so unterschiedlich Serien wie „Bonanza“, „Dallas“ oder „Eine schrecklich nette Familie“ sind, so sehr propagieren sie doch das Ideal einer Familie, die in guten wie in schlechten Zeiten zusammenhält und die, aller unterschiedlichen Auffassungen zum Trotz, stets die Gemeinschaft sucht.

 

Neulich bei den Waltons

Die heile Welt der Baptistengroßfamilie von John-Boy Walton prägt mit ihrer Die-Familie-kommt-immer-zuerst-Ideologie noch heute die Produktionen der US-Unterhaltungsindustrie. Besonders um Weihnachten. Und an Thanksgiving, dem eigentlichen Heiligabend des Bilderbuchamerikas. Die Produzenten von Fernsehserien lieben es, Episoden, die rund ums Erntedankfest ausgestrahlt werden, mal als ironisches, mal als kitschiges, mal als gründlich danebengehendes Familienfest zu inszenieren.

„The Waltons“ Foto: imago/Mary Evans Archive Lorimar

Obwohl die Zahl der Single-Haushalte Jahr für Jahr drastisch zunimmt, junge Menschen immer früher von zu Hause ausziehen und der Kontakt zu Eltern und Großeltern häufig schon früh abbricht, sehnt sich das Fernsehen, aber auch das Kino in den USA zum Familienidyll früherer Zeiten zurück. Vor allem im Komödienfach. Spielfilmapologien auf die Großfamilie wie „Im Dutzend billiger“ mit Steve Martin oder „Deine, meine und unsere“ mit Dennis Quaid – beides Remakes von Erfolgsstoffen aus den 50er und 60erJahren – ignorieren jedenfalls konsequent gesellschaftlichen Wandel.

Familie als unerschöpflicher Erzählfundus

Auch die Ehemann-Stiefvater-Auseinandersetzungen, die Ben Stiller und Robert De Niro schon in „Meine Braut, ihr Vater und ich“ und „Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich“ geführt haben und die in „Meine Frau, ihre Kinder und ich“ fortgesetzt wurden, suggerieren, dass sich heutzutage erwachsene Menschen tatsächlich noch von ihren Eltern bei der Partnerwahl reinreden lassen. Der Familienmythos der US-Unterhaltung muss aber nicht unbedingt Ausdruck einer wertkonservativen,wenn nicht gar reaktionären Ideologie sein, sondern könnte einfach damit zu tun haben, dass die Familie einen unerschöpflichen Erzählfundus bereithält.

Man darf sich nicht die Sinne von fantastischen Spektakeln und Actionkrachern betäuben lassen, die lautstark auf sich aufmerksam machen. Wenn das Kino Stoffe sucht, die wirklich gefährlich, herzzerreißend, dramatisch, actiongeladen und spannend sein sollen, muss es die Zuschauer nicht in entlegene Galaxien, an die Krisenherde dieser Welt, an exotische Schauplätze entführen: Es reicht, die Kamera durch das Wohnzimmer eines Einfamilienhauses zu schwenken.

Patchwork-Familien-Kuddelmuddel

Im besten Fall wird dann die Familie zum sozialen Mikrokosmos, der das gesellschaftliche Ganze darzustellen in der Lage ist. Wie zum Beispiel in den Serien „Parenthood“ und „Modern Family“ mit ihren Patchworkfamilien, deren wunderbares Durcheinander an aufeinandertreffenden Lebensentwürfen dafür sorgt, dass ihnen eigentlich kein Thema dieser Welt fremd ist. Während bei „Modern Family“ Ed O’Neill, der einst in „Eine schrecklich nette Familie“ am liebsten auf der Couch Platz nahm, ein längst entmachtetes Familienoberhaupt mimte, musste in „Parenthood“ Lauren Graham, die zuvor bei den „Gilmore Girls“ im Dauerclinch mit ihren Eltern war, ins Haus ihrer Jugendzeit einziehen. Manche Familiengeschichten gehen auch nach Serienende weiter.

