Im Notfall muss man auch Betonröhren durchsägen können Foto: factum/Weise

Ein Syrer, der Betonröhren durchsägt, Somalier beim Ausleuchten einer Unfallstelle: So übten die Freiwilligen des Technischen Hilfswerks am Wochenende in Neuhausen. Mit dabei: Viele Flüchtlinge aus Asylheimen.

Neuhausen - Auf den Fildern bei Neuhausen hat das Technische Hilfswerk (THW) seine Bundesschule angesiedelt. Am vergangenen Samstag geschah dort zunächst nichts Ungewohntes: Ein halbes Dutzend Männer in blauer Einsatzmontur und gelben Helmen steht im Kreis um ein Stativ herum. Ein Leuchtstrahler ist daran befestigt. Die Aufgabe: Eine fiktive Einsatzstelle soll beleuchtet werden. Das Besondere: Die Gruppe besteht aus Flüchtlingen und Migranten.

Das THW möchte sie als Ehrenamtshelfer gewinnen und zeigte ihnen zwei Tage lang, wie vielfältig die Einsatzmöglichkeiten innerhalb des Technischen Hilfswerks sind. Ausbilder Kai Gorski erteilt Anweisungen, erklärt, was als nächstes zu tun ist. Er spricht Deutsch, wechselt ab und zu ins Englische. Aufmerksam hört die Gruppe zu. Manche sind schon länger dabei und können schon ganz gut Deutsch, andere brauchen noch Hilfe. Langsam steigt der Scheinwerfer nach oben, die Flüchtlinge klopfen Erdanker in den Rasen, um ihn zu befestigen. „I speak ein bisschen German“, sagt Nasir, der im Ortsverband Datteln (Nordrhein-Westfalen) aktiv ist. Er kam letztes Jahr von Somalia nach Deutschland. Auf das THW machte ihn ein Freund beim Fußballspielen aufmerksam. Die technischen Herausforderungen hätten ihn von Anfang an interessiert, sagt er. Bei einer Übung auf dem Fluss habe er gelernt, wie man Menschenleben rettet. Auch Xeraale ist Somalier.

Deutsche und Flüchtlinge in einer Arbeitsgruppe

Weiter im Parcours: Wieder steht eine kleine Gruppe zusammen. Rauch und Staub steigt auf, die Flüchtlinge tragen Atemmasken und Ohrenschutz. „Okay, Vollgas!“ ruft der Übungsleiter. Amer aus Syrien setzt an, führt den röhrenden Motortrennschleifer konzentriert durch eine von zahlreichen aufgestapelten Betonröhren.

Im Innenbereich der Bundesschule rauchen zeitgleich die Köpfe bei einem Workshop zum Thema Integration. Unzählige Klebezettel hängen quer auf Stellwänden verteilt. „Deutsch lernen“, „Unterstützung gewähren“ oder „Lernen durch Miteinander“ steht auf ihnen. In Kleingruppen diskutieren Ehrenamtliche aus verschiedenen Ortsverbänden lebhaft miteinander. An einem Tisch tragen alle zusammen, was ihnen zum Thema „Unterlagen“ einfällt. An einem anderen geht es um kulturelle Differenzen: „Wir brauchen Mediatoren“, fordert ein Ehrenamtlicher.

Ablenkung von der Sammelunterkunft

„Der Sinn und das Ziel dieses Projekts ist die Integration von Migranten und Flüchtlingen ins deutsche System. Zu diesem System gehört das ehrenamtliche Engagement“ sagt Gerd Friedsam, THW-Vizepräsident. Das THW ist eine zu 99 Prozent von Ehrenamt getragene Hilfsorganisation und deshalb stark auf Freiwillige angewiesen. Bei der Integration der Flüchtlinge dürften keine Mühen gescheut werden. „In letzter Zeit haben wir in Ortsverbänden geworben, wir sprechen aber auch Ausländerbehörden an. Die Resonanz war überwältigend“, so Friedsam. Deutlich mehr Flüchtlinge, als angemeldet, sind gekommen.

Georgia Pfleiderer, stellvertretende THW-Pressesprecherin, bestätigt das. In ihrem Ortsverband Sinzig (Rheinland-Pfalz) hätten sich zehn Flüchtlinge zur Informationsveranstaltung angemeldet, gekommen seien aber 35. „Davon sind drei Syrer mittlerweile fest engagiert“, sagt Pfleiderer. Neben dem Interesse am THW sei ein Tapetenwechsel vom Alltag in den Flüchtlingsunterkünften ein Motiv, sich zu engagieren, so Pfleiderer: „Die Menschen sehnen sich natürlich nach Abwechslung.“ Und vielleicht ist das, was sie lernen, auch in ihrer Heimat eines Tages gefragt.