Andrea Laux engagiert sich seit knapp 30 Jahren ehrenamtlich für Alleinerziehende in Stuttgart. Foto: Lichtgut / Ines Rudel

Weniger Freizeit, keine Bezahlung. Warum sollen sich Menschen ehrenamtlich engagieren? Vier Stuttgarterin, die’s tun, haben festgestellt, dass ihr Einsatz auch ihnen selbst etwas gibt.

Stuttgart - Die Jüngste ist 22, die Älteste 67. Eingeladen hat die vier Frauen der Arbeitskreis „Frau und Alter Stuttgart“ und die Abteilung für Chancengleichheit für Frauen und Männer. Das Motto der Runde im Rathaus: „weiblich – bewegt – mutig“. Vor Publikum über ihr Engagement zu reden, ist eigentlich nicht ihr Ding. Sie packen es lieber an. Weil andere durch ihre Erfahrungen bestärkt werden, könnten, es ihnen gleich zu tun, sprechen sie aber doch über ihre Ehrenämter

„Es macht mir Spaß, und ich bekomme viel durch meine Arbeit im Pflegeheim“, sagt Sieglinde Rohrberg. Sie ist die Älteste auf dem Podium, wollte Krankenschwester werden, musste aber das elterliche Geschäft übernehmen. Am Ende ihres Arbeitslebens stellte sie fest: Nur zu Hause sein reicht ihr nicht. 25 Stunden pro Woche besucht sie Menschen im Heim. „Angehörigen haben dafür ja oft keine Zeit“, sagt sie. Ein Lächeln, ein schwache Händedruck ist ihr Dank genug.

Professionalisierung als Gefahr

Bundesverdienstkreuzträgerin Andrea Laux sieht eine Gefahr in der Professionalisierung des Ehrenamts . „Darunter leidet die Lebendigkeit“, so ihre Erfahrung. Sie setzt sich für Alleinerziehende ein und fordert die Einbeziehung der Männer. „Dabei muss vor allem die Wirtschaft mitmachen“, sagt sie und stellt fest, dass viel Väter gern die Elternzeit nutzen möchten. „Theoretisch geht das. In der Praxis ist das häufig unmöglich.“

Anette Siebert-Steeb ist das Engagement sozusagen in die Wiege gelegt. Die Eltern, der Onkel und Großvater waren Zahnmediziner, haben Arme oft zum Nulltarif behandelt. Obwohl Arbeitsaufwand und Verdienst in keinem Verhältnis zueinander stehen, hat sie eine Zusatzausbildung in Alterszahnmedizin gemacht.

Ihre Vermutung, warum die junge Generation sich wenig ehrenamtlich für alte Menschen einsetzt: „Oma und Opa leben nicht in den Familien.Die Jungen kennen keine alten Menschen und haben Angst vor der Konfrontation mit dem Vergehen.“

"Mit dem Ehrenamt weiterentwickeln"

Vanessa Fritz ist mit 21 die Jüngste, engagiert sich für Jugendliche. Auf die Frage, wie man die Jugend fürs Ehrenamt begeistern kann, hat sie eine klare Antwort: „Man muss uns klarmachen, dass wir uns dadurch weiterentwickeln können.“ Sie sieht ein großes Potenzial bei Jugendlichen, die nicht mit dem goldenen Löffel im Mund geboren sind: „Wenn die sehen, dass ihr Engagement Erfolg hat, machen die was.“

Die fünfte in der Runde sollte Selma Sen sein. Sie konnte nicht kommen, da sie zu ihrem kranken Vater in die Türkei musste. Die 65-Jährige kam 1972 aus der Türkei nach Stuttgart. 1991 war sie an der Gründung des türkischen Frauenvereins beteiligt, dessen Vorsitzende sie ist. „Mir geht es vor allem um ein harmonisches und friedliches miteinander von Deutschen und Türken“, erklärte sie auf Nachfrage per Telefon.

Infos über ehrenamtliches Engagement: www.stuttgart.de/freiwilligenagentur

Einsatz für Demenzkranke

Sieglinde Rohrberg engagiert sich seit elf Jahren ehrenamtlich in der Wohnanlage Am Lindenbachsee in Weilimdorf für pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Demenz. „Auf die Aufgabe habe ich mich durch Kurse vorbereitet“ sagt die 67-Jährige Rentnerin.

Mit einem Kioskwagen kommt sie einmal pro Woche ins Pflegeheim, um den Bewohnern die Möglichkeit zu geben, selbstständig einzukaufen. Sie hat eine Abendrunde ins Leben gerufen, bei der die Senioren sich untereinander austauschen. Schwerst Demenzkranken hilft sie, Erinnerungen zu wecken.

Einsatz für Alleinerziehende

Andrea Laux setzt sich seit 29 Jahren für alleinerziehende Mütter und Familien ein. „Auslöser war meine Ratlosigkeit als Alleinerziehende“, sagt die 54-jährige Geschäftsführerin des Eltern-Kind-Zentrums Stuttgart-West.

Laux ist Mitbegründerin des Mehrgenerationenhauses Stuttgart-West. Sie ist an der Gründung von Mütter- und Familienzentren im Südwesten beteiligt. Im Jahr 2000 wurde ein internationales Mütterzentrum gegründet, dessen Vorsitzende sie ist. Ihr derzeit wichtigstes Projekt: Die Zusammenarbeit mit Roma-Müttern und -Großmüttern auf dem Balkan.

Ansprechpartnerin für Junge

Vanessa Fritz hat sich bereits mit 13 Jahren als Leiterin einer Jungschargruppe im Stuttgarter Stadtteil Münster engagiert. Die erst 22-jährige Studentin war viele Jahre Betreuerin im Otto-Riethmüller Waldheim im Hallschlag. 2009 leitete sie selbst Waldheim-Gruppen und sie gehörte 2011 und 2012 dem Leitungsgremium des Waldheims an.

Seit Beginn ihres Einsatzes für Jugendliche setzt sie sich als Botschafterin für die Aktion „Mitmachen Ehrensache“ ein. Bei diesem Projekt geht es darum, Jugendliche dafür zu gewinnen, dass sie einen Tag für einen guten Zweck jobben.

Medizinische Hilfe für Arme

Annette Siebert-Steeb übernimmt während der Vesperkirche in der Leonhardskirche ehrenamtlich die zahnmedizinische Beratung und Versorgung der Vesperkirchenbesucher mit wenig Geld. Seit 2012 ist die Zahnärztin Senioren- und Behindertenbeauftragte der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg.

Als solche ist die 37-Jährige Ansprechpartnerin für Pflegeheime, Pflegedienste und Privatpersonen, die Angehörige oder Bekannte zu Hause pflegen. Außerdem versorgt sie zahnmedizinisch Menschen, die den Weg in die Praxis nicht mehr schaffen, zu Hause oder im Heim.