Österreichs Bundeskanzler Nehammer überrascht mit der Forderung, das Bargeld in die Verfassung aufzunehmen. Foto: screenshot/X/Twitter

Österreichs Kanzler Nehammer will das Recht auf Bargeld in der Verfassung verankern. Die EU-Kommission klärt den Regierungschef daraufhin über seine nicht vorhandenen Kompetenzen auf.

Die Österreicher hängen an ihrem Bargeld - mehr noch als die deutschen Nachbarn. Wer in einem typischen Wiener Kaffeehaus seinen Kleinen Braunen oder den Einspänner mit Karte bezahlen möchte, erntet vom Ober meist ein pikiertes Räuspern.

Karl Nehammer kennt diese große Liebe seiner Landleute. Und weil er nicht nur Bundeskanzler ist, sondern auch ein Mann des Volkes, forderte er nun für alle Österreicher „ein Recht auf Bargeld“. Dieses Recht will der konservative Politiker sogar in der Verfassung verankern. Für den notwendigen Druck soll eine „Taskforce Bargeld“ sorgen.

Die EU kämpft gegen Fake News

Dieser Vorstoß kommt allerdings überraschend, denn niemand möchte den Österreichern ihr Bargeld wegnehmen. Deshalb war die EU-Kommission sofort hellwach, als die Forderung aus dem fernen Wien nach Brüssel drang. Dort ist man allerdings inzwischen gewohnt, auf Fake News in Sachen Europäische Union zu reagieren. Und so meldete sich am Samstag Martin Selmayr, der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, zu Wort und rückte einige Dinge in Sachen Bargeld zurecht.

Zuerst klärte der EU-Beamte in aller Kühle und Präzision die Zuständigkeiten, die in diesem Fall eindeutig in Brüssel liegen. „Der Übertragung der Währungssouveränität auf die EU hat Österreich bei seinem Beitritt zur EU am 12.6.1994 per Volksabstimmung“ zugestimmt, schreibt er auf dem Kurznachrichtendienst X, der einmal Twitter hieß. Im Klartext: Karl Nehammer hat in diesem Fall nichts zu sagen.

Das Bargeld ist von der EU garantiert

Und: Seit 1999 garantiere das EU-Recht „das Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel“, es könne folglich gar nicht abgeschafft werden. Das sei sogar „vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) durch ein Urteil vom 26.1.2021“ bestätigt worden, betont Martin Selmayr. Ein „Fazit zur Bargeld-Diskussion“ könne also nur lauten, schreibt der EU-Vertreter nicht ohne Süffisanz, dass „nationale Regelungen inhaltlich zum Schutz des Euro-Bargeldes wenig Neues beitragen“.

Dann aber schlägt Martin Selmayr den Ball wohl mit einer gewissen Lust weit in das Spielfeld des aufbegehrenden österreichischen Bundeskanzlers. Denn es sei Aufgabe der Staaten dafür zu sorgen, dass den Menschen im Bedarfsfall genügend Bargeld zur Verfügung stehe. Die Regierungen und Parlamente hätten in Zusammenarbeit mit der Kreditwirtschaft dafür zu sorgen, dass eine flächendeckende Grundversorgung mit Geldautomaten gewährleistet sei.

Das Poltern der Rechtspopulisten der FPÖ

Nach dieser Lehrstunde aus Brüssel könnte die luftleere Forderung des österreichischen Bundeskanzlers eigentlich in den Tiefen des nachrichtlichen Sommerloches verschwinden, würde sich nicht die FPÖ polternd zu Wort melden. In einer Stellungnahme der offensichtlich zutiefst beleidigten Rechtspopulisten heißt es, dass die Partei in der Vergangenheit schon mehrere Male „Anträge zum Erhalt des Bargeldes und für dessen Schutz in der Verfassung eingebracht“ habe. Ob dem Kanzler dieser „Ideen-Diebstahl“ eigentlich „nicht peinlich“ sei, empört sich der FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl.

Ob die Koalitionspartner Karl Nehammers in den Bargeld-Vorstoß eingebunden waren, ist fraglich. Zumindest bei den Grünen herrscht offensichtlich eine gewisse Verärgerung. So spottet Rudi Anschober, ehemaliger Bundesminister für Soziales, auf Twitter: „Wer retten das Bargeld, ruft Nehammer, obwohl niemand das Bargeld verbieten will.“ Und der Grünen-Politiker fragt im selben Tweet, „für wie blöd“ der Kanzler eigentlich die eigene Bevölkerung halte.