Die Regierung will die Versorgungssicherheit erhöhen. Nun gibt es eine milliardenschwere Einigung mit der Betreiberfirma, die Risiken aber trägt vor allem der Staat.
Belgien vollzieht den Ausstieg aus dem Atomausstieg. In Brüssel haben sich die Regierung und der Betreiber Engie auf die Modalitäten des Weiterbetriebes der Meiler Tihange 3 und Doel 4 für weitere zehn Jahre geeinigt. Heftig gestritten wurde bis zuletzt ums Geld. Nun sei eine ausgewogene Verteilung verabredet worden, heißt es am Donnerstag in einer Mitteilung von Engie. Beide Vertragspartner hätten sich auf „einen Pauschalbetrag für künftige Kosten im Zusammenhang mit der Entsorgung nuklearer Abfälle“ in Höhe von insgesamt 15 Milliarden geeinigt. Das ist allerdings nicht alles, denn zu diesem Betrag kommen die Kosten des Rückbaus der von Engie in Belgien betriebenen Kraftwerke. Wenn alles ohne Störungen abläuft, wird der Staat insgesamt 23 Milliarden Euro einplanen müssen.
Erleichterung bei der Politik in Brüssel
Energieministerin Tinne Van der Straeten begrüßte in einer Mitteilung eine „gute Einigung für alle Belgier: Wir bieten Sicherheit über die Kosten des Atommülls und über die Versorgung unseres Landes.“ In Belgien wird rund die Hälfte des Strombedarfes von Atommeilern gedeckt.
Der Atomausstieg wurde in Brüssel eigentlich schon 2003 gesetzlich festgelegt, doch die Debatte um das Thema zieht sich seit Jahren. Die Regierung hatte sich dann im vergangenen Frühjahr politisch darauf verständigt, die beiden jüngsten Reaktoren Tihange 3 und Doel 4 zehn Jahre länger laufen zu lassen. Damals hatte allerdings Engie noch abgewunken und erklärt, dass der Weiterbetrieb nach dem aktuellen Stand technisch nicht machbar sei. „Ein Weiterbetrieb steht bei uns nicht auf dem Programm“, sagte damals Kraftwerkschef Peter Moens. „In Sachen nukleare Sicherheit improvisiere ich nicht.“ Diese Haltung hat sich dann geändert, als die Regierung versprach, die Kosten für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle zu deckeln. Im Klartext heißt das, der Staat übernimmt alle finanziellen Risiken des Deals.
Kritik an belgischen „Pannenmeilern“
Die Kraftwerke Doel in der Nähe von Antwerpen und Tihange bei Lüttich gelten seit vielen Jahren als „Pannenmeiler“. In den Blöcken Tihange 2 und Doel 3 fanden Experten bereits im Jahr 2012 tausende Haarrisse in den Reaktordruckbehältern. Dennoch beschloss Belgien 2015 eine Laufzeitverlängerung bis 2025, ohne die Nachbarländer anzuhören und ohne die Umweltverträglichkeit zu prüfen - widerrechtlich, wie unter anderem der Europäische Gerichtshof urteilte.
Die Grünen sind in Erklärungsnot
Die Laufzeitverlängerung bringt nun die Grünen in Erklärungsnöte. Die Öko-Partei sitzt in Belgien mit in der Regierung und ausgerechnet die grüne Energieministerin Tinne Van der Straete musste die Einigung mit dem Betreiber Engie nun als Erfolg verkaufen. Bis jetzt konnte die Partei, deren Kampf gegen die Atomkraft zum unverwechselbaren Markenkern gehört, jede größere interne Debatte verhindern. Spekuliert wird nun allerdings, dass die Partei an einer ideologischen Neupositionierung nicht vorbeikommen werde.