Das Verkehrsministerium will bei der Überwachung von geplanten Fahrverboten die Kennzeichen der Fahrzeuge nicht automatisch erfassen. Foto: dpa

Wie lassen sich mögliche Fahrverbote in Stuttgart kontrollieren? Im Verkehrsressort gibt es vage Überlegungen, Kennzeichen automatisch zu erfassen. Als sie bekanntwerden, rudert das Ressort zurück. Eine Steilvorlage für CDU, FDP und SPD ist das trotzdem.

Stuttgart - Kehrtwende im Hause von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne): Nach einem kritischen Medienbericht nimmt das Ressort Abstand von dem Gedanken, zur Überwachung von geplanten Fahrverboten für viele Diesel-Fahrzeuge automatisch Autokennzeichen zu erfassen. „Dieses Mittel wollen wir nicht einsetzen“, sagte ein Sprecher am Mittwoch.

Zuvor hatte das Ministerium einen Bericht der „Südwest Presse“ bestätigt, wonach es das Innenministerium gebeten habe, den Einsatz einer automatischen Kennzeichenerfassung zu prüfen. Bei dieser Prüfung könne allerdings auch herauskommen, dass der Einsatz des Systems zu diesem Zweck nicht möglich sei, hieß es am Morgen.

Am Dienstag hatte Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand der CDU „ausufernde Kontrollfantasien“ bei Maßnahmen zur inneren Sicherheit vorgeworfen. Anlass dazu war auch die Forderung von Innenminister Thomas Strobl (CDU) vom Wochenende, Daten aus der Lastwagenmaut zur Aufklärung schwerster Verbrechen zu nutzen.

Justizminister Guido Wolf (CDU) sagte dazu und mit Blick auf den Prüfauftrag zur automatischen Kennzeichenerfassung: „Dass auf Mautdaten selbst zur Aufklärung von Mordfällen nicht zurückgegriffen werden darf, das Verkehrsministerium aber den Einsatz automatischer Kennzeichenerfassungssysteme zur Durchsetzung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge prüft, hat mich überrascht.“

Hintergrund: An Tagen mit extrem hoher Luftbelastung soll es in Stuttgart ab 2018 Fahrverbote für Diesel geben, die die jüngste Abgasnorm Euro 6 nicht erfüllen. Die Kontrollen zur Einhaltung des Fahrverbotes gelten als schwierig, da dazu viel Personal nötig wäre.

Vorwurf: Die Grünen haben zum Datenschutz rein taktisches Verhältnis

Hermanns Sprecher erklärte, den Prüfauftrag gebe es nur deshalb, um für die Gerichtsverhandlung am 19. Juli gewappnet zu sein. Vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart geht es um eine Klage der Deutschen Umwelthilfe. Sie will den jüngsten Luftreinhalteplan für Stuttgart dahingehend überprüfen lassen, ob genug getan wird, die Belastung der Luft mit Stickoxiden so schnell wie möglich zu senken. Die EU-Grenzwerte werden in Stuttgart seit Jahren deutlich überschritten.

Die Opposition aus SPD und FDP, aber auch die mitregierende CDU hielten den Grünen vor, beim Thema Datenschutz mit zweierlei Maß zu messen. „Wenn es darum geht, zur Verhinderung oder Aufklärung von schwersten Verbrechen auf bereits erfasste Mautdaten, und dies erst nach richterlicher Genehmigung, zuzugreifen, stellen sich die Grünen quer und werfen uns Datensammelwahn vor“, sagte CDU-Verkehrsexpertin Nicole Razavi. „Im gleichen Atemzug aber wollen die Grünen zur Überwachung von Diesel-Fahrverboten alle Kfz-Kennzeichen in Stuttgart automatisch erfassen lassen - ohne irgendeine Genehmigung.“

SPD-Innenexperte Sascha Binder attestierte den Grünen ebenfalls ein zwiespältiges Verhältnis zur Verfassung, zum Datenschutz und zu den Bürgerrechten. Und die FDP teilte mit: „Die Grünen zeigen einmal mehr, dass sie zum Datenschutz ein rein taktisches Verhältnis haben.“