„Eine schrecklich nette Familie“ Foto: www.imago-images.de/United Archives / kpa Publicity

Die Familie ist zwar keineswegs nur Keimzelle des Komischen, sondern auch des Dramatischen. Sophokles’ prototypische Tragödie „König Ödipus“ ist das düsterste aller möglichen Familiendramen, wenn sie vom Sohn erzählt, der seinen Vater tötet und mit seiner Mutter Kinder zeugt. Hollywood wäre allerdings nicht Hollywood, wenn es nicht geschafft hätte, diesen Stoff komisch zu spiegeln und mit „Zurück in die Zukunft“ eine Art Gegenstück zu schaffen: Der Sohn muss sich nach einer Zeitreise zurück ins Jahr 1955 vor den sexuellen Avancen seiner künftigen Mutter erwehren und diese mit seinem Vater verkuppeln.

„Star Wars“ – eine Familienschmonzette?

„Welcome to the Rileys“ Foto: www.imago-images.de/Rights Managed via www.imago-images.de

Tatsächlich fällt auf, dass selbst in zahlreichen ambitionierten US-Kinodramen die Familie als Institution nicht angezweifelt wird. Selbst wenn sie längst disfunktional geworden ist wie in „Pippa Lee“ mit Robyn Wright und Keanu Reeves oder dunkle Geheimnisse birgt wie in „Zurück im Sommer“ mit Julia Roberts und Ryan Reynold oder nur zum Schein existiert wie im Ausreißerdrama „Welcome to the Rileys“ mit Kristen Stewart und James Gandolfini.

Als Mythos eines Zustands der Glückseligkeit bleibt die Familie unangetastet. Und bei genauerer Betrachtung erweist sich sogar die „Star Wars“-Saga als fantastisch aufgemotzte Familienschmonzette, die davon erzählt, wie sich zwei Geschwister wieder mit ihrem Vater versöhnen. (gun)


Fünf Filme übers Elternsein

1. Im Dutzend billiger

Hollywood liebt Großfamilien, sehnt sich in seinen Produktionen gerne zu den idyllischen früherer Zeiten zurück, als die Welt von Mama, Papa und Kind(ern) noch in Ordnung war. Vor allem Komödien propagieren gerne trotzig das Ideal der Familien, die in guten wie schlechten Zeiten zusammenhalten. Das gilt besonders für „Im Dutzend billiger“ aus dem Jahr 2003, ein Remake des gleichnamigen Films aus dem Jahr 1950. Konsequent wird der gesellschaftliche Wandel ignoriert, den es seit den 1950er Jahren gegeben hat. Weil Steve Martin aber Steve Martin ist, macht die turbulente Komödie dennoch Spaß – besonders wenn man sie als fantastisches Märchen betrachtet. (gun)

Im Dutzend Billiger. USA 2003. Ab 0. Regie: Shawn Levy. Mit Steve Martin, Hilary Duff, Bonnie Hunt. 95 Minuten. Im Abo bei Disney+ verfügbar.


2. L’immensità – Meine fantastische Mutter

Von außen betrachtet scheint alles perfekt zu sein. Familie Borghetti lebt in einem Neubaukomplex in Rom. Im obersten Stockwerk haben Clara (Penélope Cruz), Felice (Vincenzo Amato) und deren drei Kinder freien Blick auf den Petersdom. Doch der Schein trügt bei dieser Familie aus der gehobenen römischen Mittelschicht. Der italienische Filmemacher Emanuele Crialese zeichnet in „L’immensità – Meine fantastische Mutter“ das authentische Bild eines Italien der 1970er Jahre. Hier trifft eine bunte, freie Welt auf veraltete Familienmodelle, die es vor allem Frauen unmöglich machen auszubrechen. Noch immer geben die Männer den Ton an. Ähnlich wie die Kirche, deren Einfluss auf die Familien damals in vielen Zeichen durchscheint. (ijs)

L’immensità – Meine fantastische Mutter. Italien/Frankreich 2023. Regie: Emanuele Crialese. Mit Penélope Cruz, Luana Giuliani. 97 Minuten. Ab 12 Jahren. Als DVD, Kauf- und Leihvideo erhältlich.


