Bundestainer Alfred Gislason und seine Spieler stehen gegen Frankreich vor ihrer bisher größten Herausforderung bei dieser EM. Foto: dpa/Sören Stache

Jetzt geht die EM für die deutschen Handballer erst so richtig los. Im Härtetest gegen Olympiasieger Frankreich steht am Dienstag weit mehr als der Gruppensieg auf dem Spiel, es geht schon um wichtige Punkte im Kampf ums Halbfinale.

Das souveräne 34:25 (18:13) im zweiten EM-Vorrundenspiel gegen Nordmazedonien war gerade eine halbe Stunde vorbei, da dröhnte aus den Katakomben passenderweise der Song „Viva Colonia“. Bundestrainer Alfred Gislason saß da gerade in der Pressekonferenz, hörte den Gassenhauer auch und musste schmunzeln. Das Ticket für Köln, den Spielort der Hauptrunde, ist schon vor dem Kracher an diesem Dienstag (20.30 Uhr/ARD) in der Berliner Mercedes-Benz-Arena gegen Frankreich fix gebucht. Während für den Rekordweltmeister und Olympiasieger das Weiterkommen rechnerisch noch nicht sicher ist (zwei Punkte und 23 Tore Vorsprung auf die Schweiz).

Gislason hält Ball flach

Was besser werden muss, um „Les Bleus“ zu bezwingen? „Alles“, antwortete Gislason kurz und knapp. Damit übertrieb er natürlich maßlos, denn sehr viel besser als etwa der überragende Juri Knorr (10/4 Tore) kann man nicht spielen. Doch Gislason ging es darum, auch den Ball flach zu halten. Nicht dass noch jemand auf die Idee kommt, die ersten beiden Kantersiege überzubewerten oder die Franzosen an ihrem enttäuschenden 26:26 gegen die Schweiz zu messen.

Schließlich geht es in diesem immens wichtigen Endspiel um den Gruppensieg darum, ohne Verlustpunkte in die Hauptrunde einzuziehen. Klar, dass der erfahrene Bundestrainer um Normalität bemüht ist. Doch das gestaltete sich am Montag gar nicht so einfach. Schon um 6.30 Uhr dröhnten die Hupkonzerte der Landwirte durch die Straßen Berlins, das Teamtraining wurde aufgrund der Bauern-Proteste kurzerhand von der Mercedes-Benz-Arena in eine Halle nahe des Hotels am Berliner Lützowufer verlegt.

Für Axel Kromer, Sportvorstand des Deutschen Handballbundes (DHB), geht das Turnier „jetzt erst richtig los“. Der gebürtige Ludwigsburger sieht die DHB-Auswahl, zumindest emotional, im Vorteil: „Wir haben das Publikum im Rücken, keinen Dämpfer zu verkraften wie die Franzosen, sondern sind mit viel Leichtigkeit, Spielfreude und 4:0 Punkten gestartet.“

Hupkonzert um 6.30 Uhr

Was ebenfalls Mut macht: die zweite Reihe mit den jungen Wilden hat gezeigt, dass auf sie Verlass ist. Keeper David Späth sprang für Andreas Wolff in die Bresche, Justus Fischer zeigte im Innenblock und am Kreis keine Scheu, sondern Klasse – und die Linkshänder Nils Lichtlein und Renars Uscins machten bei ihren Kurzeinsätzen ein passables Spiel. Doch das Duell mit Frankreich wird auf einem anderen Niveau über die Bühne gehen als die einseitigen ersten zwei Partien. „Jetzt wird sich zeigen, wie gut, wie reif, wie erwachsen wir sind“, sagte Spielmacher Knorr vor der Reifeprüfung.

Deshalb ist im deutschen Lager auch jeder heilfroh, dass wieder einer mit von der Partie sein wird, der seine Routine schon zig-Mal zum Wohl der Mannschaft eingebracht hat: Kai Häfner. Der vorübergehend abgereiste Linkshänder vom TVB Stuttgart wurde nach der Geburt seines zweiten Kindes Matti zum Teamtraining am Montagabend zurückerwartet. „Kai ist natürlich ein sehr wichtiger Spieler für uns“, sagte Gislason. Der 34-Jährige Europameister von 2017 könnte zum entscheidenden Faktor werden, um nach elf Jahren ohne Pflichtspielsieg gegen „Les Experts“ wieder einen Erfolg zu landen.