Figurenmasken wie hier bei „Dr. Nest“ sind ein Markenzeichen der Berliner Truppe namens Familie Flöz. Foto: Hajo Schüler

Die Berliner Theatertruppe Familie Flöz erkundet im Stuttgarter Theaterhaus die Grenzen von Vernunft und Wahnsinn. Im Stück „Dr. Nest“ zweifelt der neue Chef einer Nervenheilanstalt an seinem Verstand.

Stuttgart - Eigentlich wollte er alles ganz anders machen. Mit angezogenen Beinen kauert Dr. Nest im weißen Krankenbett, während die Nacht unheilvoll durch die Heilanstalt Villa Blanca wabert. Vor ein paar Tagen erst reiste der Mediziner mit der festen Überzeugung an, den Patienten hier mit seiner unkonventionellen Art helfen zu können. Und jetzt? Muss er sich selbst fragen, ob er den Verstand verliert.

Die Produktion „Dr. Nest“ der Familie Flöz, eines Kollektivs internationaler Künstler aus Berlin, stellt in einer Mischung aus Maskenspiel, Theater und Performance gleich mehrere große Fragen: Wer bestimmt eigentlich, wer wir sind? Wie schmal ist der Grat zwischen Wahnsinn und Vernunft? Und kann man überhaupt je auf der richtigen Seite stehen?

Kampf mit einem bizarren System

Diese Themen umkreist das textlose Stück in einem Wirrwarr, durch das sich die melancholisch dreinschauende Hauptfigur kämpfen muss. Denn Nests Arbeitsplatz in der Anstalt funktioniert nach seinen eigenen, bizarren Gesetzen: Wände und Türen, die sich scheinbar von selbst bewegen. Skurrile Gestalten, die in ihrer eigenen Realität feststecken und nach außen hin nur schludrige Gesten fabrizieren. Dazu ein schier undurchdringliches System aus Hierarchien, Abläufen und Vorgaben – ungefähr so wie dieser Arzt muss sich Josef K. in Franz Kafkas „Der Prozess“ gefühlt haben.

Das Ohnmachtsgefühl, das den Protagonisten bei seinem Zusammentreffen mit Personal und Patienten beschleicht, ist auf der Bühne des Stuttgarter Theaterhauses clever inszeniert. Nicht nur der Raum selbst ist unstet, auch die fünf Darsteller schlüpfen fast nahtlos in rund 20 verschiedene Rollen. Dazu kommen die überdimensionierten Masken, die nicht nur ein Markenzeichen der Familie Flöz, sondern auch äußerst effektvoll sind. In seinen besten Momenten ist „Dr. Nest“ jedoch auch ein leises Stück über das Ankommen, Zuhören und Annehmen. Wenn der Doktor seinen Patienten zum Beispiel neugierig in ihre Wahnwelten folgt, statt ihre Ticks stur zu unterbinden, bildet der forsche Wissenschaftler eine Brücke zwischen Wahnsinn und Vernunft. Oder doch nicht?

Vorstellungen am 17.03 und 15.09. 2018, 20.15 Uhr, sowie am 18.03. und 16.09. 2018, 19.00 Uhr