Laviert zwischen Ost und West: Recep Tayyip Erdogan. Foto: /

Der türkische Staatschef Erdogan wird zu einer Gefahr für den Frieden in Europa. Die EU muss ihm endlich Grenzen setzen, fordert Gerd Höhler.

Der jüngste Fortschrittsbericht der EU-Kommission zur Entwicklung in der Türkei ist ein Rückschrittsbericht. Ob bei den demokratischen Institutionen, der Meinungs- und Pressefreiheit, in der Justiz, im Kampf gegen die Korruption oder im Verhältnis zu den Nachbarn Syrien, Irak, Griechenland und Zypern: Überall verzeichnet das EU-Gutachten Verschlechterungen. Auch gegenüber Russland geht der türkische Staatschef Erdogan seinen eigenen Weg. Die Türkei ignoriert nicht nur die Sanktionen des Westens gegen Moskau. Türkische Unternehmen und Banken unterlaufen sie systematisch. Recep Tayyip Erdogan blockiert derweil in der Nato den Beitritt Schwedens und Finnlands – als Freundschaftsdienst für Wladimir Putin.

Migranten als Druckmittel

Der türkische Präsident gibt sich zwar als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine, aber beim jüngsten Treffen mit Putin in Astana war laut Aussage eines Kreml-Sprechers davon gar nicht die Rede. Stattdessen schlug Putin vor, die Türkei zu einem Knotenpunkt für russische Gaslieferungen nach Europa auszubauen. Erdogan gab seinen Behörden Anweisung, „unverzüglich“ mit der Planung zu beginnen.

Damit wäre Europa gleich von zwei unberechenbaren Autokraten abhängig, die am Gashahn drehen könnten. Erdogan hat bereits gezeigt, dass er bereit ist, Migranten als Druckmittel gegenüber der EU einzusetzen. Beim Gas wird er nicht zögern, es genauso zu machen. Während der Kremlchef seinen brutalen Krieg in der Ukraine mit Angriffen auf die Zivilbevölkerung fortsetzt, überzieht Erdogan den Nachbarn und Nato-Partner Griechenland fast täglich mit neuen Kriegsdrohungen. Der amerikanische Militärhistoriker und Türkei-Experte Ryan Gingeras hält das nicht für Gerede. Ein bewaffneter Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland sei „nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich“, schreibt er.

Keine U-Boote für die Türkei

Nach Putin wird Erdogan zu einer immer größeren Bedrohung für den Frieden in Europa. Die EU muss ihm endlich die rote Karte zeigen. Die Kopenhagener Kriterien, die für alle EU-Aspiranten gelten, erfüllt die Türkei schon lange nicht mehr. Sie hat damit ihren Status als Beitrittskandidat verwirkt. Die festgefahrenen Beitrittsverhandlungen müssen beendet, die Zollunion ausgesetzt werden. Wenn türkische Firmen und Banken die Russland-Sanktionen weiter umgehen, müssen sie selbst mit Strafmaßnahmen belegt werden. Auch Deutschland kann mehr tun, um den aggressiven Autokraten vom Bosporus zu stoppen. Angesichts der Kriegsdrohungen gegen das EU-Mitglied Griechenland sollte die Lieferung deutscher U-Boote an die Türkei unverzüglich gestoppt werden. Sie würden das Kräfteverhältnis im östlichen Mittelmeer unverhältnismäßig zugunsten der Türkei verschieben.