Fehlen in Mailand: der amtierende Europameister André Thieme auf Chakaria Foto: dpa/Friso Gentsch

An diesem Mittwoch beginnt die 37. Europameisterschaft der Springreiter. Ohne André Thieme, dafür aber mit einer klaren Vorgabe von Reit-Bundestrainer Otto Becker.

Rotterdam im Sommer 1957. Der Weltverband der Reiter begründet eine neue Ära: die erste EM im Springsport. Doch es droht ein Flop: Nur acht Aktive aus fünf Nationen nehmen teil. Hans Günter Winkler, der Olympiasieger von 1956, holt sich auf Halla und Sonnenglanz den allerersten EM-Titel. Später sagt er: „Ich war immer stolz, für Deutschland reiten zu dürfen! Aber wie sich unser Sport entwickeln würde, das hat ja damals niemand von uns geahnt.“

Genau 56 Jahre später rollen die modernen Spezialtransporter mit den millionenteuren Klassepferden nach Mailand, wo die 37. EM ansteht mit 87 Aktiven aus 24 Nationen – übrigens auf einem Grasplatz, nur einen Steinwurf entfernt vom legendären Fußballstadion San Siro. Bundestrainer Otto Becker verbreitet wie immer Zuversicht: „Wir wollen eine Medaille mit der Mannschaft. Schade nur, dass André Thieme seinen EM-Titel von 2021 nicht verteidigen kann.“

Chakaria ist leicht verletzt

Was den 48-jährigen Profi aus Plau am See betrifft, der vor zwei Jahren auf der Anlage von Ludger Beerbaum in Riesenbeck den 15. EM-Einzeltitel für Deutschland holen konnte – seine Fuchsstute Chakaria hat sich vergangene Woche im Training leicht verletzt, ihr Reiter und Besitzer will keinerlei Risiko eingehen: „Mein Ziel sind die Olympischen Spiele in Paris. Dem ordne ich alles unter. Die Gesundheit meines Pferdes geht vor.“

Also hat Otto Becker für die EM ein Quintett nominiert: „Marcus Ehning hat mit seinem Hengst Stargold zuletzt den Großen Preis von Aachen souverän gewonnen. Auf seine Ruhe und Erfahrung können wir nicht verzichten.“ Der 49-Jährige selbst sieht die Dinge wie immer zurückhaltend: „Wir zählen bei dieser EM nicht zu den Favoriten!“ Sodann steht Jana Wargers (31) mit ihrem von Ralf Pawlowski in Heidenheim gezüchteten Holsteiner Limbridge wieder im Aufgebot, die Neunte der WM im dänischen Herning vor einem Jahr.

Gerrit Nieberg (30) und sein Wallach Ben, die Sieger des Großen Preises von Aachen 2022, stehen in Mailand zum ersten Male in einer offiziellen Mannschaft. Der vor Kurzem sechzig gewordene Ludger Beerbaum stellt für die Generalprobe im Blick auf die Olympischen Spiele seine beiden besten Profis: Philipp Weishaupt (38) mit Zineday sowie den 33-jährigen Christian Kukuk auf Mumbai – Letzterer startet in Mailand als Einzelreiter, war bei der EM vor zwei Jahren im heimischen Riesenbeck Sechster, holte Silber mit der deutschen Mannschaft. Dem jungen Iren Eoin McMahon, ebenfalls bei ihm angestellt, gibt Beerbaum seine Schimmelstute Mila mit nach Mailand.

Die Konkurrenz scheint gewappnet

Und wer sind die schärfsten Konkurrenten? Für Großbritannien ist es Ben Maher, der Olympiasieger von Tokio 2021. Dazu der Niederländer Harrie Smolders sowie die beiden Franzosen Simon Delestre und Julien Epaillard. Nicht zu vergessen die zwei Schweizer Martin Fuchs und Steve Guerdat, Titelverteidiger mit ihrem Team. Weltmeister Henrik von Eckermann aus Schweden hat ein Handicap: Sein Spitzenpferd King Edward geht grundsätzlich ohne Hufeisen, doch bei dieser EM 2023 wird auf Gras geritten – ein enormes Risiko zu stürzen. Ein Jahr vor Paris will Eckermann nichts riskieren – er reitet die Stute Iliana.

Heftige Gewitter und Starkregen über Mailand überlagerten die Tage vor der EM. An diesem Mittwoch soll sich das Wetter in Norditalien beruhigen. Das Teamfinale steht am Freitag an, das Einzelfinale am Sonntag.