Szene aus Marko Cicilianis Performance „Anna & Marie“ Foto: Festival

Zwischen Heiterkeit und tiefem Ernst: Erste Eindrücke von den Donaueschinger Musiktagen 2019, die mit Werken von Simon Steen-Andersen, Michael Pelzel und mit Performances begonnen haben

Donaueschingen - „Hier“, sagt der Mann im gelben Ostfriesennerz, „beginnt das Festival.“ Er führt die kleine Besuchergruppe erst in den Keller der Donauhallen, wo man Projektbeschreibungen lesen kann, zum Beispiel jene von einem „Archiv der ungesagten Dinge“. In einer Halle finden die Besucher Umschläge mit Fragen: Ob es je ein Konzert gab, das ihr Leben veränderte? Und ob Musik wohl anders klänge, würde sie von Menschen aller denkbaren Geschlechter aufgeführt? In einem Container definieren zwei Schauspieler schließlich ein „unmögliches Festival“: als eine Plattform von internationalen Ideen zu Ökologie, Kunst und Politik, nachhaltig, gemeinschaftsstiftend, menschheitsrettend. Die Performance ist Teil der Reihe „Die Institution“ des Duos Melanie Mohren und Bernhardt Herbordt, entstand in Kooperation mit dem Stuttgarter Theater Rampe und begleitet als eine Art Metaebene die diesjährigen Donaueschinger Musiktage.

Wer die Performance erlebt hat, freut sich ganz besonders darüber, dass in Donaueschingen daneben, nein, vor allem Musik gemacht wird. Und dass dem alljährlichen Festival für Neue Musik im Schwarzwald schon im Eröffnungskonzert mit dem SWR-Symphonieorchester unter Emilio Pomáricos Leitung eine gehörige Portion Leichtigkeit und Heiterkeit zugewachsen ist. Zwar steht mit Michael Pelzels „Mysterious Benares Bells“ eine sowohl zauber- als auch sehr ernsthafte, fein ausgearbeitete Glissando-Studie im Zentrum des Abends. Aber der Rest ist Neue Musik zum Lächeln.

Wie klingt das Glück?

So hat Matthew Shlomowitz zum Beispiel in seinem Stück „Glücklich, glücklich, Freude, Freude“ allerlei musikalisch Erfreuliches auf die Spitze getrieben: lustige Triller, obertonreiche Akkordbrechungen im Horn, sehr viel Tonales, sehr viel Tonikales, Wiederholungen, Sequenzen, dazu Beats, Kastagnetten, wilde Aktionen eines (allerdings nicht optimal mit dem Orchester koordinierten) Synthesizers. Am Ende wird wieder der erste Gang eingelegt, und es ist gut, dass uns die letzte Akkordkette das harmonische Nachhausekommen versagt, denn sonst hätte diese Burleske „Glücklich, glücklich, glücklich“ heißen müssen, und das wäre dann doch des Guten zu viel gewesen.

Simon Steen-Andersen spielt in „Trio“ mit musikalisierten, rhythmisierten Passagen aus alten Fernsehmitschnitten von Auftritten der SWR-Klangkörper, zappt virtuos zwischen dem Live-Orchester, der live mit C-Dur-Glanz protzenden SWR-Big Band, dem ebenfalls live singenden SWR-Vokalensemble (unter Michael Alber) und den TV-Aufnahmen hin und her, verwischt die Grenzen, inszeniert lustige Vexierspiele zwischen wiederholten und gegeneinander versetzten Klängen und Bildern. Auf der Leinwand sieht man den Südfunkchor, die Big Band, das alte Südfunk-Orchester, Dirigenten wie Sergiu Celibidache und Carlos Klaiber, alles in Schwarzweiß, auf der Bühne hört man den Chor Händel singen und die Anweisungen der Dirigenten von früher nachsprechen, und weil das Ganze über weite Strecken kurzweilig, handwerklich exzellent gemacht und außerdem eine Reverenz an die große musikalische Tradition des Südwestrundfunks ist, fällt die leichte Überlänge des Stücks nicht besonders ins Gewicht.

Von eher minderer Qualität ist beim Auftritt des Ensembles Resonanz Gordon Kampes „Remember me“, das gesungene Volksliedfetzen mit einem Streichorchester-Trauerrand versieht. Das ist ab und zu lustig, aber keine Kunst, das kann weg. Überzeugender ist schon Nicole Lizées spielerischer Umgang mit übereinander gelegten und klangfarblich hübsch eingekleideten mechanischen Wiederholungsschleifen („Sepulchre“). Aber sobald am Ende des Konzertes das im Raum verteilte Ensemble Mark Andres „rwh1“ zu spielen beginnt, spürt man, was wirklich hohe Qualität ist und was man zuvor vermisste: Klarheit, Idee, Struktur, ja: Strenge. Wie oft bei Andre lebt auch dieses Stück von kleinen, leisen, präzise gesetzten Bewegungen, von (live-elektronisch gestylten) Obertönen, Nachklängen, Atembewegungen, hier auch einmal von einem geradezu magischen Orgelsound. Die Donauhalle als Klang-Kathedrale. Fantastisch – da bleibt einem glatt das Lächeln im Halse stecken.