Der eine stets überfordert, der andere mit besonderer Gabe: Todd (Elijah Wood, li.) und Dirk Gently (Samuel Barnett) Foto: Bettina Strauss/BBCA

Wenn ein Krimi zum absurden Theater wird, stammt das Werk schnell mal von Douglas Adams. Die Netflix-Serie „Dirk Gentlys Holistische Detektei“ beweist von Sonntag an, wie grandios Fernsehen sein kann.

Stuttgart - Die wirre Welt, in der wir leben, ist höchst komplex. Fast alles darin ist mit fast allem derart dichtmaschig verwoben, dass einfache Problemlösungen die zu lösenden Probleme oft nur noch weiter verschlimmern. Da muss gar kein chaostheoretischer Schmetterlingseffekt bemüht werden – und auch keine ähnlich vielschichtigen Deutungsmuster diffiziler Phänomene; es reicht bereits, einer skurrilen Frohnatur wie Dirk Gently zuzuhören. Als der freiberufliche Detektiv bei einem chronischen Loser namens Todd einbricht und ihm erklären soll, was er denn bitte sehr auf dessen Fensterbrett zu suchen habe, gibt er nämlich „etwas sehr Wichtiges“ zur Antwort und fügt lachend hinzu: „Nichts!“ Also alles.

In einer Netflix-Serie, die mit herkömmlich zubereiteter Krimikost aus deutschen Landen weniger zu tun hat als der Streamingdienst mit 3 Sat, hängt schließlich jede, wirklich jede scheinbar belanglose Nebensächlichkeit mit dem Rest dieser aberwitzigsten Ermittlungsstory zusammen.

Dirk Gently – viel mehr erfährt man zunächst nicht über die herrlich durchgeknallte Titelfigur – ist ein Privatschnüffler mit der Gabe, Beziehungsketten zu erkennen, wo andere nur Einzelfälle sehen. Alles hängt mit allem zusammen, so lautet sein Mantra, weshalb die Serie folgerichtig „Dirk Gentlys holistische Detektei“ heißt. Und genau darum sitzt ihr Chef und bislang einziger Mitarbeiter nun auch auf dem Fensterbrett von Todd, der kurz zuvor seinen Job als schlecht bezahlter Lobbyboy eines Grandhotels verloren hat, in dem zum Auftakt ein gut sichtbares Massaker stattgefunden hat. Mit tiefenentspannter Selbstverständlichkeit verkündet ihm der Detektiv, er sei fortan sein Assistent in einem Kriminalfall, der – leider, leider – zu komplex sei, um ihn jetzt näher zu erläutern.

Katzenbabys und Hooligans

Was folgt, ist eine Feuerwerk bizarrer Gewalttaten, deren Subjekte ebenso wie die Objekte reichlich miteinander zu tun haben, was schon in Folge eins des Achtteilers zu erahnen ist und Richtung Staffelfinale immer deutlicher Gestalt annimmt. Katzenbabys sind da in direkter Linie mit Hooligans verbunden, Rassehunde mit Kidnappern, das FBI mit Todds Lottogewinn und alle gemeinsam mit Dirk Gently samt seinem Helfer in spe. Ein cineastisch sprühendes Potpourri, das sich so wohl nur jemand wie Douglas Adams ausdenken kann.

Max Landis hat das außergewöhnliche Stück des „Per Anhalter durch die Galaxis“-Autors fernsehgerecht zurechtgemacht. Ein „Geister-Horror-wer-ist-der-Täter-Zeitmaschinen-Romanzen-Komödien-Musical-Epos“ – so umschrieb der viel zu früh verstorbene Adams vor Fertigstellung des dritten Teils seine Dirk-Gently-Bücher. Dass die verfilmte Version da spielend mithält, hat gleich mehrere Gründe: allen voran Samuel Barnett, der seiner Titelfigur im amerikanischen Seattle mit britischem Akzent und kanariengelber Lederjacke eine Verschrobenheit von hinreißender Tiefe verleiht; glänzend assistiert von Elijah Wood, dessen dauerpanisches Hobbit-Gesicht ideal zur konstanten Überforderung seines Todd passt.

Zielloser Irrsinn

Wie all die anderen Freaks und Bullen, Täter und Opfer, Schwergewichte und Accessoires ringsum, treiben sie die Fähigkeit angloamerikanischer Komödianten, angemessen statt selbstreferenziell zu grimassieren, dabei mit leichter Hand gen Perfektion. In seiner raumgreifenden Absurdität mag das Ganze die Grenzen von Logik und Verstand dabei zwar ein ums andere Mal frontal attackieren, vollständig überschritten werden sie allerdings nie: Zu sorgfältig fließt letztlich jeder Handlungsstrang in den nächsten, zu liebevoll sind die unterschiedlichsten Charaktere gezeichnet, zu dezent grundiert ein brillanter Soundtrack jeden Anflug ziellosen Irrsinns.

Das ist trotz all der bluttriefenden Brutalität unzähliger liebevoll inszenierter Tötungsdelikte oft so brüllend komisch, als zöge hier Quentin Tarantino mit den Simp-sons ins „Grand Budapest Hotel“ ein, um dort „Twin Peaks“ nachzudrehen.