Proteste gegen Steinigungen: Eine solche drohte einer jungen Afghanin, die daraufhin mit ihrer Schwester nach Europa floh und nun wieder abgeschoben werden sollte. Foto: dpa

Es musste erst zum Selbstmordversuch und einer Wiederaufnahme des Asylverfahrens kommen, doch nun steht fest: Eine 25-jährige Afghanin, die abgeschoben werden sollte, darf doch in Stuttgart bleiben.

Stuttgart - Roland Kugler ist erleichtert: „Ich muss ehrlich sagen, mir ist ein Stein vom Herzen gefallen.“ Der Stuttgarter Anwalt vertritt eine 25-jährige Afghanin, die in ihrer Heimat vermutlich verfolgt wird, und deren 15-jähriger Schwester. Aufgrund des europäischen Asylrechts, das durch das sogenannte Dublin-III-Abkommen geregelt ist, sollten die Schwestern über Holland in ihre Heimat abgeschoben werden, wie das Verwaltungsgericht entschieden hat. Das Gericht hat jedoch seine Meinung nach Kuglers Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens geändert: Die Flüchtlinge dürfen hier bleiben, das Bundesamt für Asyl und Flüchtlinge wird ein Asylverfahren einleiten.

Das Gericht hat dies nicht sofort gemacht, weil das Dublin-III-Abkommen vorschreibt, dass ein Flüchtling, der in der EU ankommt, nur in dem Land Asyl beantragen darf, in dem er zuerst den Boden betreten hat. Im Falle der mutmaßlich Verfolgten war dies Holland. Und dort wurde ein Asylantrag abgelehnt, weil die Frau angeblich aus Scham nicht genau genug geschildert hat, was ihr angeblich in Afghanistan zugestoßen ist: Vergewaltigung durch eine Gruppe Islamisten und anschließende Verurteilung zum Tod durch Steinigung wegen außerehelichem Geschlechtsverkehr durch ein inoffizielles Dorfgericht. In Deutschland erzählte sie Kugler ihre Leidensgeschichte – trotzdem wurde der erste Antrag auf Asyl vom Verwaltungsgericht Stuttgart aufgrund des Dublin-III-Abkommens abgelehnt. Nachdem Kugler nach einem Selbstmordversuch seiner Mandantin ein neues psychiatrisches Gutachten eingereicht hat, ließ sich die Justiz umstimmen. Ein reguläres Asylverfahren wird jetzt prüfen, ob die Schwestern ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland bekommen.