Said El-Mahdi behält die Kapuze lieber auf, denn erst ist nur geduldet. Foto: Heinz Heiss

Ein junger Marokkaner wird als Jugendlicher jahrelang geduldet – und muss nun doch bangen.

S-Mitte - Said El-Mahdi fällt es schwer, über die vergangene Jahre zu sprechen. Angst steht in seinem Gesicht, und er will auch nicht, dass sein eigentlicher Name in der Zeitung steht. Der 18-jährige Marokkaner hat ein Ziel: Er will in Deutschland bleiben, eine Ausbildung machen und eine Familie gründen. Doch die Zeichen dafür stehen schlecht.

Was hinter ihm liegt, sind schon drei Jahre der Duldung. Als gerade mal 15-Jähriger hat er sich allein und ohne Familie auf die Flucht gemacht. Von Marokko aus ging es mit dem Schiff über das Meer, von Spanien kam er nach Frankreich und blieb zwei Monate lang in Italien. Schließlich ist er in Stuttgart gelandet – in einem Heim für minderjährige Flüchtlinge in der Nähe der Staatsgalerie. Mehr möchte der junge Mann über seine Odyssee durch Europa nicht erzählen. Er hat offensichtlich Angst, mehr als unbedingt nötig preiszugeben.

Der Härtefallantrag bringt Aufschub

Seine Eltern? „Tot“, meint er knapp. Er habe nur zwei Geschwister und eine Stiefmutter. Wo er genau herkommt? „Eine kleine Stadt“, ist die Antwort. Wohl eine Stunde vom Meer entfernt. Und warum ausgerechnet Stuttgart? „Ich habe gehört, dass man hier die Schule machen kann“, sagt Said El-Mahdi. Ein Gerücht unter Flüchtlingen, das sich für ihn bewahrheiten sollte. Als El-Mahdi 2009 in die Landeshauptstadt kam, hat er zunächst einen Sprachkurs gemacht, dann den Hauptschulabschluss an der Heusteigschule. Jetzt wäre der nächste Schritt dran: Nach zwei Praktika, die ihm großen Spaß bereiteten, würde er sich liebend gern zum Metallbauer ausbilden lassen. „Die wollten mich haben“, sagt er. Doch das war nicht drin bei dem Betrieb: Zu unsicher ist sein Status, denn als Geduldeter hat El-Mahdi keine Arbeitserlaubnis. Und seit er volljährig ist, droht ihm die Abschiebung.

Günter Königsdorf versteht das alles nicht. Seit sechs Jahren ist der Unternehmer im Rentenalter Lernpate an der Heu-steigschule und will Said El-Mahdi helfen, in Deutschland zu bleiben. „Ausländer sind eine Riesenchance für unser Land und für die Firmen“, sagt Königsdorf und schüttelt den Kopf: Sein Schützling Said El-Mahdi habe sich nie etwas zuschulden kommen lassen und sei arbeitswillig. „Er ist doch ein Mensch und hat doch eigentlich das Recht, hier zu lernen, zu leben und zu arbeiten“, meint der 72-Jährige.

Deswegen setzt er für El-Mahdi alle Hebel in Bewegung. Regelmäßig treffen sich der junge und der alte Mann. El-Mahdi zeigt Königsdorf Briefe von Behörden und lässt sich den Inhalt erklären. Königsdorf geht für ihn zum Amtsgericht und zum Anwalt, um gegen die Abschiebung Einspruch zu erheben. „Ich verstehe nicht, warum man junge Menschen im Land duldet und sie ausweisen lässt, sobald sie volljährig sind“, sagt Königsdorf.

Im August drohte dem Marokkaner die Abschiebung. Königsdorf suchte fieberhaft nach Möglichkeiten, wie El-Mahdi doch noch in Deutschland bleiben könnte. Nach vielen Telefonaten und langen Recherchen im Behördendschungel ist der Lernpate vor zwei Monaten auf eine Möglichkeit gestoßen: Gemeinsam mit einem weiteren Lernpaten, Peter Tolckmitt, hat er einen Härtefallantrag für Said El-Mahdi gestellt und sammelte Unterschriften.

Inzwischen ist ein Schreiben der Kommission bei ihm eingegangen. Der Inhalt: so lange die Härtefallkommission den Antrag prüft, kann Said El-Mahdi nicht abgeschoben werden. Wie lange diese Prüfung dauern kann, wird aber nicht mitgeteilt. Auf Anfrage der StZ heißt es aus dem baden-württembergischen Integrationsministerium, wo die Geschäftsstelle der Härtefallkommission angesiedelt ist: Im Durchschnitt kann eine Prüfung sechs bis neun Monate dauern – je nach Fall. Bei negativen Bescheiden und eindeutigen Fällen könne es auch schneller gehen. Es komme immer auf den Fall an.

Keine Arbeit und keine Zukunft

Für den jungen Marokkaner ist dieser ganze Prozess zermürbend. Er würde viel geben für Sicherheit, Frieden und einen Arbeitsplatz in Deutschland. Allein und ohne Familie in einem fremden Land – ohne zu wissen, was die Zukunft bringt. Die Ungewissheit lastet schwer auf dem Flüchtling. Er will so gern arbeiten und darf es nicht. Immerhin: wenn Günter Königsdorf für ihn einen Betrieb findet, der ihm trotz Duldung und Härtefall eine Chance gibt, könnte er eine Ausbildung anfangen und sich in seiner Wahlheimat bewähren.

Was in Marokko auf Said El-Mahdi wartet, wissen alle nicht. Nur eines: „Es gibt dort keine Arbeit, keine Zukunft und keine Perspektive.“ Und davor hat Said El-Mahdi große Angst.