Ausnahmezustand auf dem Immobilienmarkt: In den Großstädten konkurrieren immer mehr Kapitalanleger mit Selbstnutzern. Foto: dpa

Der Traum vom Eigenheim ist kaum noch zu haben – zu groß ist die Konkurrenz.

Stuttgart - Immer mehr Bürger legen aus Angst vor der Schuldenkrise ihr Geld in Immobilien an. Dabei greifen auch Investoren aus dem Ausland häufiger zu. Das Nachsehen haben oft junge Familien, die für sich selbst eine Wohnung suchen.

Als Maik (36) und Petra Schubert* (32) vor drei Jahren erstmals eine Immobilie suchten, hatten sie das Wichtigste in der Hinterhand: Geld. 150.000 Euro Jahreseinkommen, dazu 200.000 Euro Zuschuss der Eltern. Das sollte als Startkapital für eine Vierzimmerwohnung mit Gartenmitnutzung in bester Stuttgarter Lage doch reichen. Eine halbe Million setzten sie als Obergrenze. Was folgte, waren ein Marathon aus Internet- und Zeitungsanzeigen und die Auswertung sämtlicher Maklerlisten. Schnell weiteten sie die Suche auf fast alle Stadtteile aus. Was zu besichtigen war, schauten sie sich an. Um dann oft vor überteuerten Immobilien zu stehen, deren vom Makler gepriesene Vorzüge der Lärm der Hauptstraße schluckte.

"Das war frustrierend. Familienfreundlich ist diese Stadt nun wirklich nicht", sagt Petra Schubert. "Viele Wohnungen gingen nur unter der Hand weg." Am Ende kamen sie durch Zufall zu ihrer neuen Bleibe: Weil ein Käufer kurzfristig absprang, sagten sie schnell zu. Drei Wochen nach der Besichtigung war der Kaufvertrag geschlossen - vier Zimmer, 700.000 Euro. "Zugespitzt hat der Makler gesagt: Nimm es, oder es bekommt jemand anderes."

Im Immobilienmarkt sind zurzeit die Anbieter am Drücker. Wenn sie überhaupt noch etwas im Angebot haben. Der Markt sei wie leer gefegt, das beklagen viele von ihnen. Vor allem die kleinen Makler haben kaum noch etwas im Angebot. Bei den Kunden besonders begehrt ist das Einfamilienhaus zum Selberwohnen, schöne Lage, fairer Preis. Oder Grundstücke. Leider beides kaum zu haben. "Selbst Grundstücke mit unattraktiven Immobilien erzielen hohe Preise", sagt Stephan-Andreas Philipp von Engel & Völkers Stuttgart. Notfalls lasse man es abreißen und baue neu.

In den Ballungsräumen wie Hamburg, München, Berlin, Frankfurt und Stuttgart ist die Konkurrenz am größten. Denn der Trend geht eindeutig in die großen Städte, das Häuschen im Grünen ist derzeit kaum angesagt. "Eine gute Infrastruktur ist noch wichtiger als früher", sagt Hans Moser von Garant Immobilien in Stuttgart. "Man will nicht jeden Morgen auf der Bundesstraße im Stau stehen. Auch Energiesparen ist ein großes Thema."

Die Folge sind steigende Preise.

Doch ausgerechnet in den Ballungsräumen werden noch viel zu wenige Wohnungen gebaut. Der Verband Bauwirtschaft Baden-Württemberg verweist auf Studien, nach denen bis 2025 ein Bedarf von mehr als einer Million neuer Wohnungen bestehe - das wäre ein Jahresmittel von mindestens 70.000 neuer Wohnungen. Zwar legte im Südwesten der Wohnungsbau in der ersten Jahreshälfte um 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu - doch auch die 24.000 Immobilien, die neu hinzukamen, lindern den Wohnungsengpass kaum. Was auch die Makler beklagen. Denn wer schon ein Haus besitze, trenne sich derzeit höchst ungern davon. Wer nicht umziehen müsse, erbe, sich scheiden lasse oder einen Alterswohnsitz suche, warte ab - aus Angst vor einer steigenden Inflation. "Die fragen sich, ob es mit der Wirtschaft im nächsten Jahr so gut gehen wird", heißt es bei Engel & Völkers.

Die Folge sind steigende Preise. Beispiel Lechler Immobilien. Dort gingen sie in den vergangenen drei Jahren zwischen fünf und 20 Prozent nach oben - am steilsten war die Kurve im Premiumbereich. Das Nachsehen haben oft junge Familien, Senioren und Geringverdiener.

Und sie bekommen noch zusätzlich von Kapitalanlegern Konkurrenz: Seit der Schuldenkrise suchen immer mehr nach einem sicheren Hafen für ihr Geld. Die Zahl der privaten Kapitalanleger sei bei ihnen um ein Zehnfaches gestiegen, heißt es bei Lechler Immobilien - allerdings von einem einstelligen Niveau aus. Zusätzlich heizt die geplante Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf Immobilien von 3,5 auf 5 Prozent den Markt an. "Da wollen viele noch schnell zu Potte kommen."

Doch auch Versicherungen und Pensionsfonds kaufen immer häufiger ein, sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Der deutsche Immobilienmarkt gelte als stabil und hat sich nicht so überhitzt wie in vielen anderen Ländern. Außerdem habe er sich in der Finanzkrise bewährt.

Das weiß man auch im Ausland. Von dort fragen immer mehr Kapitalanleger an, heißt es aus Maklerkreisen. Man spricht nicht immer gerne darüber, weil man die Kunden vor Ort nicht vergrätzen möchte. Aus der Schweiz kommen viele und auch aus Griechenland. Migranten, die in ihr Heimatland zurückgekehrt seien, kauften seit der Schuldenkrise in Deutschland ein - als Anlage oder für ihre Kinder.

Ob deshalb die Preise weiter steigen, darüber ist man sich in der Branche uneins. Die Rahmenbedingungen für den Hauskauf seien noch immer gut, die Zinsen noch niedrig. "Ich erwarte, dass die Preise noch spürbar ansteigen", sagt Immobilienexperte Voigtländer. Und ein Makler von Lechler Immobilien sagt: "Wer jetzt nicht gekauft hat, wird auch noch in drei Jahren suchen. Es wird nicht besser."

Was nach Wunschdenken der Branche klingt, ist vielleicht bald Realität. Der Wettlauf zwischen Selbstnutzern und Anlegern freut jedenfalls die Branche. Die Schuberts sind eher froh, dass der Wettlauf für sie zu Ende ist. Sie haben zwar nicht ihre Traumwohnung, sich dafür aber eingelebt. Dafür ist es Hanglage, Erdgeschoss. Den ersten Stock hätten sie sich schon nicht mehr leisten können. Inzwischen haben sie ein sieben Monate altes Kind. Spaßeshalber gucke sie noch nach Immobilien, sagt Petra Schubert. Im vergangenen halben Jahr habe sie nichts gefunden, was sie interessiert hätte.

*Namen geändert