3. Instant Family: Plötzlich Familie

Eltern ist man nicht, Eltern wird man. Eine Rolle, in die man hineinwächst. Diese Erfahrung machen auch Pete (Mark Wahlberg) und Ellie (Rose Byrne). Das Paar ist zwar beruflich erfolgreich jedoch kinderlos. Pete und Ellie entschließen sich dazu, ein Pflegekind aufzunehmen. Doch es kommt etwas anders als geplant: Das Pflegekind ist ein rebellischer Teenager und bringt gleich zwei jüngere Geschwister mit. Außerdem will die 15-jährige Lizzy ohnehin nur zu ihrer echten Mutter zurück, der neue geregelte Alltag überfordert ihre kleinen Geschwister. Und die frischgebackenen Eltern? Sie stoßen immer wieder an ihre Grenzen. Doch Momente wie das erste „Papa“ erlauben es nicht, dass sie aufgeben. Sie sind jetzt eine Familie. Nach einer wahren Geschichte. (dbw)

Instant Family: Plötzlich Familie. SA 2018. Ab 6. Regie: Sean Anders. Mit Mark Wahlberg, Rose Byrne. 119 Minuten. Bei Netflix im Abo verfügbar.


4. Kramer gegen Kramer

Der Scheidungskampf der Kramers hat 1979 die Gemüter bewegt wie zuvor allenfalls der „Krieg der Sterne“. Amerika und große Teile Europas schluchzten mit Dustin Hoffman, der als Filmvater das Sorgerecht für den sechsjährigen Sohn Billy verliert, um den er sich rührend kümmert, während die kühle Meryl Streep fern der Familie versucht, sich selbst zu finden. Vieles liegt hier über Kreuz: Das Emanzipatorische, dass Väter die besseren Mütter sein können, kontert ein männlicher Blick, der den Close Ups auf die schöne Rabenmutter ein egoistisches Zerrbild weiblicher Selbstverwirklichung unterlegt. Bei all diesen unversöhnlichen Widersprüchen steht am Ende, wenn sich die Aufzugtüren schließen, doch etwas wie Versöhnung im Raum. Immerhin. (kir)

Kramer gegen Kramer. USA 1979. Ab 6. Regie: Robert Benton. Mit Dustin Hoffman, Meryl Streep, Justin Henry. 100 Minuten. Im Abo beim Prime-Video-Channel Arthaus+ verfügbar.


5. Eine Wahnsinnsfamilie

Achtung, Mogelpackung! Hier soll es gar nicht wirklich nur um Ron Howards Film, aus dem Jahr 1989 gehen. Noch besser als die Komödie, die sich darum bemüht, das Auf und Ab im Leben ein weit verzweigten US-amerikanischen Durchschnittsfamilie möglichst authentisch zu zeigen, ist nämlich, die Serienfassung „Parenthood“ (2010-2015), die in sechs Staffeln ein wunderbar-melodramatisches Patchwork-Familienporträt ergibt. Serien scheinen sowieso besser als Kinofilme geeignet zu sein, chaotische Familienleben abzubilden. Seit Jahrzehnten dominieren die Cartwrights, Waltons, Carringtons, Ewings, Feuersteins, Bundys, Simpsons, Bravermans, Gilmores, Pritchetts und Dunphys das TV-Programm und prägen nachhaltig unser Familienbild. (gun)

Eine Wahnsinnsfamilie. USA, 1989. Ab 12. Regie: Ron Howard. Mit Steve Martin, Dianne Wiest. 119 Minuten. Als DVD sowie als Kauf- und Leihvideo erhältlich.