Die Färöer-Spieler feiern den Punktgewinn gegen Norwegen vor ihren enthusiastischen Fans. Foto: IMAGO/Maximilian Koch/IMAGO/Maximilian Koch

Viele Herzen haben sie schon gewonnen, jetzt kommt sogar noch ein Sensationspunkt gegen Norwegen hinzu. Turnierneuling Färöer-Inseln löst bei der EM in Berlin einen riesigen Handball-Hype aus. Was steckt hinter dieser Begeisterung?

Als Elias Ellefsen a Skipagotu nach einem 23:26-Rückstand mit der Schlusssirene den Siebenmeter zum 26:26-Endstand gegen Norwegen verwandelt hatte, gab es kein Halten mehr. Der Spielmacher der Färöer-Inseln sprintete mit der gesamten Mannschaft völlig losgelöst auf die Kurve ihrer Fans zu. Freudetrunken zerrten sie an dem Netz, das sie auf dem Weg zur Tribüne stoppte. Es war ein Feuerwerk der Emotionen, das nicht zu toppen war. Der Last-Minute-Held, der in der Bundesliga für den THW Kiel spielt, wusste ein paar Minuten später, bei wem er sich zu bedanken hatte: „Wir haben die besten Fans der Welt. Ohne diesen genialen Support wäre das alles nicht möglich.“

Es war der erste Punktgewinn der Färöer bei ihrem Debüt bei einem großen Turnier. Und vor dem abschließenden Vorrundenspiel am Montag (18 Uhr) gegen Polen bestehen sogar noch theoretische Chancen aufs Weiterkommen. Kein Wunder, dass Feierlichkeiten der über 5500 mitgereisten Fans in der Nacht zum Sonntag bis in die frühen Morgenstunden andauerten. Die Gastronomie rund um die Berliner Mercedes-Benz-Arena meldete jedenfalls erhöhte Umsätze.

Gemessen an der Gesamteinwohnerzahl der mitten im Nordatlantik zwischen Schottland, Island und Norwegen gelegenen Inselgruppe (circa 54 000 Einwohner), befinden sich aktuell über zehn Prozent der Färinger in Berlin. Wie kommt es zu diesem riesigen Hype? Asbjorn Nielsson Nattestad gilt als der verrückteste unter den verrückten Färöer-Fans und beginnt seine Erklärungen mit dem wohl entscheidenden Satz: „Wir sind einfach nur so unglaublich stolz auf unsere kleine Nation.“

Oberfan verkauft Möbel und Lampen

Der Name Färöer bedeutet wörtlich übersetzt zwar „Schafsinseln“. Doch der mit den Landesfarben weiß-blau-rot bemalte und mit Trommel ausgestattete Oberfan lebt nicht von der Schafzucht, er ist auch kein Fischer, der auf Walfang geht, er arbeitet in seinem normalen Leben in einem Warenhaus und verkauft Möbel und Lampen.

Er hat Urlaub genommen. Wie die meisten der restlichen Fan-Familie auch. Sie haben zwar alle das gleiche weiße Nationaltrikot an, ansonsten sind sie bunt gemischt. Kinder, Jugendliche, Omas, Opas, ganze Großfamilien feiern bei der Handball-Party ausgelassen mit. Tosender Jubel bei Toren und Paraden, Sprechchöre als Anfeuerungen, der „Hu“-Schlachtruf oder lautstarke Beschwerden bei strittigen Entscheidungen – sie können mit dem gesamten Repertoire aufwarten.

Zweitpopulärste Sportart im Land

Mittendrin ist ein Mann, der das Trikot mit dem Namen Mittun trägt. Es ist der Papa der beiden Nationalspieler Oli und Pauli Mittun. Auch er fiebert auf der Tribüne mit dem Rest der Familie mit. Wie er sich diese außergewöhnliche Leidenschaft erklärt? „Das Ganze hat sich hochgeschaukelt. Jeder ist unglaublich stolz und will beim ersten internationalen Auftritt unserer Mannschaft mit dabei sein. Einige unserer Fans aber sehen hier zum ersten Mal ein Handballspiel“, erklärt er. Handball ist hinter dem Fußball die zweitpopulärste Sportart in dem Land, in dem der Großteil der Einwohner in der Hauptstadt Torshavn lebt.

Dass so viele gute Talente hervorgebracht werden, liegt laut Papa Mittun auch an den flexiblen Trainingsmöglichkeiten für den Nachwuchs. „Bei uns sind die Sporthallen nicht geschlossen. Wenn die Kinder möchten, können sie immer, auch ohne Trainer Handball spielen.“ Seine Söhne Oli und Pauli tun dies bei IK Sävehof (Schweden) und beim Team Sydhavsöerne (Dänemark). Die Stars der Truppe aber sind die Bundesligaspieler Elias Ellefsen a Skipagotu (THW Kiel) und Hakun West Av Teigum (Füchse Berlin).

Kein IOC-Mitglied

Sie alle haben den Traum, bei dieser EM noch in die Hauptrunde einzuziehen und irgendwann einmal bei den Olympischen Spielen dabei zu sein. Das Problem: Den Färöer, die formal zu Dänemark gehören, aber autonom sind, fehlt die Mitgliedschaft im Internationalen Olympischen Komitee (IOC). „Wir arbeiten daran“, sagt Oberfan Asbjorn. Eine Bereicherung wären er und seine Mitstreiter allemal.