Die FDP beim Dreikönigstreffen in Fellbach. Foto: dpa

Die FDP will wieder mitregieren in Baden-Württemberg – aber nicht um jeden Preis. Bei ihrem Parteitag in Fellbach hat sie „Prüfsteine für den Politikwechsel“ beschlossen. Die Mitbewerber sollen sich dazu äußern.

Fellbach - Lencke Steiner ist in ihrem Element. In der Fellbacher Schwabenlandhalle gibt sie ihren Parteifreunden im Südwesten ein paar Tipps für den bevorstehenden Wahlkampf. Im vergangenen Mai hatte es die 30-jährige Unternehmerin in Bremen geschafft, die FDP nach fünfjähriger Pause wieder zurück in die Bürgerschaft zu bringen. „Wir in Bremen und Hamburg hatten Beine, ihr in Baden-Württemberg habt James Bond“, ermutigt sie die rund 400 Delegierten. Vor einigen Tagen hatte eine Boulevardzeitung den baden-württembergischen Spitzenkandidaten Hans-Ulrich Rülke in Badehose präsentiert – schon 1981 habe er die Parteifarben getragen, titelte das Blatt.

Nicht alle Parteitagsgäste sind von den Empfehlungen der attraktiven Bremerin begeistert, manchen erinnern sie an den frühen Westerwelle-Klamauk. Um die Wähler im Südwesten zu überzeugen, müsse sich die FDP „mit Inhalten“ präsentieren - als verlässliche und unverzichtbare Kraft. Andernfalls drohe ihr das Aus, sagt einer.

Erst Inhalte, dann Koalitionsaussagen

Das entspricht auch der Linie der Parteispitze. „Wir sind stolz, dass die Freien Demokraten wieder mit einer weiteren Perspektive wahrgenommen werden: weltoffen und proeuropäisch, marktwirtschaftlich und bürgernah“, erklärt FDP-Landeschef Michael Theurer. Es sei ein Fehler gewesen, sich in der Vergangenheit so eng an die CDU anzulehnen – ein Seitenhieb auf seine Vorgängerin Birgit Homburger, aber auch auf den Spitzenkandidaten Hans-Ulrich Rülke, ein langjähriger Freund von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU). Derzeit liegt die FDP in Umfragen bei fünf Prozent – für eine schwarz-gelbe Koalition würde das nicht reichen.

Manchem ist die Vorstellung, sich nach anderen Koalitionspartnern umzusehen, allerdings ein Graus. Mit der SPD – das gehe ja gar nicht, wettert Andreas Knapp, Direktor am Landesrechnungshof und Landtagskandidat für den Wahlkreis Böblingen/Sindelfingen. Bei Themen wie Gemeinschaftsschule, Bildungszeitgesetz oder Bewährungshilfe komme man mit den Sozialdemokraten nicht zusammen. Andere sind offener – auch aus Enttäuschung über die CDU, die in Berlin beispielsweise Mindestlöhnen zugestimmt habe und den Mittelstand mit immer neuen Regelungen gängle. Auch im Land fehle es ihr an Profil, sagt Landeschef Theurer. So verweigere sie sich den von der FDP angeregten Gesprächen über einen Schulfrieden – eine Vereinbarung zwischen allen Parteien, dass nicht mit jedem Regierungswechsel das Bildungssystem umgekrempelt wird. Die FDP will die von Grün-Rot eingeführten Gemeinschaftsschulen, an denen Schüler unterschiedlicher Begabung gemeinsam lernen, zwar erhalten, aber „ihre Privilegien“ abschaffen – als Ganztagsschulen bekommen sie unter anderem mehr Lehrerstunden und haben etwas kleinere Klassen.

Lob vom Parteinachwuchs

Nach seiner Grün-Rot-Schelte demonstriert Theurer, wo er die künftigen Aufgaben für die FDP sieht. Dazu bittet er den Unternehmensberater Heinz-Peter Labonte auf die Bühne, um von ihm zu hören, warum dieser in Brandenburg den Ausbau des schnellen Internets zügig voranbringt („persönliche Bekanntschaften“), während Baden-Württemberg hinterherhinkt. Eicke Weber, Direktor beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg und FDP-Kandidat, erklärt, weshalb „blaues Wachstum“ wichtiger ist als „grünes“. Und Torsten Oltmanns von der Unternehmensberatung Roland Berger macht via Video deutlich, wie die digitale Revolution Gesellschaft und Arbeitswelt verändern wird. Die Jungen Liberalen, die bei früheren Parteitagen die Parteispitze teils scharf kritisierten, sind voll des Lobes über die neue Wahlkampfstrategie. Die Kandidaten sollten sich nicht zu Koalitionsaussagen verleiten lassen, warnt Juli-Chef Marcel Aulila. Und auch nicht zu „plumpem Populismus“ beim Thema Flüchtlinge.

Flüchtlinge, Bildung, Wirtschaft

Das Thema Flüchtlinge spielt eine große Rolle, als die Delegierten über die „Prüfsteine für den Politikwechsel“ diskutieren. „Wir müssen das Chaos in der Flüchtlingspolitik beenden und die rechtsstaatliche Ordnung zum Wohle der Bürger und der Flüchtlinge erhalten und wiederherstellen“, heißt es im Antrag des Landesvorstands. Auch Themen wie Bildung, Wirtschaft, Infrastruktur und Rechtsstaat sind zentrale Punkte in den Wahlprüfsteinen, die mit überwältigender Mehrheit beschlossen werden. Die Vorstellungen der Liberalen sollen in den nächsten Tagen an CDU, Grüne und SPD gehen – mit der Bitte, sich dazu doch noch vor der Wahl zu äußern. „Jetzt sollen die anderen mal sagen, ob sie unsere Inhalte umsetzen wollen, und nicht immer wir, mit wem wir koalieren wollen“, sagt Hans-Ulrich Rülke. Die FDP wolle einen Politikwechsel. Sie wolle auch regieren - aber nicht um jeden Preis. „Wir stehen nicht unter Druck, denn wir können auch Opposition“, sagt der Spitzenkandidat – und präsentiert sein zweites Plakat für den Wahlkampf: „Der nächste Schritt für unser Land“.