Gewerkschafter fordern mehr Arbeitsplätze in Zukunftstechniken – Land: Forschungsergebnisse müssen auch umgesetzt werden.
Stuttgart - Obwohl sie aus weniger Teilen bestehen, können Elektroautos der deutschen Fahrzeugindustrie rund 20 Prozent zusätzliche Jobs bescheren – das haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts im Auftrag Daimlers herausgefunden. Allerdings bedarf es dafür frühzeitiger Weichenstellungen, sagte Erich Klemm, Gesamtbetriebsratschef von Daimler, auf einem Kongress über Elektromobilität und Beschäftigung. „Wenn wir die Technik in China zukaufen, dann nützt das der Region und den Beschäftigten hier nichts.“ Bereits 20 bis 30 neue Arbeitsplätze in Zukunftstechnologien seien deshalb ein Erfolg.
Einer, auf den die Arbeitnehmervertreter bei Daimler noch warten: Bisher kauft der Stuttgarter Konzern Klemm zufolge Techniken rund um die Elektromobilität zu großen Teilen zu oder geht Partnerschaften ein. Die Wissenschaftler in der Studie stützen ihre Arbeitsplatzprognosen allerdings auf die Annahme, dass Autobauer bei alternativen Antriebstechniken künftig mehr als doppelt so viel selbst herstellen wie heute beim Verbrennungsmotor.
Ob dies so kommt oder stattdessen Zulieferer beispielsweise Brennstoffzellensysteme für eine Vielzahl von Herstellern produzieren, darüber lässt sich nur spekulieren. Laut Rolf Bulander, Vorsitzender des Bereichsvorstands Gasoline Systems beim Elektronikkonzern Bosch, sind die Karten in der Elektromobilität noch lange nicht verteilt. Derzeit mache jedes Unternehmen möglichst viel selbst oder mit Partnern, danach beginne eine Konsolidierung, und erst in einer dritten Phase entscheide sich, wer in der Elektromobilität führend sei und andere mit standardisierten und bezahlbaren Teilen beliefern könne. Bulander: „Bosch tut alles, um in Phase drei zu kommen und die Elektromobilität auch wirklich zum Fliegen zu bringen.“ Dass neue Antriebe vom reinen E-Auto bis zum Hybriden zusätzliches Geschäft bescheren, steht für den Manager außer Frage. Denn baut man ein herkömmliches Fahrzeug zu einem E-Mobil um, wird es um 45 Prozent teurer. Das bedeutet mehr Wertschöpfung, die verteilt werden kann.
Dagegen werden Mitarbeiter in den Kfz-Werkstätten voraussichtlich weniger zu tun bekommen. Laut einer Untersuchung des Instituts für Automobilwirtschaft in Nürtingen sinkt der Arbeitsaufwand bei Elektromobilen verglichen mit Benzinern und Dieseln um etwa zehn Prozent, weil E-Autos weniger Verschleißteile besitzen. „Ihre Käufer müssen sehr viel weniger Geld für Wartung und Reparatur ausgeben als bei konventionellen Fahrzeugen“, sagte Institutsleiter Willi Diez. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass auch zehn Prozent weniger Arbeitsplätze gebraucht würden.
Damit irgendwann eine relevante Zahl an E-Autos auf den Straßen fährt, sind alle Akteure gefordert. „Wir müssen die Ergebnisse aus den Forschungsabteilungen in die Produktion bringen“, forderte Franz Loogen, Geschäftsführer der Landesagentur E-Mobil BW. „Sonst überholen uns andere.“ Dazu gehöre auch der Anspruch, im Südwesten eine Batteriefertigung aufzubauen. Wirtschaftsminister Nils Schmid bestätigte: „Zukünftige Fahrzeugmodelle sollen hier am Standort erforscht, entwickelt und produziert werden.“
Damit sie auch gekauft werden, plädiert IG-Metall-Landeschef Jörg Hofmann für Erleichterungen bei der Kfz-Steuer oder eine Besserstellung bei der Besteuerung von Elektro-Dienstwagen. „Das ist morgen regelbar.“ Kaufprämien für die Kunden sieht Hofmann skeptisch – diese würden bisher eher ausländischen denn deutschen Autobauern zugutekommen.