Stelldichein auf vier Kufen – auf den Böblinger Seen vergnügen sich die Schlittschuhläufer. Foto: factum/Granville

Dieser Winter ist ein Highlight für die StadtBöblingen: Nach fünfjähriger Pause sind die Seen wieder zugefroren und das Eis ist dick genug. Barbara Mischke von der Stadtverwaltung lässt es regelmäßig prüfen: Die Mühe lohnt sich, findet sie – als Bürgerservice.

Böblingen - Anders als Stuttgart wagt sich Böblingen aufs Eis: Nicht nur für den Oberen See, sondern auch für den Ganssee wurde das Betretungsverbot diese Woche aufgehoben. Täglich zwei Mal wird die Eisoberfläche kontrolliert. „So lange es geht, lassen wir die Seen offen“, sagt Barbara Mischke. Nach Ansicht der Leiterin der Abteilung Umwelt und Grünflächen im Rathaus hat das Eisvergnügen in Böblingen einfach Tradition.

Frau Mischke, hat die Pracht bald ein Ende? Es soll wärmer werden . . .
Es gelten weiterhin die 15 Zentimeter als Maßstab. So lange wir diese Eisdicke haben und das Eis nicht brüchig wird, darf man die Seen betreten. So lange es geht, lassen wir sie offen. Mitarbeiter der Abteilung Grünflächen und Umwelt laufen zwei Mal am Tag über die Seen und kontrollieren das Eis. Mit der Zeit können sich zum Beispiel Risse bilden, die die Belastbarkeit einschränken. Wenn das Eis trüb wird, ist auch Vorsicht geboten. Das passiert, wenn es wärmer wird. Wir hatten in der Vergangenheit schon Warmwettereinbrüche – und dann wird die Tragfähigkeit der Eisdecke innerhalb von Stunden beeinträchtigt.
Was könnte denn passieren, wenn man einbricht? Sind die Seen so tief?
Wenn man unter das Eisdecke gerät, ist es vollkommen egal, ob das Wasser nur 50 Zentimeter oder zwei Meter tief ist. Da gerät man in Panik und reagiert nicht mehr logisch. Man kann in einem Gartenteich ertrinken. Deshalb sollte man vor allem am Rand aufpassen und nicht in die Schilfbereiche gehen. Wir haben diese Bereiche abgesperrt.
Warum traut sich Böblingen, die Seen freizugeben? Stuttgart und Tübingen sparen sich diese Verantwortung.
Wir wollen unseren Bürgern das winterliche Eisvergnügen bieten und halten sie damit davon ab, auf gefährliche Seen zu gehen, die nicht überwacht werden. Wir kanalisieren damit das Risiko. Das ist ein Bürgerservice. In Böblingen freut man sich über diese besondere Atmosphäre, wenn im Winter die Seen zufrieren. Das hat schon Tradition. Auch ganz früher, als das Gelände noch Sumpfgebiet war, gab es hier Eislaufmöglichkeiten. Auf den Seen wimmelt es manchmal nur so von Menschen. Es wird auch dieses Jahr wieder hervorragend angenommen. Die Leute lieben es und sind begeistert. Sie machen sich einen großen Spaß, zum Beispiel mit Eisstockschießen und Eishockey. „Böblingen ist die coolste Stadt“, hat jemand im Internet geschrieben. Zumal wir abends Flutlichtbeleuchtung haben und ein Wirt verkauft Glühwein und Gulaschsuppe.
Wird der Winter 2016/17 in die Geschichte eingehen?
Dieser Winter ist für Böblingen auf jeden Fall ein Highlight. Und dieser Januar ist seit Jahrzehnten der kälteste. Ich bin seit 1999 bei der Stadtverwaltung und habe es seither etwa fünf Mal erlebt, dass die Seen zugefroren sind und wir sie freigeben konnten. Früher waren solche Temperaturen noch Normalität: Die Brauerei hat am Oberen See immer Eis für ihren Kühlkeller gebrochen. Aber die Winter der jüngeren Vergangenheit waren sehr warm, fünf Jahre lang hatten wir ja Pause auf den Seen.
Vielleicht sind die Menschen deshalb so begeistert, weil wieder richtig Winter ist?
Das kann schon sein. Als ich eine Kindergartengruppe auf dem Eis gesehen habe, habe ich auch gedacht: Da sind Kinder dabei, die das noch gar nie erlebt haben, dass die Seen zugefroren sind.
Angesichts des Klimawandels werden solche Erlebnisse wohl noch seltener.
Das ist schwierig zu sagen. man kann das Wetter gar nicht kalkulieren. Nach den letzten beiden Wintern dachte jeder: Das ist der Klimawandel. Und nun erleben wir, dass es auch anders geht. Man kann es einfach nicht vorhersagen. Außerdem hatten wir diesen Winter Glück, weil es nicht nur kalt war, sondern dazu wenig geschneit hat. In einem früheren Winter konnten wir vor lauter Schnee das Eis nicht freigeben. Der Schnee war wie eine Wärmeisolierung, so dass der Frost gar nicht beim Eis ankam und es keinen Zuwachs gab.
Und wie sind Sie zur Expertin für Eisanalyse geworden?
Ich bin schon so lange dabei, dass viel Erfahrung mitspielt.
Haben Sie noch Tipps für besonders ängstliche Eisläufer?
Man kann das Eis testen: Wenn man mit dem Hammer drauf schlägt und es nicht mehr dröhnt, sondern dumpf klingt, lässt die Qualität nach. Und wenn es knackt, wird es höchste Zeit, den See zu verlassen.